Medienvertreter warten außerhalb des Gerichtsgebäudes in Christchurch
AP/Mark Baker
Terror in Neuseeland

Mordanklage gegen Hauptverdächtigen

Nach dem verheerenden Anschlag mit 49 Toten auf zwei Moscheen im neuseeländischen Christchurch ist der Hauptverdächtige Samstagfrüh (Ortszeit) unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen dem Haftrichter vorgeführt und des Mordes angeklagt worden. Zudem gab es zwei weitere Festnahmen. Aus Sorge vor weiteren Angriffen wurden die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land erhöht.

Die Polizei verstärkte die Maßnahmen zum Schutz muslimischer Veranstaltungen und rief die Bürger über Twitter auf, Verdächtiges sofort zu melden. „Es gibt keine Garantie, dass die Gefahr auf (die Region, Anm.) Canterbury begrenzt ist, und alle Neuseeländer müssen besonders wachsam sein“, hieß es.

Die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern stufte die Attacken in der Stadt Christchurch als „terroristischen Angriff“ ein. Ardern bestätigte zudem, dass der Attentäter bisher nicht im Visier der neuseeländischen Sicherheitsbehörden gewesen sei, obwohl er sich im Internet extremistisch geäußert hatte. Es werde geprüft, ob der Mann den Behörden früher hätte auffallen müssen, sagte Ardern.

Ardern will Waffengesetzt verschärfen

Der Tatverdächtige habe im November 2017 einen Waffenschein erworben. Bei ihm seien fünf Schusswaffen gefunden worden, darunter zwei halbautomatische, die er legal habe erwerben können, sagte sie. „Unsere Waffengesetze werden sich ändern“, versprach Ardern am Samstag (Ortszeit).

Der 28-Jährige erschien in Handschellen und in einem weißen Gefängnishemd vor dem Richter. Die Anhörung verfolgte er ohne erkennbare Regung. Er stellte keinen Antrag auf Freilassung gegen Kaution und bleibt weiter in Gewahrsam. Am 5. April soll er wieder vor Gericht erscheinen. Weitere Anschuldigungen würden folgen, teilte die neuseeländische Polizei mit. Das Bezirksgericht von Christchurch habe die Entscheidung bei einer Anhörung am Samstag unter Ausschluss der Öffentlichkeit gefällt.

Angriff während Freitagsgebet

Der Angriff hatte gegen 13.45 Uhr (1.45 Uhr MEZ) in der Al-Nur-Moschee begonnen, die in der Innenstadt liegt. Zur Zeit des Freitagsgebets drang ein bewaffneter Mann in die Moschee ein und schoss mit einer Schnellfeuerwaffe um sich. In dem Gebäude hielten sich nach Augenzeugenberichten etwa 300 Menschen auf. 41 wurden bei dem Angriff getötet, Dutzende verletzt.

Polizisten bei den Ermittlungen nach den Terroranschlägen auf zwei Moscheen in Christchurch
AP/Mark Baker
Noch immer laufen die Ermittlungen in Christchurch auf Hochtouren

Einige Zeit später fielen dann auch in einer anderen, etwa sechs Kilometer entfernten Moschee Schüsse, ebenfalls in Christchurch. Dabei gab es nach Angaben der Polizei mindestens sieben Tote. Ein Verletzter starb später im Krankenhaus. Die Polizei wollte sich nicht näher dazu äußern, ob es sich um denselben Attentäter handeln könnte. Der genaue Ablauf der Tat war auch nach Stunden noch nicht geklärt. 48 Menschen wurden mit Schusswunden in Krankenhäuser gebracht, darunter auch Kinder.

Der mutmaßliche Haupttäter wurde später von Beamten in seinem Auto gestoppt. Zwei weitere Verdächtige, die ebenfalls im Besitz von Schusswaffen waren, wurden festgenommen. Eine vierte Person kam wieder auf freien Fuß. Nach Polizeiangaben wurden an Autos auch Sprengsätze entdeckt.

Selbstinszenierung mit „Manifest“ und Livestream

Im Internet tauchte ein angeblicher Livestream der Tat auf, Facebook nahm die Aufzeichnung nach Bekanntwerden vom Netz, Kopien kursierten jedoch weiterhin in Onlineforen. Auch ein „Manifest“ des 28-Jährigen wurde online veröffentlicht. Darin heißt es, er habe die Tat bereits seit zwei Jahren geplant. In dem Dokument mit 16.500 Wörtern spricht er sich für eine rechtsextreme Ideologie aus und lehnt die „außereuropäische“ Einwanderung im Westen ab. Es werden darin auch explizit die zwei Moscheen, auf die Anschläge verübt wurden, erwähnt.

Während sowohl die Premierministerin als auch die Polizei dazu aufriefen, das Video nicht zu teilen, wurde es von einigen australischen Medien gezeigt. Die Nachrichtenagentur AFP schrieb, dass das Video und das Textdokument nach Analyse der Agentur „echt“ seien. Darin zu sehen sind unter anderem die Waffen des mutmaßlichen Täters, die mit Namen und Symbolen beschrieben sind. Einige Beschriftungen verweisen auf die Belagerung Wiens durch die Türken 1683, die Schlachten im Russisch-Osmanischen Krieg 1877–-78 am Schipkapass im bulgarischen Balkan-Gebirge und den Kampf des albanischen Fürsten Skanderbeg (1405-–1468) gegen die Osmanen.

Eine Frau legt Blumen vor der Moschee in Christchurch für die Opfer des Anschlags nieder
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Die Bestürzung und Anteilnahme nach dem Anschlag ist groß

Verbindungen nach Europa?

Der bulgarische Geheimdienst prüfe mögliche Verbindungen des Attentäters auf dem Balkan. Dieser habe im November 2018 historische Orte in Bulgarien besucht, sagte der bulgarische Generalstaatsanwalt Sotir Zazarow am Freitagabend. Der Attentäter sei im Herbst 2018 von Dubai nach Bulgarien geflogen und habe auch Rumänien und Ungarn bereist.

Bereits im Dezember 2016 sei er nach Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina und Kroatien gereist. Die bulgarischen Geheimdienste arbeiteten in dem Fall mit den Diensten der betreffenden Staaten zusammen, sagte Zazarow. Auch aus der Türkei hieß es, man untersuche mögliche Verbindungen.

Terrorismusforscher über die Anschläge

Terrorismusforscher Peter Neumann vom King’s College analysiert für die ZIB2 die Terroranschläge in Neuseeland.

Opposition warnt vor Verbindungen nach Österreich

Die österreichische Opposition warnte am Freitag angesichts der Angriffe vor einem bis nach Österreich reichenden rechtsextremen Terrornetzwerk. SPÖ, NEOS und Jetzt beriefen sich dabei auf einen Bericht des „Standard“. Es geht darin um Rechtsextreme in Deutschland und einen Vorfall rund um eine versteckte Waffe auf dem Flughafen Schwechat im Jahr 2017. Nach der damaligen Festnahme eines deutschen Bundeswehrsoldaten soll, so der „Standard“, ein Netzwerk aus aktiven und ehemaligen Soldaten und Polizisten sichtbar geworden sein, die sich in Chat-Gruppen miteinander über den Tag X austauschten – jenen Tag, an dem die staatliche Ordnung zusammenbricht.

Weltweite Anteilnahme

Weltweit löste die Tat Entsetzen aus. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, die Attacke sei gegen Muslime gerichtet und damit auch ein Anschlag auf die neuseeländische Demokratie. US-Präsident Donald Trump sicherte Ardern in einem Telefonat jedwede Hilfe der USA zu.

Bundespräsident Alexander Van der Bellen twitterte: „Die Terrorattacke in Christchurch ist eine schreckliche und barbarische Attacke auf Menschen, die beten (…) wollten.“ Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte: „Mein herzliches Beileid gilt den Verletzten, den Familien der Opfer und dem neuseeländischen Volk.“