Englische Premierministerin May
APA/AFP/PRU
Brexit

May beantragt Aufschub bis Ende Juni

Die britische Premierministerin Theresa May hat die Europäische Union um einen Brexit-Aufschub bis zum 30. Juni gebeten. May sprach am Mittwoch im Unterhaus in London. Die Frist läuft eigentlich am 29. März ab – zahlreiche EU-Politiker forderten London im Vorfeld des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag zu Klarheit auf.

May sagte am Mittwoch im Parlament in London, sie habe EU-Ratspräsident Donald Tusk in einem Brief darüber informiert, dass das Vereinigte Königreich eine Verlängerung der Frist nach Artikel 50 des EU-Vertrages bis zum 30. Juni anstrebe. Die Verschiebung muss aber noch von den 27 übrigen EU-Ländern einstimmig gebilligt werden. Schon davor hatten mehrere britische Medien spekuliert, dass May keinen langen Aufschub beantragen wolle.

Eine Teilnahme an der Europawahl Ende Mai lehnt May ab. Das wäre die Voraussetzung für einen längeren Aufschub. „Ich glaube, dass es nicht in unserem beiderseitigen Interesse wäre, wenn Großbritannien an den Wahlen zum Europaparlament teilnehmen würde.“ Sie glaube weiterhin, dass das Abkommen ratifiziert werden könne. Das könne aber nicht bis Ende nächster Woche geschafft werden.

Die oppositionelle Labour-Partei ist laut einem Sprecher offen für eine Verlängerung um drei Monate. Allerdings stelle sich die Frage, wozu dieser Aufschub genutzt werden solle. Der britische Parlamentspräsident John Bercow hatte daraufhin eine Dringlichkeitssitzung des Unterhauses angekündigt.

Kommission sträubt sich gegen Aufschub bis Ende Juni

Ursprünglich wollte sich Großbritannien am 29. März von der Staatengemeinschaft trennen. Doch der Termin ist nicht mehr zu halten – es sei denn, das Land scheidet ohne Deal aus der EU aus. May habe EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker angerufen und ihn über die jüngsten Entwicklungen informiert. Ein Kommissionssprecher sagte, May habe den Präsidenten konsultiert, wie man am besten die Diskussionen im Europäischen Rat angehe. Diese Diskussionen würden noch laufen.

Die EU-Kommission sträubt sich allerdings gegen eine Verschiebung bis 30. Juni. Nach Aussagen von Juncker muss Großbritannien bei einer Brexit-Verschiebung auf die Zeit nach der EU-Wahl an der Abstimmung teilnehmen. Juncker habe May darauf hingewiesen, dass das Vereinigte Königreich bei einer Verlängerung der EU-Mitgliedschaft über den 23. Mai hinaus an der Wahl vom 23. bis zum 26. Mai teilnehmen müsse, sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwoch.

Am Mittwochnachmittag äußerte sich dazu auch der EU-Ratspräsident Donald Tusk. Ihm zufolge sei seine Verschiebung möglich – vorausgesetzt das britische Unterhaus nimmt den Brexit-Deal an. Beim EU-Gipfel am Donnerstag müsse allerdings noch diskutiert werden, ob der von May vorgeschlagene Zeitraum bis Ende Juni aufgrund potenzieller rechtlicher und politischer Probleme möglich sei.

Dokument: EU sieht „ernsthafte“ Risiken bei Aufschub

Indes wurde auch bekannt, dass die EU-Kommission „ernsthafte rechtliche und politische Risiken“ für die EU sieht, wenn diese einer Verschiebung des Brexit-Datums bis Ende Juni zustimmt. Das geht aus einem internen Dokument hervor, das am Mittwoch bei der wöchentlichen Sitzung der Behörde beraten wurde und der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

Aus Sicht der Kommission sind dem internen Papier zufolge nur zwei Optionen für den Aufschub des Brexits sinnvoll: eine kurze, „technische Verlängerung“ bis 23. Mai ohne Teilnahme an der Europawahl; oder eine „lange Verlängerung“ bis mindestens Ende 2019 mit der Option einer Verkürzung, falls vorher eine Lösung gefunden wird. In jedem Fall solle es nur eine einmalige Verlängerung geben, heißt es weiter. Schlimmstenfalls könnte die Konstituierung des neuen Parlaments rechtswidrig werden und nach der Wahl die Bestimmung der neuen EU-Kommission und des EU-Haushaltsrahmens gefährden. Zudem wäre jede Entscheidung anfechtbar.

Juncker schließt Nachverhandlungen aus

Juncker rechnete zuvor jedoch nicht mit einer Entscheidung zum Brexit auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag. Vermutlich werde man nächste Woche erneut darüber beraten müssen, sagte Juncker im Deutschlandfunk. Die EU sei weit auf Großbritannien zugegangen, nun müsse die Londoner Regierung für Klarheit sorgen. Es gebe keine Nachverhandlungen, keine Neuverhandlungen und keine weiteren Zusatzversicherungen.

Zuvor habe der Brexit-Chefverhandler der EU, Michel Barnier, das Kommissarskollegium informiert, sagte ein Kommissionssprecher. Dabei sei auch über die allfälligen Notfallmaßnahmen im Fall eines „No Deal“ gesprochen worden. Von diesen vorgesehenen Notfallmaßnahmen seien alle bis auf zwei angenommen worden. Noch ausständig seien die Bereiche kurzfristige Visa und EU-Budget 2019.

Frankreich: Brexit-Aufschub keine Selbstverständlichkeit

Der EU-Gipfel wird nach den Worten des französischen Außenministers Jean-Yves le Drian einen Brexit-Aufschub ablehnen, wenn May keine Garantien anbieten könne, dass das Unterhaus den Brexit-Vertrag annehmen werde. „Unsere Botschaft ist eindeutig: Ratifiziert das Abkommen oder tretet ohne Abkommen aus“, sagt der Minister vor Abgeordneten in Paris. „Wir wüssten schon gerne, wo das hinführt“, sagte indes der deutsche Außenminister Heiko Maas. Eine Verschiebung des Austrittsdatums sei noch keine Lösung an sich, sagte auch der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte bereits an, dass er für einen kurzen Aufschub stimmen werde. Das sagte er nach der wöchentlichen Kabinettssitzung in Wien. Auf die Dauer der Verlängerung angesprochen antwortete Kurz, er rechne nicht damit, dass Großbritannien an der Wahl zum Europaparlament Ende Mai teilnehmen werde. Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven hatte sich bereits zuvor zu den Aufschubspekulationen geäußert: Er wolle sowohl einem kurzen als auch einem langen Aufschub zustimmen.