Blumen für die Opfer des Attentats
AP/Vincent Yu
Terror in Neuseeland

Neue Details nach Anschlag auf Moscheen

Bei Angriffen auf zwei Moscheen in der neuseeländischen Stadt Christchurch sind am Freitag 49 Menschen erschossen worden. Der Hauptverdächtige wollte nach Angaben von Premierministerin Jacinda Ardern weitere Taten begehen, als er verhaftet wurde. Unter den Opfern der Attacke sind auch kleine Kinder, sagte Ardern am Samstag.

Der 28-jährige Hauptverdächtige, der am Samstag noch einem Richter vorgeführt wurde, habe zwei weitere Schusswaffen im Auto gehabt und beabsichtigt, seine Angriffe fortzusetzen. Dem Australier wird nun offiziell vielfacher Mord zur Last gelegt. Nach aktuellem Stand der Ermittlungen scheint der vermutlich rechtsextreme Schütze die Schüsse in den Moscheen alleine abgefeuert zu haben. Als Reaktion auf den brutalsten Anschlag in der jüngeren Landesgeschichte will Neuseelands Regierung jetzt die Waffengesetze verschärfen.

Einen Tag nach der Tat machte sich Regierungschefin Ardern in Christchurch ein Bild von der Lage. Insgesamt 39 Menschen liegen noch mit Schusswunden in verschiedenen Krankenhäusern. Elf davon befinden sich in Intensivbehandlung. Ardern besuchte auch ein Flüchtlingsheim mit Muslimen und richtete von dort eine Botschaft an das ganze Land: „Neuseeland ist in Trauer vereint.“ Vermutet wird, dass alle Todesopfer muslimischen Glaubens sind.

„Extremistischer, rechtsgerichteter Terrorist“

Der australische Regierungschef Scott Morrison hatte den Angreifer als einen „extremistischen, rechtsgerichteten, gewalttätigen Terroristen“ bezeichnet. Der Angreifer filmte die Tat mit einer Helmkamera und veröffentlichte die 17 Minuten langen Aufnahmen live im Internet. Zwei weitere Verdächtige wurden nach dem Anschlag verhaftet, ein dritter wurde freigelassen. Vor Gericht stellte der Hauptverdächtige keinen Antrag auf Freilassung gegen Kaution, zeigte aber das „Okay“-Zeichen in die Kameras. Daumen und Zeigefinger zusammengehalten, die anderen Finger abgespreizt.

Neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern
AP/New Zealand Prime Minister Office
Regierungschefin Ardern besuchte am Samstag die neuseeländische Stadt Christchurch

Die Polizei hatte insgesamt 36 Minuten vom ersten Alarm bis zur Festnahme des mutmaßlichen Täters gebraucht. Im Wagen des Australiers wurde neben Feuerwaffen auch ein Sprengsatz sichergestellt, wie die Polizei am Samstag weiter mitteilte. Der 28-Jährige war bisher nicht im Visier der Sicherheitsbehörden gewesen, obwohl er sich im Internet extremistisch geäußert hatte. Balkan-Reisen des Mannes legen ideologische Verbindungen nach Europa nahe. Er war von 2016 bis 2018 in Serbien, Bosnien-Herzegowina und Bulgarien.

Fitnesstrainer und „stärkste Person der Stadt“

Vor der Tat soll er zudem ein 74-seitiges Hassmanifest veröffentlicht haben, aus dem deutlich wird, dass er es auf Muslime abgesehen hatte. Zugleich soll er darin zu Anschlägen auf ranghohe Politiker aufgerufen haben, die als „Feinde unserer Rasse“ bezeichnet werden. Laut der Zeitung „The Australian“ arbeitete der 28-Jährige früher als Fitnesstrainer. Schon damals soll er merkwürdige Kommentare von sich gegeben haben, berichtete das Blatt am Samstag unter Berufung auf Nachbarn und Onlineeinträge des Australiers. Im Jahr 2011 habe der Mann über sich geschrieben: „Ich bin ein Monster der Willenskraft. Ich brauche nur ein Ziel.“

Terror in Neuseeland: Mordanklage erhoben

Nach den Terroranschlägen in Neuseeland ist der Hauptverdächtige am Samstag erstmals dem Haftrichter vorgeführt worden. Der 28-jährige Australier wird des Mordes angeklagt.

In einem anderen Eintrag heißt es: „Ich dirigiere jeden Tag Fitnesskurse mit mehr als 20 Leuten, die mich die ganze Zeit anschauen, mir Fragen stellen und 60 Minuten lang meine Bewegungen nachmachen. Und ich genieße das. Mein Selbstbewusstsein ist durch die Decke. Ich bin die stärkste Person der Stadt.“ Als Lieblingsbeschäftigungen habe er damals Videospiele und „Stripperinnen mieten“ genannt. Ehemalige Nachbarn beschrieben ihn als jemanden aus einer „schönen Familie“. Er sei ein netter junger Mann gewesen.

Die Mutter soll als Englischlehrerin tätig gewesen sein, der Vater an Triathlonwettbewerben teilgenommen haben. Warum der mutmaßliche Täter von Sicherheitsbehörden nicht beobachtet wurde, soll nun geprüft werden. Zu den anderen Verdächtigen sagten die Behörden: „Wir ermitteln derzeit, ob eine Person oder diese Personen in den Vorfall verwickelt waren.“

Waffengesetz soll verschärft werden

Premierministerin Ardern kündigte als Konsequenz aus dem Anschlag eine Verschärfung der Waffengesetze an. Der Tatverdächtige hatte laut Ardern im November 2017 einen Waffenschein der Kategorie A erhalten und im folgenden Monat mit dem Kauf der fünf Waffen begonnen, die er bei dem Attentat benutzte. In Neuseeland kann jeder Bürger über 16 Jahren einen Waffenschein erhalten, wenn er einen Sicherheitskurs durchlaufen hat. Mit dem Schein können dann rechtmäßig Waffen erworben werden.

Botschaften für die Opfer des Attentats
Reuters/Edgar Su
Nahe der Moscheen bekundeten viele Menschen ihr Mitgefühl

Der Imam einer der beiden angegriffenen Moscheen gab nach dem Angriff ein klares Bekenntnis zu Neuseeland ab. „Wir lieben dieses Land nach wie vor“, erklärte Ibrahim Abdul Halim am Samstag. Extremisten würden „niemals unser Vertrauen“ erschüttern, fügte der Imam der Moschee in Linwood, einem Vorort von Christchurch, hinzu. Halim beschrieb, wie er als Vorbeter des Freitagsgebets plötzlich Schüsse in der Moschee in Linwood hörte. „Alle legten sich auf den Boden, ein paar Frauen fingen an zu weinen, manche Menschen waren sofort tot.“

Nach dem Anschlag sei die Mehrheit der Neuseeländer „sehr darauf bedacht, uns alle zu unterstützen, uns ihre volle Solidarität zu geben“. So hätten ihn am Tag nach dem Anschlag wiederholt Fremde umarmt. Diese Form der Solidarität sei „etwas sehr Wichtiges“, betonte Halim.

Kritik an Internetkonzernen

Terrorismusexperte Peter Neumann forderte unterdessen mehr Hilfe von Internetkonzernen im Anti-Terror-Kampf ein. Zwar sei eine hundertprozentige Liveüberwachung von YouTube, Facebook und anderen Plattformen zum Aufspüren blutrünstiger Terrorpropaganda unrealistisch, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag-Ausgaben). Dennoch könnten die Unternehmen mehr tun als bisher, um etwa die Übertragung von Attentaten zu erschweren.

Terrorismusforscher über die Anschläge

Terrorismusforscher Peter Neumann vom Londoner King’s College analysiert für die ZIB2 die Terroranschläge in Neuseeland.

„Gegen die rasante und massenhafte Verbreitung lässt sich nur mit mehr Einsatz von Personal und Technik vorgehen, mit deren Hilfe diese brutalen Videos gelöscht werden“, sagte Neumann, der am Londoner King’s College zu Extremismus und Radikalisierung forscht. „Die brutale Tat live zu übertragen dient zum einen einer narzisstischen Selbstinszenierung des Täters“, sagte Neumann, „zum anderen soll die Tat so medial verbreitet werden. Das ist neben Manifest und Verweisen durch den Attentäter Teil der Propagandastrategie.“