Polizeibeamte in Christchurch
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Terror in Neuseeland

Fassungslosigkeit nach Anschlag

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern hat den Terroranschlag auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch mit 49 Toten als einen der „dunkelsten Tage in der Geschichte“ des Landes bezeichnet. Der rechtsextreme Terrorakt am Freitag löste weltweit Bestürzung aus. Viele Opfer sind noch in kritischem Zustand, hieß es von den Behörden.

„Viele der Menschen, die direkt von dieser Schussattacke betroffen sind, könnten Menschen sein, die nach Neuseeland eingewandert sind, es könnten auch Flüchtlinge sein. Sie haben sich dazu entschlossen, Neuseeland zu ihrer Heimat zu machen – und sie gehören zu uns. Die Person, die uns diese Gewalt angetan hat, nicht“, sagte Ardern am Freitag in der Hauptstadt Wellington. Sie wolle sich am Samstag an Ort und Stelle ein Bild von der Lage machen.

Die Bürgermeisterin von Christchurch, Lianne Dalziel, zeigte sich ebenfalls bestürzt: „Alle sind entsetzt. Ich hätte nie gedacht, dass so etwas hier passieren kann.“ Später sagte sie im neuseeländischen Fernsehen: „Terrorismus ist darauf aus, Angst zu schüren – der einzige Weg, wie wir dieser Kraft entgegenwirken können, ist zusammenzuhalten, über Grenzen der Religion hinweg (…). Wir müssen dafür sorgen, dass uns das zusammenschweißt, nicht voneinander trennt.“

„Rechtsextremer, gewalttätiger Terrorist“

Ardern bezeichnete die Angriffe auf zwei Moscheen in Christchurch als Terrorakt: „Es ist klar, dass das nur als terroristische Attacke beschrieben werden kann.“ Vier Menschen wurden festgenommen, darunter zumindest ein Australier. Der australische Premierminister Scott Morrison zeigte sich mit Neuseeland solidarisch und verurteilte den „bösartigen, mörderischen Anschlag“ und den „rechtsextremen, gewalttätigen Terroristen“.

Die Premierministerin Jacinda Ardern
Reuters TV
Neuseelands Premierministerin Ardern zeigte sich von dem Anschlag entsetzt

Einer der Festgenommenen soll laut dem neuseeländischen Polizeichef Mike Bush bereits am Samstag einem Richter vorgeführt werden, ihm wird Mord vorgeworfen. Einen Namen des Gefassten nannten die Behörden nicht. Bei zwei weiteren Festgenommenen muss der Zusammenhang mit der Tat noch überprüft werden, bei einer weiteren Person besteht laut Bush „kein Zusammenhang“ mit dem Anschlag.

Internationales Entsetzen über Anschlag

In anderen Ländern zeigte man sich angesichts des Anschlags in Neuseeland Freitagfrüh ebenfalls entsetzt. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte die Tat: „Die Terrorattacke in Christchurch ist eine schreckliche und barbarische Attacke auf Menschen, die beten (…) wollten. So eine grausame und bösartige Tat muss sehr stark verurteilt werden“, so der Bundespräsident auf Twitter. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) schrieb eine englische Nachricht auf Twitter, in der er sich „schockiert und traurig über den Terrorangriff“ zeigte.

Einsatzkräfte am Tatort
Reuters/SNPA/Martin Hunter
Die Öffentlichkeit wurde von der Polizei davon abgehalten, das Gebiet um die Moscheen zu betreten

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte, die EU werde „immer zu Neuseeland halten“ und gegen jene sein, „die verabscheuungswürdig unsere Gesellschaft und unsere Lebensweise vernichten“ wollen. Großbritanniens Premierministerin Theresa May drückte ihr Beileid aus, Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich „tief erschüttert“ über den Anschlag. US-Präsident Donald Trump drückte sein Mitgefühl nach dem „fürchterlichen Massaker“ aus. Der Papst kondolierte den Opfern, auch andere Religionsgemeinschaften zeigten sich entsetzt – mehr dazu in religion.ORF.at.

Video und „Manifest“ von mutmaßlichem Attentäter

Im Internet tauchte ein angeblicher Livestream der Tat auf, Facebook nahm die Aufzeichnung nach Bekanntwerden vom Netz, Kopien kursierten jedoch weiterhin in Onlineforen. Auch ein „Manifest“ eines der mutmaßlichen Täter, eines 28-jährigen Australiers, wurde online veröffentlicht. Darin heißt es, er habe die Tat bereits seit zwei Jahren geplant. In dem Dokument mit 16.500 Wörtern spricht er sich für eine rechtsextreme Ideologie aus und lehnt die „außereuropäische“ Einwanderung im Westen ab. Es werden darin auch explizit die zwei Moscheen, auf die Anschläge verübt wurden, erwähnt.

Während sowohl die Premierministerin als auch die Polizei dazu aufriefen, das Video nicht zu teilen, wurde es von einigen australischen Medien gezeigt. Die Nachrichtenagentur AFP schrieb, dass das Video und das Textdokument nach Analyse der Agentur „echt“ seien.

Einsatzkräfte am Tatort
APA/AFP/Tessa Burrows
Die Masjid-al-Noor-Moschee war eine der zwei Moscheen, in denen der Täter laut Augenzeugen um sich schoss

Augenzeugen schildern Details

Die ersten Schüsse fielen nach Augenzeugenberichten beim Freitagsgebet in der Masjid-al-Noor-Moschee gegen 13.45 Uhr Ortszeit (1.45 Uhr MEZ). In der Moschee befanden sich laut Medienberichten rund 300 bis 400 Gläubige. Zeugen zufolge handelte es sich bei dem einen Täter um einen weißen Mann, der einen Helm und eine kugelsichere Weste trug. Mit seiner automatischen Waffe soll er immer wieder in die Menschenmenge geschossen haben.

Ein Augenzeuge sagte dem neuseeländischen Fernsehen, dass er gesehen habe, wie der Täter einem Mann in die Brust schoss. Zuerst schoss er im Gebetsraum für Männer, ehe er auch im Gebetsraum für Frauen um sich schoss. Laut Behördenangaben sollen sich auch Kinder unter den Opfern befinden. Einer der überlebenden Gläubigen, Mohan Ibrahim, berichtete der Zeitung „New Zealand Herald“ von einem „Schockmoment“. „Dann haben alle Leute angefangen davonzulaufen.“ Ein anderer Zeuge sagte: „Es fielen mindestens 50 Schüsse, sehr schnell hintereinander. Es können auch Hunderte gewesen sein.“

Einsatzkräfte am Tatort
AP/Mark Baker
Die Polizei riegelte das Gebiet um eine der Moscheen im Vorort Linwood ab

Details über den Anschlag in der zweiten Moschee im Vorort Linwood sind kaum bekannt. Die Polizei entschärfte auch mehrere selbst gebaute Sprengsätze, die an Fahrzeugen angebracht waren, so der Polizeichef. Die Behörden wiesen alle Moscheen in der Stadt an, „bis auf Weiteres“ zu schließen.

Ermittlungen in 300 Kilometer entferntem Ort

Am späten Abend (Ortszeit) schrieb die Polizei auf Twitter, dass ein Wohngebiet im rund 300 Kilometer entfernten Dunedin evakuiert werde, weil eines der Wohnhäuser offenbar in Zusammenhang mit der Tat stehe. Die Polizei machte keine weiteren Angaben, die Anrainerinnen und Anrainer wurden in Notquartieren untergebracht.

Bangen um Schwerverletzte

Zahlreiche Menschen mit Schussverletzungen werden unterdessen immer noch in Krankenhäusern behandelt. Am Abend (Ortszeit) berichtete das neuseeländische Fernsehen von 48 Verletzten, 20 davon sollen sich in „kritischem Zustand“ befinden. Unter den Verletzten seien auch einige „sehr junge Kinder“, hieß es von der Gesundheitsbehörde der Region Canterbury.

Dutzende Tote bei Anschlag in Neuseeland

In Neuseelands Hauptstadt Christchurch wurden bei zwei Attentaten auf Moscheen Dutzende Menschen getötet.

Australien setzt Flaggen auf halbmast

Australien setze aus „Respekt und Trauer“ die Flaggen auf halbmast, wie Premierminister Morrison sagte. In einer Nachricht auf Twitter schrieb er: „Neuseeland wie auch Australien ist Heimat für Menschen aller Glaubensrichtungen, Kulturen und Hintergründe. Es gibt absolut keinen Platz in unseren Ländern für den Hass und die Intoleranz, die diese extremistische, terroristische Gewalt hervorgerufen haben, und wir verurteilen diese.“

Nur rund ein Prozent der Bevölkerung von Neuseeland ist muslimischen Glaubens, wie aus Daten der Regierung hervorgeht. Insgesamt leben 46.000 Musliminnen und Muslime in dem Land. Größte Religionsgruppe in Neuseeland ist das Christentum. Die Stadt Christchurch hat 350.000 Einwohner und liegt auf der Südinsel des Pazifikstaats. Sie wurde erst 2011 durch ein schweres Erdbeben erschüttert, damals kamen 185 Menschen ums Leben. Der jetzige Anschlag ist das größte Schussattentat seit dem Jahr 1943 – bei einem Aufstand in einem Kriegsgefangenenlager kamen damals 49 Menschen ums Leben.

Opposition warnt vor Verbindungen nach Österreich

Die österreichische Opposition warnte am Freitag angesichts der Angriffe vor einem bis nach Österreich reichenden rechtsextremen Terrornetzwerk. SPÖ, NEOS und Jetzt beriefen sich dabei auf einen Bericht des „Standard“. Es geht darin um Rechtsextreme in Deutschland und einen Vorfall rund um eine versteckte Waffe am Flughafen Schwechat im Jahr 2017. Nach der damaligen Festnahme eines deutschen Bundeswehrsoldaten soll, so der „Standard“, ein Netzwerk aus aktiven und ehemaligen Soldaten und Polizisten sichtbar geworden sein, die sich in Chat-Gruppen miteinander über den Tag X austauschten – jenen Tag, an dem die staatliche Ordnung zusammenbricht. Die Attentäter von Neuseeland hätten davon Bescheid gewusst. Einer von ihnen habe zu zwei Artikeln des deutschen Auslandssenders „Deutsche Welle“ zu diesem Thema verlinkt.

Die SPÖ warnte deshalb in einer Aussendung vor einer „Gefahr für unsere Sicherheit“, Abgeordnete Sabine Schatz verlangte von der Bundesregierung Aufklärung. NEOS-Sicherheitssprecherin Stephanie Krisper sah sich in der Notwendigkeit zur Wachsamkeit bestätigt. Jetzt-Sicherheitssprecherin Alma Zadic zeigte sich vom „Standard“-Bericht schockiert und kündigte die Einberufung des Nationalen Sicherheitsrats an.