Harkness Tower der Yale University
AP/Beth Harpaz
Bestechungsskandal

Zugang zu US-Unis „immer schon käuflich“

Hollywood-Stars, reiche Unternehmer und wohlhabende Eltern – sie alle sollen mit illegalen Zahlungen ihren Kindern den Zugang zu US-Eliteuniversitäten ermöglicht haben, wie am Dienstag bekanntgeworden ist. Doch einige sehen darin nur die Spitze des Eisbergs. Der eigentliche Skandal sei ganz ein anderer.

„Es ist nur das letzte – und vor allem kriminelle – Anzeichen dafür, wie unfair der Zugang zu guten Unis in den USA mittlerweile ist“, hieß es etwa in einem Kommentar der „New York Times“ mit dem Titel „What Else Is New?“ (etwa: „Was ist sonst noch neu?“). Der Skandal sei, so der Autor, alles andere als eine Überraschung. Alle wüssten, dass im Aufnahmeprozess getrickst und betrogen werde – und wie wichtig Geld und Einfluss dabei seien.

Der Autor stellte die Frage, wie viele Vorteile durch Privilegien erkauft werden könnten, und verwies auf den Fall Jared Kushners, dessen Vater kurz vor seiner Aufnahme 2,5 Millionen Dollar (2,2 Mio. Euro) an die Eliteuniversität Harvard gespendet hatte – legal. Denn Kushners Noten wären einem Bericht zufolge weit unter den normalen Aufnahmekriterien der Eliteuni gelegen.

40.000 Dollar für „Bewerbungsstrategie“

In einem weiteren „New York Times“-Kommentar schrieb die Autorin Rainesford Stauffer, dass die Aufnahme an US-Eliteuniversitäten „immer schon zum Verkauf stand“. Die Betrugsfälle seien zwar verwerflich, viel empörender sei allerdings die legale Coaching-Industrie, die den Kindern reicher Eltern zu größeren Aufnahmechancen verhelfe und so den Weg an die Hochschulen ebne.

Ivy League

Die Ivy League ist ein Zusammenschluss der acht Universitäten Brown, Columbia, Cornell, Dartmouth, Harvard, Princeton, Pennsylvania und Yale. Sie zählen zu den prestigeträchtigsten der Welt und rangieren unter den besten 20 Universitäten der USA. Ihnen gemein sind sehr selektive Aufnahmequoten, die meist im einstelligen Prozentbereich liegen.

„Was ist mit der Testvorbereitungsbranche im Wert von 840 Millionen US-Dollar?“, fragte Stauffer. Eltern würden hier bis zu 200 Dollar pro Stunde an die Tutoren der Ivy League zahlen, deren Aufgabe es ist, die Punkteanzahl der Kinder bei den Aufnahmetests zu steigern. Neben unzähligen Vorbereitungskursen gebe es noch jene Autoren, die den Kindern individuell beim Verfassen ihrer Bewerbungsunterlagen „helfen“ – was nicht selten heißt, dass sie anstelle der Bewerber und Bewerberinnen Motivationsschreiben erstellen.

Zudem würden College-Coaching-Unternehmen existieren, die für eine komplette „Bewerbungsstrategie“ bis zu 40.000 Dollar verlangen. Ihrer Meinung nach sei all das der eigentliche Skandal.

Kinder reicher weißer Eltern überrepräsentiert

Zitiert wird in dem Kommentar auch die Harvard-Professorin Natasha Warikoo. Sie stellte fest, dass wohlhabende weiße Studenten und Studentinnen im Hochschulsystem überrepräsentiert seien und Arbeiterkinder, Schwarze, Latinos und Indigene nach wie vor in der Minderheit. „Wir haben in den Vereinigten Staaten keinen Konsens darüber, was ein faires Auswahlsystem ist“, meint Warikoo.

Laut Stauffer geht es bei der Zulassung zu Universitäten nicht, wie einst im Sinne des „American Dream“, darum, wie hart er oder sie gearbeitet hat, sondern rein um Privilegien. „Es ist immer möglich, dass sich ein anderer einfach ein besseres Leben kauft“, so die Autorin.

Betrugsskandal: Auch Promis angeklagt

Hintergrund der hitzigen Hochschuldebatte in den USA ist der am Dienstag öffentlich gewordene Betrugsskandal. Durch „Bestechung und andere Formen des Betrugs“ hätten die Betroffenen versucht, die Annahme ihre Kinder zu erwirken, heißt es in der Anklage. Die Fälle reichen bis ins Jahr 2011 zurück.

Nach landesweiten FBI-Ermittlungen unter dem Decknamen „Operation Varsity Blues“ schlug die Bundesbehörde am Dienstag mit Festnahmen und Anklagen zu. Unter den fast 50 mutmaßlichen Tätern sind auch Schauspielerin Felicity Huffman, bekannt aus der TV-Serie „Desperate Housewives“, und Lori Loughlin aus der Sitcom „Full House“.

Felicity Huffman
Reuters/Mario Anzuoni
Huffman „unterstützte“ laut Anklage ihre Tochter via Bestechung

Huffman, die aus ihrer Ehe mit dem Schauspieler William H. Macy zwei Töchter hat, sei Dienstagfrüh (Ortszeit) in ihrem Haus in Los Angeles verhaftet worden, berichtete die „Los Angeles Times“. Nach einem Gerichtstermin hinterlegte sie Kaution und kam wieder auf freien Fuß. Ende März muss Huffman vor Gericht in Boston (US-Staat Massachusetts) erscheinen. Loughlin sollte am Mittwoch in Los Angeles vor den Richter treten.

Eltern bezahlten bis zu 6,5 Millionen

Huffman soll laut Anklage 15.000 Dollar (13.000 Euro) Schmiergeld gezahlt haben, um zu erreichen, dass Antworten ihrer ältesten Tochter beim landesweiten Einstufungstest SAT nachträglich aufgebessert werden. Loughlin und ihr Mann, Modedesigner Mossimo Giannulli, sollen sogar 500.000 Dollar (etwa 440.000 Euro) lockergemacht haben, um ihre beiden Töchter fälschlicherweise als Ruderinnen auszugeben und sie über das Sportteam an der USC in Kalifornien unterzubringen. Viele US-Hochschulen locken junge, herausragende Sportler und Sportlerinnen mit wertvollen Stipendien.

Die Vorwürfe treffen aber auch Investoren in Silicon Valley, Firmenchefs und Unternehmer. Ein 58 Jahre alter Mittelsmann, der sich bereits schuldig bekannt hat, soll die Bestechungen eingefädelt haben. Den Eltern soll er die Machenschaften als „Seitentür“ zur Aufnahme ihrer Kinder in die Hochschulen dargestellt haben.

Laut Anklage kassierte er von den Eltern als Spenden getarnte Gelder in Millionenhöhe, mit denen er dann unter anderem Sporttrainer und andere Mitarbeiter an den Hochschulen schmierte. Einige Eltern gaben Hunderttausende Dollar aus, manche sogar bis zu 6,5 Millionen Dollar, um ihren Kindern die Zulassung zu sichern.

„Diese Eltern sind ein Katalog an Reichtum und Privilegien“

„Diese Eltern sind ein Katalog an Reichtum und Privilegien“, so Staatsanwalt Andrew Lelling. „Für jeden Studenten, der durch Betrug zugelassen wurde, wurde ein ehrlicher und tatsächlich talentierter Student abgewiesen“, brachte es Lelling auf den Punkt. Er erklärte, dass die Ermittlungen noch liefen, und er erwartet, dass weitere Eltern verwickelt sind.

Die Ermittler gehen davon aus, dass die Hochschulleiter aber nichts von den Trickgeschäften wussten. In vielen Fällen seien auch die betroffenen Schüler und Studenten ahnungslos gewesen, dass ihre Eltern bei den Aufnahmeprüfungen ihre Finger im Spiel hatten, teilte die Staatsanwaltschaft mit.