Der chinesische Außenminister Wang Yi und EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini
APA/AFP/Emmanuel Dunand
Geopolitik

EU ringt um China-Strategie

Angesichts des wirtschaftlichen und politischen Machtstrebens Chinas rückt der Umgang mit Peking auch in der EU immer mehr in den Fokus. Trotz Brexit-Wirren und anderer interner Angelegenheiten steht das Thema derzeit weit oben auf der Agenda der Außenministerinnen und Außenminister. Aktuell sollen Weichen für den China-EU-Gipfel im April gelegt werden.

Als Vorbereitung zu diesem hat die EU-Kommission vergangene Woche einen Zehnpunkteplan zur Stärkung der europäischen Interessen vorgelegt. Mit ihm will sich die EU unter anderem vor Verzerrungen auf den Märkten schützen. Konkret sieht die Kommission zum Beispiel vor, die Vergabe öffentlicher Aufträge stärker an Arbeits- und Umweltstandards zu knüpfen. Zudem sollen die EU-Regeln gegen wettbewerbsverzerrende Auswirkungen ausländischer staatlicher Beteiligungen und Finanzierungen noch einmal verschärft und Risiken intensiver analysiert werden.

Um die Sicherheit beim Ausbau des schnellen 5G-Mobilfunknetzes zu gewähren, will die Kommission in Kürze einen gemeinsamen EU-Ansatz vorschlagen. Dabei dürfte es vor allem um den Umgang mit dem chinesischen Telekomriesen Huawei gehen. Diesem wird von den USA unterstellt, über seine Telekomprodukte spionieren oder sabotieren zu können. Beweise dafür liegen aber bisher nicht vor.

Das neue strategische Konzept der EU-Kommission soll im Idealfall bereits Ende der kommenden Woche beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel gebilligt werden. Ob die zehn Punkte dann alle umgesetzt werden, gilt jedoch als fraglich.

Bericht: EU will Marktöffnung besprechen

Inzwischen geht auch die Vorbereitung für den EU-China-Gipfel Anfang April weiter. Dort soll es offenbar um handfeste Themen gehen: Unter anderem will die EU Peking Zugeständnisse zur Marktöffnung abringen. Das geht laut Reuters aus einem EU-Entwurf hervor, den die Nachrichtenagentur am Montag einsehen konnte. Den Angaben zufolge sollen beide Seiten bis zum Sommer ausmachen, welche Hürden für den Marktzugang sie ins Visier nehmen.

Spätestens bis zum folgenden Gipfel im kommenden Jahr sollen Fristen festgelegt werden, um diese Hindernisse zügig abzubauen. Ebenfalls für 2020 strebt die EU einen Sondervertrag mit der Volksrepublik an, der für eine Zunahme der Investitionsflüsse sorgen soll. Darüber wird bereits seit fast zehn Jahren verhandelt.

Chinas Außenminister in Brüssel

An dem Gipfeltreffen am 9. April in Brüssel sollen der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk teilnehmen. Der sechsseitige Entwurf dürfte sich noch ändern. Er ist nicht mit der chinesischen Seite abgestimmt. Das Dokument spiegle die Unzufriedenheit der Europäer mit der Volksrepublik wider, sagten EU-Diplomaten. So hätten ausländische Firmen in China mit Einschränkungen zu kämpfen, während chinesische Unternehmen von der Offenheit der Europäischen Union voll profitierten.

Ähnliche Vorwürfe kommen aus den USA, die auch deswegen einen massiven Handelskonflikt mit China entfacht haben. Auch mit der EU liefert sich US-Präsident Donald Trump einen Streit über faire Handelsbedingungen und droht mit Zöllen auf die insbesondere für Deutschland wichtigen Autoimporte. Trump stört sich am Überschuss der EU im Handel mit den Vereinigten Staaten. Im Jänner weitete sich der Überschuss auf 11,5 Mrd. Euro aus, von 10,1 Mrd. vor Jahresfrist. Zugleich stieg das Handelsdefizit der EU gegenüber China auf 21,4 Mrd. Euro von 20,8 Mrd.

Kneissl kritisiert mangelndes geopolitisches Denken

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl kritisierte indes am Montag mangelndes strategisches und geopolitisches Denken der EU gegenüber China. Vor Beratungen der EU-Außenminister in Brüssel sagte Kneissl in Hinblick auf den Brexit: „Wir haben eine Selbstbeschäftigung seit knapp eineinhalb Jahren, anstatt uns um die wirklich großen Probleme zu kümmern.“

Die EU sollte Abstand nehmen von „Erbsenzählerei“ und sich den großen geopolitischen Umwälzungen zuwenden, forderte Kneissl. So gewinne der asiatisch-pazifische Raum an Bedeutung, und China sei längst nicht mehr nur Investor, sondern ein geopolitischer Akteur. Das spreche sich viel zu langsam in gewissen Kreisen, auch in Brüssel, herum. Um „europäische Champions“ zu schaffen, müsse Europa schlauer und schneller sein. Es gehe hier um Wettbewerbspolitik und um ein richtiges Zusammenspiel zwischen der EU-Kommission und den EU-Mitgliedsstaaten.

Gegenüber China hätten die Europäer ein „16-plus-eins-Format“, um gewisse Partnerschaften umzusetzen, daneben gebe es noch die gemeinsame EU-Strategie. „Das schafft Parallelaktionen“, kritisierte Kneissl. Wenn chinesische Staatskonzerne als Kreditgeber aufträten, gehe es nicht nur um finanzielle Aspekte, sondern auch um geopolitische. „Wir müssen in einem viel besseren Tandem miteinander vorgehen.“