Polizei am Tatort
Reuters/Piroschka Van De Wouw
Drei Tote in Utrecht

Rätselraten über Tatmotiv

Durch Schüsse in einer Straßenbahn in der niederländischen Stadt Utrecht sind am Montag drei Menschen ums Leben gekommen. Außerdem wurden fünf Menschen verletzt, bestätigte die Polizei. Während Politiker von einem Terrorakt und Anschlag ausgehen, schließen die Behörden eine Beziehungstat nun nicht aus.

„Unser Land ist heute durch einen Anschlag aufgeschreckt worden“, sagte Ministerpräsident Mark Rutte bei einer kurzen Pressekonferenz. Gewalt habe unschuldige Menschen getroffen. Ein „Terrorakt“, so der Ministerpräsident, sei ein Angriff auf unsere Zivilisation. Es werde alles versucht, um den oder die Täter zu fassen. „Wir werden nie vor Intoleranz weichen“, betonte der Politiker. Auch Utrechts Stadtchef Jan van Zanen sagte: „Wir gehen von einem terroristischen Motiv aus.“

Doch mittlerweile verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei dem Angriff um eine Beziehungstat handelte. Die genauen Hintergründe des Vorfalls waren zwar noch unklar. Ein terroristisches Motiv werde nicht ausgeschlossen, sagte auch die Polizei. Aber: „Es könnte auch sein, dass es eine Beziehungstat ist.“

Terrorfahndung läuft auf Hochtouren

Ein Augenzeuge sagte, nach seinem Eindruck habe es der Täter auf eine Frau abgesehen gehabt. Nach dem Stoppen der Bahn habe er zunächst eine auf dem Boden liegende Frau bemerkt, der andere Reisende hätten helfen wollen. Aber plötzlich habe er jemanden mit gezückter Pistole gezielt auf die Gruppe zulaufen sehen. „Es sah so aus, als ob er diejenige noch einmal angreifen wollte oder vielleicht die Menschen, die ihr halfen.“

Die Polizei fahndet nun nach einem 37-jährigen Mann. Der Verdächtige soll in der Türkei geboren sein, teilte die Polizei auf Twitter mit. Sie veröffentlichte auch ein Foto des Mannes aus der Straßenbahn. Wer den Gesuchten sehe, solle sich ihm nicht nähern, sondern die Polizei rufen, twitterte die Polizei. Dass vier Männer in der Straßenbahn „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) gerufen hätten, wie andere Zeugen angegeben hatten, konnten die Behörden nicht bestätigen.

Nach Informationen des niederländischen Fernsehens NOS vernahm die Polizei den Bruder des mutmaßlichen Schützen. Laut NOS war der Verdächtige wegen zahlreicher Delikte bereits amtsbekannt, er habe ein langes Vorstrafenregister. 2012 habe er in einen Lkw eingebrochen, 2014 Polizeibeamte bedroht, und vor zwei Wochen stand er wegen eines Vergewaltigungsvorwurfes vor Gericht. Nach Informationen der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu habe der mutmaßliche Täter auf Verwandte geschossen.

Terrorwarnstufe auf höchstem Niveau

Kurz nach den Schüssen forderte die Stadtverwaltung die Menschen in Utrecht zunächst dazu auf, ihre Häuser nicht zu verlassen. Weil der Täter noch auf der Flucht sei, seien weitere Zwischenfälle nicht ausgeschlossen. Es gab jedoch schon eine erste Entwarnung. Die Einwohner dürften wieder auf die Straße gehen. Zuvor hatten die Behörden die höchste Terrorwarnstufe ausgerufen. Der Vorfall ereignete sich im Westen der Stadt. Utrecht hat etwa 350.000 Einwohner und Einwohnerinnen.

Premierminister Mark Rutte
APA/AP/Michael Corder
Ministerpräsident Rutte sprach bein einer Pressekonferenz von einem „Anschlag“

Aus Sicherheitsgründen schloss die Universität ihre Türen. Alle Studierenden wurden aufgefordert, in den Gebäuden zu bleiben. Gleiches galt für alle Schulen und Kindergärten in Utrecht. Alle Kinder und Mitarbeiter sollten in den Gebäuden bleiben. Die Behörden riefen Eltern dazu auf, ihre Kinder vorerst nicht abzuholen.

Die Polizeipräsenz im Regierungszentrum, dem Binnenhof in Den Haag, wurden verstärkt. Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders geht ebenfalls von einem Terrorakt aus. Wilders sagte im niederländischen Fernsehen, es sehe nach einem „Terroranschlag mit unschuldigen Opfern“ aus.

König Willem-Alexander und Königin Maxima zeigten sich bestürzt. In einer Erklärung des Hofes hieß es: „Unser tiefes Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien.“ Das Königspaar rief die Niederländer auf, für eine freie Gesellschaft zusammenzustehen. In Gedanken seien sie bei den Bürgern und Bürgerinnen von Utrecht.

Attacken in den letzten Monaten

Anders als in vielen Nachbarländern sind die Niederlande in den vergangenen Jahren von Terroranschlägen verschont geblieben. In den vergangenen Monaten gab es allerdings eine Reihe bedrohlicher Vorfälle. So vereitelte die niederländische Polizei erst im September nach eigenen Angaben einen großen Anschlag.

Rettungsautos bei Straßenbahn
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Der Tatort in Utrecht wurde abgeriegelt. Die Fahndung nach dem Täter läuft noch.

In den Städten Arnheim und Weert wurden sieben Verdächtige festgenommen, die einen islamistischen Anschlag auf eine Großveranstaltung geplant haben sollen. In den Wohnungen der Verdächtigen fanden die Ermittler große Mengen an Materialien zur Herstellung von Bomben, darunter hundert Kilogramm Dünger. Ende August war ein 19-jähriger Afghane mit Wohnsitz in Deutschland auf dem Amsterdamer Bahnhof mit einem Messer auf Passanten losgegangen. Zwei US-Bürger wurden dabei schwer verletzt. Die Ermittler gingen von einem „terroristischen“ Motiv aus.