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Mindestsicherung neu

Scharfe Kritik an Regierungsvorlage

Die Bundesregierung hat am Mittwoch im Ministerrat die Reform der Mindestsicherung, die künftig Sozialhilfe heißen wird, abgenickt. Nach dem Beschluss des Grundsatzgesetzes, dem die Länder mit ihren Ausführungsgesetzen folgen müssen, gilt bis 1. Juni 2021 eine Übergangsfrist. Doch an der Regierungsvorlage und am Vorgehen gibt es scharfe Kritik.

Die ÖVP-FPÖ-Regierung zeigte sich jedenfalls über ihr Vorhaben, das nun als Regierungsvorlage dem Nationalrat vorgelegt wird, erfreut. „Ich glaube, wir haben ein System geschaffen, das deutlich besser und gerechter ist“, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) ortete „insgesamt eine Lösung, die Integration und Arbeitsbereitschaft fördert“.

Trotz heftiger Kritik in der Begutachtung gab es nur kleine Änderungen im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf. Wichtigste Neuerung ist, dass der Bonus für Behinderte von einer Kann- in eine Muss-Bestimmung umgewandelt wird. Die Höhe der Geldleistungen bleibt ebenso unverändert wie die Staffelung für Kinder und die Einschnitte für Zuwanderer mit schlechten Deutschkenntnissen.

SPÖ-geführte Länder erbost über Vorgehen

Die Landeshauptleute der SPÖ-geführten Bundesländer zeigten sich erbost über das Vorgehen der Bundesregierung. „Was uns in Wien sauer aufstößt, ist, wie mit den Bundesländern umgegangen wird“, sagte etwa Wiens Landeshauptmann Michael Ludwig. Er ließ ebenso wie der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil offen, ob man das Gesetz umsetzen oder rechtliche Schritte einleiten werde – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

Dass man den Dialog mit den Bundesländern verweigert habe, ließ Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) aber nicht gelten. Es habe viele Gespräche und den Begutachtungsprozess gegeben, auch für Anfang April seien die Soziallandesräte eingeladen. „Aber man soll die Dinge nicht zerreden und zerdiskutieren“, so die Ministerin. Dass man bei der Sozialhilfe den Weg eines Grundsatzgesetzes statt einer Bund-Länder-Vereinbarung gegangen sei, liege einerseits an der höheren Verbindlichkeit für die Länder, andererseits aber auch in den größeren Spielräumen für diese.

ÖVP-Länder zufrieden mit Regierung

Mehrere ÖVP-Länderchefs verteidigten das Vorgehen der Bundesregierung. „Wir haben ein gutes Einvernehmen“, betonte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer hielt fest, er sei „grundsätzlich froh, wenn es eine österreichweit einheitliche Lösung gibt“. Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hielt die Klage der SPÖ-geführten Bundesländer, dass die Länder zu wenig eingebunden worden seien, ebenfalls nicht für gerechtfertigt.

Mindestsicherung neu passierte Ministerrat

Die neue Sozialhilfe, die künftig die Mindestsicherung ersetzen soll, hat am Mittwoch den Ministerrat passiert. Die ÖVP-FPÖ-Regierung präsentierte ihr Vorhaben, das sie als Regierungsvorlage ins Parlament schickt.

Durchaus zufrieden mit der Regierungsvorlage zeigten sich auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Auch der ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB) begrüßte das geplante Gesetz, weil es mehr Gerechtigkeit bringe.

Match Wien gegen Bund geht weiter

Deutliche Kritik kam dagegen von mehreren Soziallandesräten: Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sprach von einer „Destruktion des Sozialsystems“, die grüne Wiener Sozialsprecherin Birgit Hebein von einem „Armutsförderungsgesetz“. Und SPÖ-Landeshauptmann Michael Ludwig schließt eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht aus – mehr dazu in wien.ORF.at.

Dass der Regierungsbeschluss zur Sozialhilfe am heutigen Mittwoch fiel, die Sozialministerin die Länder aber erst für 8. April zum Gespräch geladen hat, empfindet Kärntens Solzialreferentin Beate Prettner (SPÖ) als „Verhöhnung“ – mehr dazu in kaernten.ORF.at. Der Salzburger Heinrich Schellhorn (Grüne) war ebenfalls verärgert, dass man vier Wochen vorher vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.

Opposition mit deutlicher Kritik

Höchst unzufrieden mit dem Regierungsentwurf zur Mindestsicherung waren auch die Oppositionsparteien – allerdings mit unterschiedlichen Kritikpunkten. SPÖ, Jetzt und Grüne kritisierten scharf die Kürzungen für Kinder. NEOS missfällt vor allem, dass ohne Einbindung der Länder „der Fleckerlteppich einzementiert“ werde.

Wöginger (ÖVP) und Rosenkranz (FPÖ) zur Sozialhilfe

Die Klubobmänner August Wöginger (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ) nehmen im ZIB-2-Interview Stellung zur neuen Sozialhilfe.

Auch Hilfsorganisationen lehnen das Sozialhilfe-Vorhaben der Regierung entschieden ab. Österreich verabschiede sich damit vom Ziel der Armutsbekämpfung, stellte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger fest. Die soziale Unsicherheit werde erhöht und die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert, kritisierte die Armutskonferenz.

Mindestsicherung wird zu Sozialhilfe

Die Regierung hat am Mittwoch den Gesetzesentwurf für die neue Sozialhilfe präsentiert. Hilfsorganisationen und die Opposition zeigen sich kritisch.

Auch der Arbeiter-Samariter-Bund und SOS Mitmensch äußerten scharfe Kritik. Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) „bedauerte“ den Ministerratsbeschluss zur Sozialhilfe – denn auch Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte brauchten ein tragfähiges Auffangnetz. Der Österreichische Städtebund kritisierte den Entwurf ebenfalls als „unzureichend“. Die in der Stellungnahme des Städtebunds geäußerten Bedenken seien zum Großteil offenbar nicht berücksichtigt worden, hieß es in einer Aussendung.