Neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern
AP/New Zealand Prime Minister Office
Terror in Neuseeland

Ardern erhielt Hassmanifest per Mail

Der mutmaßliche Attentäter von Christchurch hat seine rechtsextreme Kampfschrift kurz vor den Anschlägen auch an Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern geschickt. Ardern bestätigte am Sonntag, dass neun Minuten vor Beginn der Angriffe auf zwei Moscheen eine E-Mail an ihr Büro gegangen sei. Zuvor verkündete die Polizei neue Details.

In der E-Mail seien Ardern zufolge aber keine Tatorte oder ähnliche Hinweise genannt worden, mit denen die Anschläge noch hätten verhindert werden können. Die Zahl der Todesopfer stieg inzwischen auf 50. In einer der beiden Moscheen wurde eine Leiche gefunden, die man bisher nicht mitgezählt hatte. Die ersten Toten sollen noch am Sonntag an die Familien übergeben werden.

Damit kann dann auch mit den Beerdigungen begonnen werden. Nach neuseeländischen Medienberichten sind alle Todesopfer Muslime im Alter von zwei bis 77 Jahren. Eine offizielle Bestätigung dafür gibt es zunächst nicht. Von den mehreren Dutzend Verletzten waren noch mindestens zwei in Lebensgefahr.

Australier bleibt einziger Beschuldigter

Inzwischen geht die Polizei fest davon aus, dass es sich bei dem festgenommenen Mann, einem 28 Jahre alten Australier, um einen Einzeltäter handelt. Zwar gab es vier weitere Festnahmen, offensichtlich aber ohne Zusammenhang zu dem Verbrechen. Der mutmaßliche Todesschütze wurde von zwei Polizeibeamten überwältigt, nachdem er die zweite Moschee verlassen und sich mit seinem Auto davongemacht hatte. Offenbar hatte er weitere Morde geplant. „Er hatte absolut die Absicht, seine Attacke fortzuführen“, sagte Ardern.

Neuseeland: Zahl der Toten auf 50 gestiegen

Nach den Anschlägen auf zwei Moscheen in Neuseeland ist die Zahl der Toten auf 50 gestiegen. Unterdessen ist der Attentäter dem Haftrichter vorgeführt worden. Er wird wegen vielfachen Mordes angeklagt.

Gegen Kritik an ihrer Reaktionszeit beim Anschlag auf die Moscheen setzte sich Neuseelands Polizei aber zu Wehr. Polizeichef Mike Bush betonte am Sonntag, dass bereits sechs Minuten nach dem ersten Alarm Beamte an der Al-Nur-Moschee eingetroffen seien. Innerhalb von zehn Minuten sei dann auch eine Spezialeinheit an Ort und Stelle gewesen, sagte Bush.

Die Regierungschefin trat Spekulationen entgegen, wonach der Verdächtige nicht in Neuseeland, sondern in seiner Heimat Australien vor Gericht gestellt werde. Ardern sagte: „Er wird sich vor dem neuseeländischen Justizsystem für seinen terroristischen Angriff zu verantworten haben.“ Seine 74-seitige Kampfschrift, die er auch ins Internet gestellt hatte, enthält zahlreiche rechtsextreme Parolen.

US-Regierung weist Kritik an Trump zurück

Unterdessen hatte die US-Regierung jeden Versuch zurückgewiesen, US-Präsident Donald Trump mit dem Attentat von Christchurch in Verbindung zu bringen. Trump hatte am Freitag das „schreckliche Massaker“ verurteilt und einen Akt des Hasses genannt. Auf die Frage, ob er die Gefahr eines wachsenden weißen Rassismus sehe, sagte das US-Staatsoberhaupt: „Nicht wirklich. Ich denke, es handelt sich um eine kleine Gruppe von Leuten.“

„Der Präsident ist kein weißer Rassist. Ich weiß nicht, wie oft wir das noch sagen müssen“, erklärte der diensthabende Stabschef des Weißen Hauses, Mick Mulvaney, in Fox News Sunday. Der mutmaßliche Täter hatte Trump als ein „Symbol der wiedererwachten weißen Identität“ bezeichnet, aber auch erklärt, er unterstütze die Politik des Präsidenten nicht. Kritiker hatten Trump bereits früher vorgeworfen, nicht entschieden genug gegen Hassbotschaften vorzugehen und Ressentiments gegen Muslime zu fördern.

Verdächtigem droht lebenslange Haft

Der 28-jährige Australier sitzt mittlerweile in einem Hochsicherheitsgefängnis. Wegen vielfachen Mordes droht ihm lebenslange Haft. Zu dem Gerichtstermin wurde der Mann in Handschellen und weißer Häftlingskleidung vorgeführt. In der Stadt hatte er der Anklage zufolge zuvor den schlimmsten Massenmord in der Geschichte des Landes begangen. Sein nächster Termin vor Gericht ist am 5. April. Wann der Prozess beginnt, steht noch nicht fest.

Ermittler vor der Moschee in Christchurch
AP/Mark Baker
Die Polizei geht davon aus, dass es sich bei dem festgenommenen Australier um einen Einzeltäter handelt

Der Täter erschoss in einer Moschee in der Innenstadt zunächst 42 Menschen, darunter mehrere Kinder. Dann brachte er in einer anderen Moschee acht weitere Menschen um. Mit einer Helmkamera übertrug er die Tat live ins Internet. Insgesamt wurden bei ihm fünf Waffen sichergestellt, halbautomatische Feuerwaffen und Schrotflinten, und auch Sprengstoff. Der Mann wohnte zuletzt in der neuseeländischen Stadt Dunedin. Er hatte seit November 2017 einen Waffenschein und war auch Mitglied in einem Schützenverein.

Ein Überlebender des Anschlags, dessen Frau bei dem Attentat erschossen wurde, hat dem rechtsextremen Angreifer nach eigenen Worten verziehen. „Vergebung ist das Beste, Großzügigkeit, Liebe und Fürsorge, Optimismus“, sagte der 59-jährige Farid Ahmad der Nachrichtenagentur AFP. Er würde dem Angreifer bei einem Treffen sagen: „Ich liebe ihn als Mensch.“

Neuseeland will Waffengesetze verschärfen

Als Reaktion auf den Anschlag will die neuseeländische Regierung nun die Waffengesetze verschärfen. „Unsere Waffengesetze werden sich ändern“, kündigte Ardern an. In dem Pazifikstaat darf man bisher nach einer Überprüfung durch die Behörden schon mit 16 Jahren Waffen besitzen. Dazu benötigt man einen Waffenschein, muss die Waffen aber nicht alle einzeln anmelden. Neuseeland mit seinen knapp fünf Millionen Einwohnern war bisher von Terrorismus und Amokläufen weitgehend verschont geblieben.

Frau legt Blumen zum Gedenken an die Opfer nieder
APA/AFP/Anthony Wallace
In der Nähe der Tatorte legten viele Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an

Christchurch steht immer noch unter Schock. In der Nähe der Tatorte legten viele Menschen Blumen nieder und zündeten Kerzen an. Insgesamt war es in der Stadt jedoch viel ruhiger als an normalen Wochenenden. Viele Geschäfte blieben geschlossen. Auf einem Spendenkonto für die Hinterbliebenen gingen inzwischen mehrere Millionen Euro ein. Ardern sagte: „Neuseeland ist in Trauer vereint.“

Mit etwa 50.000 Gläubigen – darunter viele Einwanderer aus Staaten wie Pakistan und Bangladesch – sind Muslime in Neuseeland eine Minderheit. Viele der Opfer waren als Einwanderer gekommen. Ihre Familien haben Wurzeln in Ländern wie Pakistan, Bangladesch, Afghanistan, Ägypten, Saudi-Arabien und Indien. Die genaue Herkunft will die Polizei aber erst bekanntgeben, wenn alle Leichen identifiziert sind.