Die britische Premierministerin Theresa May im Parlament in London
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London

Brexit-Abstimmungsmarathon geht weiter

Das britische Unterhaus muss am Mittwochabend erneut über die zukünftige Beziehung mit der EU abstimmen. Nach der Niederlage für Premierministerin Theresa Mays Brexit-Deal am Dienstag wird nun darüber entschieden, ob Großbritannien ohne Abkommen aus der EU ausscheiden soll. Ein Ende der Unklarheit dürfte das Votum jedoch nicht bringen. Die EU erhöht unterdessen den Druck auf London.

Zwar gilt es als höchst unwahrscheinlich, dass der Antrag auf einen „No Deal“-Brexit eine Mehrheit im Unterhaus erlangt, die Abstimmung wird dennoch mit Spannung erwartet. Nach Mays herber Niederlage am Dienstag kündigte die Parteichefin an, dass es bei der Abstimmung über „No Deal“ keinen Zwang zur Parteilinie geben werde.

Ab ungefähr 20.00 Uhr (MEZ) müssen die Abgeordneten im Unterhaus ihre Stimme abgeben – bevor über den „No Deal“-Ausstieg entschieden wird, kommen auch einige Änderungsanträge zur Abstimmung.

Einmal soll ein ungeordneter Austritt unter allen Umständen ausgeschlossen werden. Der zweite Anhang sieht vor, dass die Regierung zwar ohne Abkommen aus der EU ausscheidet, den Austrittstermin aber auf den 22. Mai verschiebt. Dieser wird unter anderem von den „Hard Brexit“-Verfechtern in Mays Tory-Partei unterstützt.

Die britische Premierministerin Theresa May
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May kündigte an, gegen einen „No Deal“-Brexit zu stimmen

Britischer Finanzminister spricht sich für neue Pläne aus

May selbst hält einen „guten Deal“ mit der EU noch immer für möglich, wie sie am Mittwoch im Parlament sagte. Mit schwindender Stimme – May kämpft seit Tagen damit – sagte sie: „Ich mag vielleicht selber keine Stimme haben, aber ich vernehme die Stimme des Landes.“ Sie werde folglich gegen einen „No Deal“-Brexit stimmen.

Am Nachmittag äußerte sie dann auch Zweifel an dem Abänderungsantrag für einen verspäteten, aber ungeregelten Austritt. Die EU habe „deutlich gemacht“, dass es ohne ein Austrittsabkommen „keine Übergangsfrist“ geben wird, und dazu gehöre auch, was bereits über „Bürgerrechte, eine finanzielle Einigung und das Nordirland-Protokoll“ verhandelt wurde, so May.

In die Debatte schaltete sich am Mittwoch auch Großbritanniens Finanzminister Philip Hammond ein. Er sprach sich praktisch für einen neuen, parteiübergreifenden Plan für den Brexit aus. Nachdem Hammond wiederholt vor den wirtschaftlichen Risiken eines „No Deal“-Brexits gewarnt hatte, sagte er, dass, wenn dieser ausgeschlossen würde, es „die Möglichkeit gäbe, einen Weg zu finden, um einen Konsens in diesem Haus für ein Abkommen zu finden, das wir gemeinsam unterstützen können, um die EU in geordneter Weise zu verlassen“.

Ruf nach zweitem Referendum wird lauter

Nicht nur bei der britischen Opposition, auch unter den EU-Abgeordneten wird der Ruf nach einem zweiten Referendum lauter. „Es wäre der logische nächste Schritt, die Menschen erneut zu fragen“, sagte EVP-Fraktionschef Manfred Weber. Auch der sozialdemokratische Fraktionschef Udo Bullmann warb für eine zweite Volksabstimmung.

Vonseiten der EU wird von London eine klare Linie gefordert. „Das Vereinigte Königreich – das ist seine Verantwortung – muss uns sagen, was es für unsere zukünftigen Beziehungen will“, so EU-Brexit-Unterhändler Michel Barnier am Mittwoch in Straßburg. Diese Frage stelle sich noch vor der Entscheidung über eine mögliche Verschiebung des Brexits. „Eine Verlängerung der Verhandlung – um was zu tun?“, fragte Barnier. Die EU sei so weit gegangen, wie sie konnte, betonte er. „Es wird keine weiteren Zusicherungen oder Interpretationen geben.“

Diplomaten sehen nur drei Gründe für Verschiebung

Vorstellbar seien nur drei Gründe für eine Verschiebung, sagte ein Diplomat gegenüber der dpa: die Ratifizierung des bisher abgelehnten Austrittsvertrags in Großbritannien, zusätzliche Zeit für die Vorbereitung auf einen harten Bruch oder Zeit für ein Referendum oder eine Neuwahl in Großbritannien.

Mehrere Diplomaten widersprachen jedoch einem Bericht des „Handelsblatts“, wonach die EU-Kommission in der Botschaftersitzung eine kurze Verlängerung um wenige Wochen nach jetzigem Stand abgelehnt habe und nun ein Aufschub um zwölf Monate oder mehr erwogen werde. Ein klares Meinungsbild gebe es noch nicht, hieß es. Noch gebe es ja auch keinen Antrag aus London. Auch die EU-Kommission wollte den Bericht nicht bestätigen.

Abstimmungen gehen vermutlich am Donnerstag weiter

Sollte, wie erwartet, der Antrag auf einen „No Deal“-Brexit abgelehnt werden, steht das weitere Programm für die britischen Abgeordneten bereits fest. Schon am Donnerstag lässt May dann erneut abstimmen – diesmal, ob es zu einer Verschiebung des Ausstiegs kommen soll. Bisher ist der Brexit für den 29. März vorgesehen.

Sollte sich das britische Parlament dafür entscheiden, steht auch eine große Entscheidung für die EU bevor. Nach Artikel 50 des EU-Vertrags müssten die übrigen 27 EU-Länder eine Verlängerung der Austrittsfrist im Einvernehmen mit Großbritannien einstimmig billigen.