EU-Ratspräsident Donald Tusk
AP/Frank Augstein
Brexit-Aufschub

Tusk stellt Bedingung an May

EU-Ratschef Donald Tusk hält nach Rücksprache mit EU-Politikern eine „kurze Verschiebung“ des Brexits für möglich. Bedingung dafür sei, dass das britische Parlament den Brexit-Deal kommende Woche annimmt. Das sagte Tusk am Mittwoch in Brüssel. Zuvor hatte London einen Antrag auf Aufschub des Austrittsdatums gestellt.

Die von der britischen Premierministerin Theresa May vorgeschlagene Verlängerung der Austrittsfrist bis 30. Juni habe etwas für sich, fügte er hinzu. Beim EU-Gipfel am Donnerstag müsse allerdings noch diskutiert werden, ob der von May vorgeschlagene Zeitraum bis Ende Juni aufgrund potenzieller rechtlicher und politischer Probleme möglich sei. Einen Sondergipfel für kommende Woche schloss Tusk jedoch aus. Es gebe die Möglichkeit, in einem schriftlichen Umlaufverfahren eine Verlängerung zu regeln.

Auch wenn ein Erfolg beim Brexit scheitern sollte und illusorisch sei und eine gewisse Müdigkeit eintrete, „werden wir nicht aufgeben, eine positive Lösung bis zum allerletzten Moment zu suchen“. Die EU habe mit Geduld agiert und reagiert, mit zahlreichen Gesprächen. Er sei zuversichtlich, dass auch jetzt der gute Wille und die Geduld nicht fehlten, an diesem „kritischsten Punkt in dem Prozess“.

Dokument: EU sieht „ernsthafte“ Risiken bei Aufschub

Für Aufregung hatte zuvor ein internes Dokument der EU-Kommission gesorgt. Darin ist zu lesen, dass es „ernsthafte rechtliche und politische Risiken“ für die EU gebe, wenn die EU einer Verschiebung des Brexit-Datums bis Ende Juni zustimmt. Aus Sicht der Kommission sind dem internen Papier zufolge nur zwei Optionen für den Aufschub des Brexits sinnvoll: eine kurze, „technische Verlängerung“ bis 23. Mai ohne Teilnahme an der Europawahl; oder eine „lange Verlängerung“ bis mindestens Ende 2019 mit der Option einer Verkürzung, falls vorher eine Lösung gefunden wird.

In jedem Fall solle es nur eine einmalige Verlängerung geben, heißt es weiter. Schlimmstenfalls könnte die Konstituierung des neuen Parlaments rechtswidrig werden und nach der Wahl die Bestimmung der neuen EU-Kommission und des EU-Haushaltsrahmens gefährden. Zudem wäre jede Entscheidung anfechtbar.

Ähnliches sagte auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Ihm zufolge muss Großbritannien bei einer Brexit-Verschiebung auf die Zeit nach der EU-Wahl an der Abstimmung teilnehmen. Juncker habe May darauf hingewiesen, dass das Vereinigte Königreich bei einer Verlängerung der EU-Mitgliedschaft über den 23. Mai hinaus an der Wahl vom 23. bis zum 26. Mai teilnehmen müsse, sagte eine Kommissionssprecherin am Mittwoch.

Frankreich: „Ratifiziert das Abkommen oder tretet aus“

Frankreichs Außenminister Jean-Yves le Drian erklärte, ohne eine Garantie von May, dass sie ihr Abkommen doch noch durchs Parlament bringen werde, werde der Gipfel einen Aufschub ablehnen. „Unsere Botschaft ist eindeutig: ratifiziert das Abkommen oder tretet ohne Abkommen aus“, sagte er vor Abgeordneten. „Wir wüssten schon gerne, wo das hinführt“, sagte indes der deutsche Außenminister Heiko Maas. Eine Verschiebung des Austrittsdatums sei noch keine Lösung an sich, sagte auch der dänische Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen.

Die britische Premierministerin Theresa May hält eine Rede im Unterhaus
APA/AFP/Mark Duffy
In einer turbulenten Unterhaus-Sitzung sagte May, sie sei nicht bereit, den Austritt über den 30. Juni hinaus zu verschieben

Bundeskanzler Sebastian Kurz kündigte bereits an, dass er für einen kurzen Aufschub stimmen werde. Das sagte er nach der wöchentlichen Kabinettssitzung in Wien. Auf die Dauer der Verlängerung angesprochen antwortete Kurz, er rechne nicht damit, dass Großbritannien an der Wahl zum Europaparlament Ende Mai teilnehmen werde. Schwedens Ministerpräsident Stefan Löfven hatte sich bereits zuvor zu den Aufschubspekulationen geäußert: Er wolle sowohl einem kurzen als auch einem langen Aufschub zustimmen.

„Wir können Theresa May positiv signalisieren, dass wir für eine Verschiebung sind“, sagte Kurz am Mittwoch im parlamentarischen EU-Hauptausschuss. Die Mehrheitsmeinung in der EU sei, den Brexit nach hinten zu verschieben, um einen ungeordneten Austritt zu vermeiden. Gelöst seien die offenen Streitfragen allerdings noch nicht, so Kurz.

Brexit-Minister: Unterhaus-Debatte zu Brexit am Montag

Neun Tage vor dem geplanten Austrittstermin reichte May bei der EU den erwarteten Antrag auf den Brexit-Aufschub ein. In einer turbulenten Unterhaus-Sitzung sagte May, sie sei nicht bereit, den Austritt über den 30. Juni hinaus zu verschieben. Die Regierung plane, nach dem EU-Gipfel einen dritten Anlauf zu unternehmen, für ihren Brexit-Vertrag im Unterhaus eine Mehrheit zu bekommen. Sollte diese zustande kommen, werde die Verschiebung dem Unterhaus Zeit verschaffen, die Ausführungsgesetze zu beraten.

May ist mit ihrem Brexit-Vertrag schon zweimal im Unterhaus gescheitert, und eine Mehrheit ist weiter nicht in Sicht. Angesichts dessen hatte das Parlament vergangene Woche die Regierung aufgefordert, einen Aufschub zu beantragen, um einen ungeregelten Brexit mit unabsehbaren wirtschaftlichen und politischen Folgen zu vermeiden. Die britische Regierung will am Montag im Unterhaus ihre Pläne für einen EU-Austritt debattieren. Das kündigt Brexit-Minister Stephen Barclay an.