Einsatzkraft in Utrecht
APA/AFP/John Thys
Tote in Utrecht

Hinweise auf Terror verdichten sich

Nach dem Straßenbahnattentat im niederländischen Utrecht verdichten sich die Hinweise auf ein terroristisches Motiv: Die Auswertung eines Schreibens, das im Fluchtauto des mutmaßlichen Schützen gefunden wurde, weise auf ein solches Motiv hin, teilte die Justiz am Dienstag mit. Der inzwischen festgenommene 37-Jährige hatte am Montag drei Menschen getötet.

Die bisherigen Ermittlungen hätten keine Hinweise auf irgendeine Beziehung zwischen dem Hauptverdächtigen und den Opfern ergeben, teilte die Polizei weiter mit. Zuvor war über eine Beziehungstat spekuliert worden. Ein Augenzeuge hatte am Montag nach der Tat berichtet, dass der mutmaßliche Täter es gezielt auf eine Frau in der Straßenbahn abgesehen hatte. Außer dem Hauptverdächtigen hat die Polizei noch zwei andere Männer festgenommen. Sie sind 23 und 27 Jahre alt und stammen ebenfalls aus Utrecht.

Durch die Schüsse am Montag kamen eine 19 Jahre alte Frau und zwei Männer im Alter von 28 und 49 Jahren ums Leben. Außerdem wurden drei Menschen schwer und vier Menschen leicht verletzt, indem sie zum Beispiel in der Hektik unmittelbar nach der Tat stürzten.

Utrecht: Terrorverdacht nach Schießerei

Einen Tag nach den Schüssen in Utrecht hat die Polizei Hinweise auf ein terroristisches Motiv gefunden. Im Fluchtauto des Hauptverdächtigen entdeckten die Ermittler einen Brief, der diesen Verdacht erhärtet.

Der Polizei bereits bekannt

Der 37 Jahre alte Hauptverdächtige, der am Montagabend nach stundenlanger Fahndung gefasst worden war, sollte weiter vernommen werden. Der gebürtige Türke Gökmen Tanis ist bei der Polizei bereits durch andere Delikte aus der Vergangenheit bekannt. „Wir wissen relativ viel über ihn“, sagte Rutker Jeuken vom Innenministerium.

Das Gebäude, in dem der Utrecht-Attentäter verhaftet worden ist
AP/Peter Dejong
In diesem Haus wurde der Hauptverdächtige am Montagabend festgenommen

Medienberichten zufolge hat Tanis ein langes Vorstrafenregister, wurde demnach unter anderem wegen versuchten Mordes verurteilt und stand zuletzt wegen eines Vergewaltigungsvorwurfs vor Gericht. Noch vor wenigen Wochen sei er in Haft gewesen, dann aber freigelassen worden, berichtete der Sender NOS.

Am Dienstag wehen die Fahnen auf öffentlichen Gebäuden in den Niederlanden auf halbmast. Auch König Willem-Alexander und Königin Maxima zeigten sich bestürzt. In einer Erklärung des Hofes hieß es: „Unser tiefes Mitgefühl gilt den Opfern und ihren Familien.“ Das Königspaar rief die Niederländer auf, für eine freie Gesellschaft zusammenzustehen. In Gedanken seien sie bei den Bürgern und Bürgerinnen von Utrecht.

Gedenken im Parlament

Das niederländische Parlament in Den Haag gedachte der Opfer mit einer Schweigeminute. „Utrecht liegt im Herzen unseres Landes“, sagte Ministerpräsident Mark Rutte. „Die Niederlande sind ins Herz getroffen worden.“ Die Folgen der Tat seien groß. Dennoch seien die Utrechter Dienstagfrüh wieder in die Straßenbahnen eingestiegen und ganz normal zur Arbeit gefahren. Diese Routine sei die beste Antwort auf eine solche Tat. Sie zeige, „dass unsere Gesellschaft stärker ist als Hass und Gewalt“.

Rechtspopulist Geert Wilders forderte im Parlament den Rücktritt von Justizminister Ferdinand Grapperhaus. Gökmen T. habe zahlreiche Vorstrafen und sei erst kürzlich freigelassen worden, was niemals hätte geschehen dürfen. „Sie sind dafür verantwortlich“, sagte Wilders zu Grapperhaus. „Sie müssen zurücktreten! Abhauen!“

Türkischer Geheimdienst ermittelt

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan teilte indessen mit, dass auch der Geheimdienst seines Landes zu dem Angriff ermittle. Ziel sei es herauszufinden, ob es sich um einen Terroranschlag oder einen Familienstreit handelte, sagte er am Montagabend in einem Interview. Die amtliche Nachrichtenagentur Anadolu zitierte zuvor Angehörige mit der Aussage, eines der Opfer sei ein Verwandter, die anderen seien zufällige Passanten gewesen.

Der Vater des Verdächtigen sagte der Nachrichtenagentur DHA, er habe keinen Kontakt mit seinem Sohn, seit dieser nach der Scheidung von seiner Ehefrau 2008 in die Türkei zurückgekehrt sei. Sein Sohn sollte bestraft werden, wenn er schuldig sei.

Die niederländischen Parteien nahmen unterdessen ihren Wahlkampf für die am Mittwoch anstehenden Provinzwahlen wieder auf. Allerdings soll der Wahlkampf im Ton leiser als sonst geführt werden. Der Wahlkampf war nach den Schüssen in Utrecht ausgesetzt worden.

Attacken in den letzten Monaten

Anders als in vielen Nachbarländern sind die Niederlande in den vergangenen Jahren von Terroranschlägen verschont geblieben. In den vergangenen Monaten gab es allerdings eine Reihe bedrohlicher Vorfälle. So vereitelte die niederländische Polizei erst im September nach eigenen Angaben einen großen Anschlag.

In den Städten Arnheim und Weert wurden sieben Verdächtige festgenommen, die einen islamistischen Anschlag auf eine Großveranstaltung geplant haben sollen. In den Wohnungen der Verdächtigen fanden die Ermittler große Mengen an Materialien zur Herstellung von Bomben, darunter hundert Kilogramm Dünger.

Ende August war ein 19-jähriger Afghane mit Wohnsitz in Deutschland auf dem Amsterdamer Bahnhof mit einem Messer auf Passanten losgegangen. Zwei US-Bürger wurden dabei schwer verletzt. Die Ermittler gingen von einem „terroristischen“ Motiv aus.