Wiener Bürgermeister Michael Ludwig
APA/Georg Hochmuth
Mindestsicherung neu

SPÖ-Länder über Vorgehen erbost

Die Landeshauptleute der SPÖ-geführten Bundesländer haben sich am Mittwoch erbost über das Vorgehen der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung in Bezug auf die Neuregelung der Mindestsicherung gezeigt. Man hätte zuvor mit den Ländern diskutieren müssen. Mehrere ÖVP-Landeshauptleute verteidigten hingegen die Vorgangsweise.

Vor Journalistinnen und Journalisten sagte Wiens Michael Ludwig (SPÖ) vor Beginn der außerordentlichen Landeshauptleute-Konferenz, dass die Meinung der Bundesländer für die Regierung offenbar nicht relevant sei. Denn obwohl für den 8. April ein Treffen zwischen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und den Soziallandesräten vereinbart war, wurde der Entwurf zur neuen Sozialhilfe bereits am Mittwoch vom Ministerrat abgenickt. „Ich habe den Eindruck, dass die Sozialministerin auf offener Bühne entmachtet wird“, sagte Ludwig. Denn sie habe andere Dinge bzw. Termine mit den Bundesländern vereinbart.

Zum geänderten Entwurf wollte er sich nicht im Detail äußern, da er ihn noch nicht kenne. Auf die Frage, ob Wien die Regelung umsetzen oder womöglich rechtlich dagegen vorgehen werde, legte sich Ludwig nicht fest: „Das wird auf den Entwurf ankommen.“ Offenbar gebe es zumindest Zugeständnisse, was Menschen mit Behinderung angeht. „Offene Fragen“ in Bezug auf Kinder seien jedoch nicht gelöst worden. Es sei „unverständlich, wie man kinderreiche Familien so behandeln“ könne, meinte Ludwig.

Doskozil: „Länder müssen ihre Interessen wahren“

In dieselbe Kerbe schlug der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ): Es sei „nicht okay“, im Ministerrat eine Änderung zu beschließen und erst Wochen später mit den Ländern zu diskutieren. Doszkozil ortete außerdem „große formale Defizite“ im Entwurf – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Für ihn stelle sich die Frage, wie weit die Regierung mit der Grundsatzgesetzgebung gehen dürfe. „Die Länder müssen ihre Interessen wahren“, betonte er. Auch er ließ mögliche rechtliche Schritte offen. „Es wird noch Gespräche zwischen Bund und Ländern geben müssen“, forderte er.

ÖVP-Länder zufrieden: „Gutes Einvernehmen“

Mehrere ÖVP-Länderchefs verteidigten das Vorgehen der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung dagegen. Auf die Frage, ob es in Ordnung sei, wie mit den Ländern umgesprungen werde, meinte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP): „Umgesprungen wird überhaupt nicht mit uns. Wir haben ein gutes Einvernehmen.“

Inhaltlich zeigten sich aber auch die ÖVP-Landeshautleute zurückhaltend: „Uns in Niederösterreich war es immer wichtig, dass es eine österreichweite Lösung gibt“, sagte Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Es brauche eine „ganz klare Differenzierung“ zwischen Erwerbseinkommen und Mindestsicherung, betonte sie.

Der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer
APA/Hans Klaus Techt
Der steirische Landeshauptmann Schützenhöfer verteidigte das Vorgehen der Regierung

Ihrer Ansicht nach ist die Klage der SPÖ-geführten Bundesländer, dass die Länder zu wenig eingebunden worden seien, nicht gerechtfertigt: „Wir diskutieren zum Thema Mindestsicherung schon seit Monaten und Jahren“, sagte sie. Es habe sehr wohl die Möglichkeit gegeben, Stellungnahmen abzugeben.

Stelzer: Was vorgegeben wird, wird man umsetzen

Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) sagte, er sei „grundsätzlich froh, wenn es eine österreichweit einheitliche Lösung gibt“. Inhaltlich wollte er noch kein Urteil abgeben: „Wir müssen uns sehr genau anschauen, was im Gesetz drinsteht.“ Oberösterreich habe bereits eine Regelung, die auch vor dem Verfassungsgericht gehalten habe, hielt er fest. Was gesetzlich vorgegeben werde, werde man aber jedenfalls umsetzen. Er sagte, dass es „laufend“ Kontakt und Treffen mit dem Ministerium gebe.

Regierung geht von Beteiligung der Länder aus

ÖVP-Klubobmann August Wöginger hoffte nach dem Ministerrat, dass auch die SPÖ-geführten Bundesländer das Grundsatzgesetz umsetzen werden. „Die Bundeshauptstadt Wien müsste dieser Bundesregierung eigentlich dankbar sein für dieses Sozialhilfe-Grundsatzgesetz“, meinte er. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ergänzte, dass alles andere nicht zu tolerieren sei. „Wir leben in einem Rechtsstaat, die Verfassung ist da sehr klar. Ich gehe nicht davon aus, dass ein Bundesland vorhat, gegen die Verfassung zu verstoßen.“

Dass man den Dialog mit den Bundesländern verweigert habe, ließ Sozialministerin Hartinger-Klein nicht gelten. Es habe viele Gespräche und auch den Begutachtungsprozess gegeben, auch für Anfang April seien die Soziallandesräte eingeladen. „Aber man soll die Dinge nicht zerreden und zerdiskutieren.“ Dass man bei der Sozialhilfe den Weg eines Grundsatzgesetzes statt einer Bund-Länder-Vereinbarung gegangen sei, liege einerseits an der höheren Verbindlichkeit für die Länder, andererseits aber auch in den größeren Spielräumen für diese.