Einer der beiden Verdächtigen postete auf seiner Facebook-Seite ein Foto von sich und Bolsonaro, das in den Onlinenetzwerken geteilt wurde. Der zweite Tatverdächtige wurde am Dienstag in dem Wohngebäude festgenommen, in dem auch Bolsonaro ein Apartment hat.
Beide sind ehemalige Militärpolizisten, die sich einer kriminellen paramilitärischen Gruppe angeschlossen haben. Nach einem der Chefs der Miliz wird derzeit gefahndet – und der hat beste Kontakte zu Bolsonaros Sohn Flavio. Die Präsidentenfamilie dementiert Verbindungen zu dem Mord heftig.
Shootingstar der Linken erschossen
Franco war ein Shootingstar der brasilianischen Linken: jung, schwarz, lesbisch – aufgewachsen in einer Favela. Am späten Abend des 14. März 2018 wurde sie in ihrem Auto erschossen. Die Täter feuerten aus einem Wagen 13 Schüsse ab, vier davon waren tödlich. Neben Franco starb auch ihr Fahrer Anderson Gomes.

Als Stadträtin der Partei PSOL engagierte sie sich gegen Gewalt und Korruption in den Elendsvierteln von Rio de Janeiro. Damit brachte sie offenbar die mächtigen Milizen gegen sich auf. Die Verbrechersyndikate aus aktiven und ehemaligen Polizisten verfügen über gute Verbindungen in die Lokalpolitik und kontrollieren große Teile der Favelas von Rio de Janeiro – auch über Immobilienhandel und die Entscheidungen über Zugang zu Strom, Wasser und Gas.
Spur zu Milizen
Schon bald nach dem Mord stand fest, dass die Kugeln, durch die Franco sterben musste, aus Beständen der Militärpolizei kamen. Auch die Rolle der Milizen wurde bald hinterfragt, dann gerieten die Ermittlungen allerdings in Stocken. Erst heuer nahm die Arbeit der Polizei wieder Fahrt auf. Ende Jänner wurden 13 Haftbefehle gegen Mitglieder der Miliz „Büro des Verbrechens“ (Escritorio do Crime) erlassen – auch im Zusammenhang mit dem Mord an Franco.
Rege Kontakte zu Bolsonaros Sohn Flavio
Und bei den Ermittlungen tauchte plötzlich der Name Bolsonaro auf. Präsidentensohn Flavio beschäftigte in seinem Abgeordnetenbüro zeitweise die Ehefrau und die Mutter von Adriano Magalhees da Nobrega. Der ehemalige Hauptmann der Polizeispezialeinheit Bope soll ebenfalls in den Mord an Franco verwickelt sein und ist derzeit auf der Flucht. Eine Zeit lang galt er sogar als der mutmaßliche Schütze bei dem Attentat – und er ist einer der führenden Köpfe des „Büros des Verbrechens“.

Bolsonaro junior hatte Nobrega einst für eine Verdienstmedaille vorgeschlagen. Überhaupt hegt der älteste Sohn des Präsidenten offenbar gewisse Sympathien für die Milizen. „Eine Miliz ist nichts anderes als eine Gruppe von Polizisten, Militärs und anderen, die von einer gewissen Hierarchie und Disziplin geprägt ist und danach strebt, das Schlimmste aus dem Schoß der Gesellschaft zu tilgen: die Verbrecher“, sagte er einmal in einer Rede.
Sohn sieht sich als „Opfer einer Kampagne“
Nun wollte er aber von den Verbindungen nichts mehr wissen: „Ich bin Opfer einer diffamierenden Kampagne, die auf die Regierung von Jair Bolsonaro abzielt“, schrieb der Senator in einer Erklärung. Die Schuld schob er auf seinen Ex-Assistenten Fabricio Queiroz. Dieser habe darauf gedrängt, die beiden Frauen, Nobregas Frau und Mutter, einzustellen. Pikanterweise wird gegen Queiroz wie auch gegen Flavio Bolsonaro wegen Geldwäsche und fragwürdiger Immobilienkäufe ermittelt – und ausgerechnet die Mutter von Nobrega soll dabei Überweisungen durchgeführt haben.
Die Festnahmen von Dienstag ergaben eben neue Verbindungen zur Präsidentenfamilie. Vom verhafteten Militärpolizisten Elcio Vieira de Queiroz, der bei dem Attentat das Auto gefahren haben soll, wurde ein aus dem Jahr 2011 stammendes Facebook-Foto veröffentlicht, das ihn mit Jair Bolsonaro zeigt. Zu sehen ist allerdings nur die untere Gesichtshälfte des künftigen Präsidenten. Bolsonaro antwortete unterdessen auf Fragen von Journalisten in Brasilia, er lasse sich in ganz Brasilien mit „Tausenden Militärs“ ablichten.
Sehr viele Zufälligkeiten
Der zweite Tatverdächtige und angebliche Todesschütze, Ronnie Lessa, wurde am Dienstag in dem Wohngebäude festgenommen, in dem auch Bolsonaro ein Apartment hat. Das habe im Zusammenhang mit Francos Ermordung „nicht viel“ zu bedeuten, sagte Polizeikommissar Giniton Lages bei einer Pressekonferenz. „Es gibt keine direkte Beziehung zur Bolsonaro-Familie, wir haben nichts entdeckt“, fügte er hinzu.
Allerdings bestätigte er gleichzeitig eine ehemalige Liebesbeziehung zwischen Lessas Tochter und Bolsonaros zweitältestem Sohn Carlos. Von einem Reporter danach befragt, sagte er: „So ist es (…), aber das ist für uns zur Zeit nicht wichtig.“ Für Aufsehen in der brasilianischen Presse sorgten auch Aussagen des Ermittlers, dass er ein „Hassverbrechen“ an Franco nicht ausschließe.
Schwierige Ermittlungen nach Hintermännern
Damit verwische er sämtliche Verdachtsmomente, die in Richtung eines politischen Mordes gehe, heißt es in kritischen Kommentaren. Überhaupt sind auch nach den beiden Festnahmen noch viele Fragen offen. So ist unklar, wie viele Attentäter in dem Wagen saßen, sowohl von zwei als auch von drei ist manchmal die Rede. Waren es drei, dann ist eine Person noch flüchtig.

Und freilich geht auch die Suche nach den Hintermännern weiter. Der mutmaßliche Schütze Lessa überlebte im Vorjahr selbst ein Attentat auf ihn, das möglicherweise dazu gedacht war, ihn in diesem Fall zum Schweigen zu bringen. Dass die Hintergründe der Tat je geklärt werden, das wird von vielen bezweifelt: Sie fürchten, dass der Korruptionssumpf aus Milizen, Politikern und Behörden dies verhindern wird.
Dass der Fall aber in Brasilien nicht vergessen wird, zeigte ausgerechnet der heurige Karneval in Rio: Den Wettbewerb der Sambaschulen gewann ausgerechnet die Schule Mangueira, die bei ihrer Parade Marielle Franco würdigte und an ihren unaufgeklärten Tod erinnerte. Wohl auch aus diesem Grund feuerte Präsident Bolsonaro während des Karnevals etliche Breitseiten gegen das bunte Treiben ab.