Polnische Kirche: Mehr als 650 Missbrauchsfälle seit 1990

Polens Bischofskonferenz hat gestern Bilanz zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger in der Kirche gezogen. Seit 1990 seien in dem katholisch geprägten Land 382 Geistliche als Täter registriert worden, teilten die Kirchenvertreter mit. Mehr als 650 Kinder wurden Opfer sexuellen Missbrauchs.

Die Daten wurden demnach landesweit in Diözesen und Orden gesammelt und vom Institut für Statistik der katholischen Kirche ausgewertet. Die Missbrauchsfälle wurden 1990 bis Mitte vergangenen Jahres registriert, wie es hieß. Die Bilanz folgt nur wenige Wochen auf den Antimissbrauchsgipfel von Papst Franziskus im Vatikan.

Nach Angaben von Polens Bischofskonferenz verging sich die Mehrheit der geistlichen Täter (198) an Kindern unter 15 Jahren. 184 der Geistlichen hätten Minderjährige über 15 Jahren missbraucht. Die Zahl der registrierten Opfer belief sich demnach auf 650, die Mehrheit davon waren jünger als 15 Jahre (345). Bei den gemeldeten Fällen wurde zudem mit 58,4 Prozent ein größerer Anteil von Buben unter den Opfern festgestellt.

„Schmerz, Scham und Schuldgefühl“

Der Primas der katholischen Kirche und Erzbischof von Gniezno, Wojciech Polak, drückte „Schmerz, Scham und Schuldgefühl“ darüber aus, dass es zu solchen Taten gekommen sei. Vertreter von Opfervereinigungen kritisierten jedoch, die Geistlichen würden weiterhin von der Kirche geschützt. Sie bemängelten fehlende Informationen zur Verantwortung der Bischöfe, die Missbrauchsfälle vertuscht hätten und verlangten Auskunft darüber, ob die Daten der Täter der Polizei übermittelt würden. Auch zu möglichen Entschädigungszahlungen äußere die Kirche sich nicht, wurde kritisiert.

In dem zu 90 Prozent von Katholiken bewohnten Land wird immer wieder über Missbrauchsvorwürfe gegen Priester berichtet, eine umfassende Aufarbeitung vonseiten der Kirche gab es bisher nicht.