Zuzana Caputova
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Slowakei-Wahl

Politneuling als überraschende Favoritin

Am Samstag sind vier Millionen Slowakinnen und Slowaken aufgerufen, ein neues Staatsoberhaupt zu wählen. Überraschungsfavoritin ist die liberale Juristin Zuzana Caputova, auch der amtierende EU-Kommissar Maros Sefcovic hat gute Chancen. Über dem gesamten Wahlkampf hing der Schatten eines Mordes: jener am Journalisten Jan Kuciak.

Insgesamt treten zum ersten Wahldurchgang am Samstag 13 Kandidatinnen und Kandidaten an, nur wenigen wird aber eine realistische Chance eingeräumt. Als Favoritin gilt die Bürgerrechtlerin Caputova, Vizechefin der neu gegründeten Progressiven Slowakei (PS). Der Zuspruch zu der 45-jährigen Rechtsanwältin ist innerhalb einer Woche auf mehr als das Doppelte gestiegen. Das verrieten zumindest die zuletzt bekannten Umfragewerte, denn in der Slowakei herrscht vor der Wahl ein Moratorium bis zum Wahlschluss am Samstag. Allerdings weichen die Umfrageergebnisse teils stark voneinander ab.

Caputovas PS ist noch nicht im Parlament vertreten, die Kandidatin war vor ihrem Antreten weitgehend unbekannt. Zuvor hatte sie bei einer angesehenen unabhängigen Bürgervereinigung als Anwältin gearbeitet. Politisch aktiv wurde sie aber erst Ende 2017 mit der PS. Mit ihren überraschenden Umfragewerten stellte Caputova zumindest zeitweise den amtierenden slowakischen EU-Kommissar Maros Sefcovic in den Schatten. Sefcovic ist parteilos, wird aber von der weiterhin stärksten Regierungspartei im Land, der Smer (Richtung) von Ex-Premier Robert Fico, unterstützt.

Aufruf zur Versöhnung

Vor Beginn des Wahlmoratoriums lief am Mittwochabend im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender RTVS die letzte große TV-Diskussion, bei der fünf Anwärter um Stimmen warben. Neben Caputova und Sefcovic traten auch der russlandfreundliche Ex-Justizminister Stefan Harabin, Extremistenführer Marian Kotleba sowie Bela Bugar, Chef der mitregierenden Ungarnpartei Most-Hid (Brücke), auf. Kotleba und Bugar dürften mit ihrer Kandidatur wohl eher auf größere Bekanntheit zielen.

Zuzana Caputova
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Zuzana Caputova war vor Kurzem noch ein unbeschriebenes Blatt. Zum Ende des Wahlkampfs stiegen ihre Chancen.

Für Harabin gibt es noch die Chance, in eine Stichwahl am 30. März zu kommen. Im Wahlkampf warb der 61-jährige Ex-Kommunist und Höchstrichter mit dem Schutz der traditionellen christlichen Familie, Widerstand gegen muslimische Migration und tiefere EU-Integration. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Peter Pellegrini forderte die Kandidaten in einer Ansprache noch dazu auf, die proeuropäische Ausrichtung der Slowakei nicht in Frage zu stellen und zu einer Versöhnung im Land beizutragen.

Land im Schockzustand

Denn die Slowakei ist mehr als ein Jahr nach dem Mord am Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten Martina Kusnirova tief gespalten. Erst vier Tage nach der Bluttat, am 25. Februar 2018, wurden die beiden nur 27 Jahre alten Opfer in ihrem Haus in Velka Maca erschossen aufgefunden. Allem Anschein nach hänge das Verbrechen mit der Arbeit des Aufdeckers zusammen, verkündete der damalige Polizeipräsident Tibor Gaspar. Kuciaks Arbeit über mafiöse Strukturen, die bis in höchste Kreise in Bratislava reichten, dürfte das Motiv gewesen sein.

Dem Doppelmord folgten in der Slowakei Massenproteste. Die Bürgerbewegung „Für eine anständige Slowakei“ organisierte Woche für Woche die größten Massenproteste seit der Wende, die schließlich die Regierung des dreimaligen Premierministers Robert Fico zu Fall brachten. Ein neues Kabinett unter dem jungen Sozialdemokraten Pellegrini sollte das Vertrauen in den Staat wiederherstellen. Es folgten aber immer weitere Enthüllungen von Kuciaks Kolleginnen und Kollegen.

Sorge vor Restriktionen

Restlos aufgeklärt ist der Mord an Kuciak zudem mehr als ein Jahr später immer noch nicht. Am Donnerstag beschuldigte ein Staatsanwalt einen bekannten slowakischen Unternehmer, den Mord an Kuciak in Auftrag gegeben zu haben. Er steht nun kurz vor der Anklage. Der Mann ist seit Sommer des vergangenen Jahres in Untersuchungshaft in einem nicht damit zusammenhängenden anderen Fall, er steht unter Verdacht, Wechselbetrug in Millionenhöhe begangen zu haben. Wann es zu einem Mordprozess kommt, ist vollkommen unklar.

Zudem fürchten viele weiter um die Unabhängigkeit und Sicherheit von Medien und Journalisten. Die regierende Koalition der Smer, der rechtspopulistischen SNS und der Ungarnpartei Most-Hid versucht derzeit ein Recht auf Gegenrede für Politiker durchzusetzen, das sich auch auf wahrheitsgemäße Äußerungen oder sogar politische Kommentare beziehen sollte. Im Parlament ist die heftig kritisierte Vorlage bereits in zweiter Lesung.

Fico bleibt Schlüsselfigur

Ob sich auf politischer Ebene etwas geändert hat, ist daher umstritten. Auch nach der Regierungsumbildung vergangenes Jahr ist die Smer von Ex-Premier Fico weiterhin stärkste Kraft geblieben und legte in jüngster Zeit in den Umfragen zu. Fico ist zudem weiterhin Parteichef.

Präsident der Slowakei Andrej Kiska
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Präsident Kiska tritt nicht mehr an

Den Präsidentschaftswahlkampf beherrschten auch innenpolitische Turbulenzen. Ein wochenlanges Chaos rund um die misslungene Wahl neuer Verfassungsrichter zog alle Aufmerksamkeit auf sich, ebenso der inzwischen offene Konflikt zwischen dem scheidenden Staatspräsidenten Andrej Kiska und Fico. Die beiden Rivalen standen einander vor fünf Jahren noch in einer Stichwahl gegenüber.

Kiskas Bilanz als Präsident ist gemischt. 2014 schlug der parteilose Millionär unerwartet Fico, mit dem er sich in der Folge in innenpolitische Grabenkämpfe versteifte. Kiska trug schließlich wesentlich zum Rücktritt von Premier Fico bei. Der Präsident aber geriet auch selbst schwer in die Kritik. Ein Grundstücksskandal und Vorwürfe der Steuerhinterziehung seiner Firma wurden laut. Kiska entschied sich schließlich, keine zweite Amtszeit anzustreben.

Präzedenzfall Iveta Radicova

Der Wahlkampf verlief schließlich auch nicht allzu sauber, Dirty Campaigning war im Wahlkampf wie auch 2014 bereits erneut ein Thema. So verbreitete etwa Juraj Blanar, Vizechef der Smer, die Favoritin Caputova würde nur Kinderadoptionen durch homosexuelle Paare, registrierte Partnerschaften und Abtreibungen propagieren. Ihre liberale Sicht „trampelt auf traditionellen Familien und Ehen herum“ und führe zum „Verfall der Gesellschaft“.

Eine Grafik mit Informationen zur kommenden slowakischen Präsidentenwahl
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA, Fotos: APA/AFP

Damit traf der Smer-Politiker einen Nerv: Mit ihren liberalen Werten spricht Caputova vor allem jene an, die einen Wandel wollen. Weite Teile der Slowakei sind allerdings weiterhin tief traditionell und konservativ. Daher ist fraglich, ob die Liberale nicht das Schicksal ihrer Vorgängerin Iveta Radicova erleiden wird. Die damals wesentlich bekanntere Politikerin, angesehene Soziologin und zuvor Sozialministerin kandidierte bei der Präsidentschaftswahl 2009. Im ersten Wahldurchgang kam sie auf 38 Prozent, in mehreren Landeskreisen war sie eindeutige Siegerin der ersten Runde.

In der Stichwahl ist aber die spätere Premierministerin haushoch dem erneut kandidierenden Präsidenten Ivan Gasparovic unterlegen, der von der sozialdemokratischen Smer unterstützt wurde. Laut Beobachtern stand aber nicht nur die damals breite Wählergunst der Smer im Hintergrund der Wahlniederlage von Radicova, sondern auch die Tatsache, dass die Slowakei noch nicht bereit war für eine Frau als Präsidentin.