Menschenmenge
Getty Images/EyeEm/Classen Rafael
Rassismusbericht

Taten nicht mit „Achselzucken“ wegwischen

Der Verein Zivilcourage und Antirassismus-Arbeit (ZARA) hat am Donnerstag, dem internationalen Tag gegen Rassismus, seinen Bericht für 2018 präsentiert. 1.920 rassistische Vorfälle wurden dem Verein im letzten Jahr gemeldet, fast 80 Prozent davon von Zeuginnen und Zeugen – die meisten davon im Internet. Als Schwierigkeit hob ZARA den Umgang mit Beschwerden über rassistische Handlungen der Polizei hervor.

Österreich sei einen langen Weg in der Anti-Rassismus-Arbeit gegangen, sagte ZARA-Geschäftsführer Dieter Schindlauer bei einer Pressekonferenz. Zwar würden rassistische Taten heute größtenteils nicht mehr abgestritten, dafür aber mit einem „Achselzucken weggewischt“. ZARA wolle aber aufzeigen, dass rassistische Handlungen in einer Gesellschaft alle betreffen und „uns in einer positiven Entwicklung stören“.

Zwar könne der Bericht nicht so viel darüber aussagen, ob Rassismus an sich mehr oder weniger geworden ist, allerdings haben sich die gemeldeten Fälle von 2017 auf 2018 um 758 erhöht. „Seriös“ könne man außerdem sagen, „er ist immer noch überall“, so Schindlauer. Der Großteil, im Bericht 60 Prozent, ereigne sich im vermeintlich anonymen Raum, im Internet. Im Jahr davor waren es „erst“ 44 Prozent.

Grafik zum Rassismus-Report
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/ZARA

Dabei sind Kommentare mit hetzerischen Inhalten in der Überzahl: Hasspostings kommen fast doppelt so häufig vor wie abwertende Positionen in ursprünglichen Beiträgen. Nicht allzu überraschend also, dass laut ZARA sechs von zehn rassistischen Onlinemeldungen von Facebook-Usern bzw. -Userinnen kamen, gefolgt von Web- und Zeitungsforen und anderen Diensten wie YouTube und Twitter.

Polizei „im Umgang mit Beschwerden nicht toll“

Abseits von Social-Media-Plattformen gebe es viele Beschwerden in Richtung „Racial Profiling“ durch die Polizei. Zwar sei die Polizei in Österreich in vielen Bereichen sehr gut, so Schindlauer, doch „in einem Bereich ist sie nicht toll: Im Umgang mit Beschwerden.“ Dadurch verschenke die Polizei vieles, was sie in anderen Bereichen gut mache. Es gebe bei ZARA sowohl Hinweise auf schwere Menschenrechtsverletzungen durch die Polizei als auch auf „kleinere“ Verletzungen gegen die Menschenrechte, so Schindlauer.

„Racial Profiling“

Als „Racial Profiling“ (synonym auch „Ethnic Profiling“) wird die Vorgehensweise bezeichnet, bei der etwa Polizistinnen und Polizisten ihre Entscheidung, jemanden anzuhalten oder zu kontrollieren, auf äußerliche Merkmale wie die Hautfarbe stützen statt auf das Verhalten und einen begründeten Verdacht.

Anstatt sich mit den Beschwerden auseinanderzusetzen und sich den einen oder anderen Fehler einzugestehen, würden mutmaßliche rassistische Handlungen der Beamtinnen und Beamten eher „abgestritten, gemauert, Gegenmaßnahmen angedroht und eingeleitet“. Die Kommunikation nach außen sei immer: „Alles war richtig.“ „Das ist unserer Polizei nicht würdig, sie verliert an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Viele Menschen, die davon betroffen sind, verlieren ihr Sicherheitsgefühl“, prangerte Schindlauer an und richtete den Appell an das Innenministerium: „Leben Sie doch einfach ihr Motto: gemeinsam sicher.“

„Das mit den Beschwerden funktioniert nicht mit der Polizei“, so auch Caroline Kerschbaumer, Leiterin der ZARA-Beratungsstellen, und verwies unter anderem auf die ALES-Studie über den Umgang mit Misshandlungsvorwürfen gegen Exekutivbeamte, die vom Justizministerium in Auftrag gegeben wurde. In dieser Studie wurden alle Fälle von polizeilichen Misshandlungsvorwürfen untersucht, die im Zeitraum zwischen 2012 und 2015 in Wien und Salzburg eingegangen sind.

Insgesamt seien das über 1.500 Fälle gewesen, so Kerschbaumer, in mehr als der Hälfte der Fälle seien auch körperliche Verletzungen ärztlich festgestellt worden. In nur sieben Fällen sei überhaupt ein Strafantrag ans Gericht gestellt worden. Zu Verurteilungen eines Beamten oder einer Beamtin sei es in jenen Fällen nie gekommen. Hingegen wurde gegen etwa 150 Personen, die Anzeige erstattet hatten, gegen Verleumdung ermittelt.

Mehr Vorfälle als vermutet

Im europäischen Vergleich, so zeige sich im EU-Bericht „Being Black in the EU“ („Schwarz sein in der EU“), schneide Österreich beim kontroversen „Racial Profiling“ am schlechtesten ab. „Österreich weist den niedrigsten Level an Vertrauen in die Polizei auf. Man sieht sehr klar, dass wir in Österreich ein Problem haben mit vorurteilsbehaftetem Handeln der Polizei, vor allem, was Personen mit dunkler Hautfarbe betrifft.“ Beschwerden seien auch in Österreich in der Praxis nicht effektiv. „Es besteht Handlungsbedarf“, so Kerschbaumer.

Die Dunkelzahl der rassistischen Vorfälle vermutet ZARA höher, die Mehrheit der Vorfälle werde immer noch nicht gemeldet. Aus den Beratungsstellen weiß Kerschbaumer, dass der Grund dafür daran liege, „dass Betroffene solche Vorfälle ständig erleben. Sie haben das Gefühl, dass es nichts bringt.“ Hinzu komme der vermeintlich große bürokratische Aufwand. Auch die Angst vor „Viktimisierung“ (einem Opfer die Täterrolle zuschreiben, Anm.) sei bei Betroffenen groß. Zu sehen sei „nur die Spitze des Eisbergs“. In der Beratungsstelle sei es deshalb wichtig, sehr sensibel und korrekt vorzugehen, „damit wir andere ermutigen“.

„Wien steht für Zivilcourage“

Auf „Wien als Menschenrechtsstadt“ berief sich Czernohorszky bei der Pressekonferenz. Wien stehe für Zivilcourage und ein „klares Bekenntnis gegen Rassismus“. Die Stadt wolle die Arbeit von ZARA deshalb auch finanziell weiter unterstützen. Czernohorszky forderte Politik und Gesellschaft auf: „Weniger zuschauen, mehr tun!“ Dass bei Weitem die meisten Rassismusverdachtsfälle von Zeuginnen und Zeugen und nicht von den Betroffenen selbst gemeldet würden, zeige deutlich, dass die Bereitschaft und Courage der heimischen Bevölkerung schon hoch sei, so Kerschbaumer.

Von links: Jürgen Czernohorszky, Faika El-Nagashi (Grüne-Wien), Dieter Schindlauer (GF ZARA) und Caroline Kerschbaumer (ZARA Beratung)
APA/Hans Punz
Wiens Integrationsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ), die Wiener grüne Gemeinderatsabgeordnete Faika El-Nagashi, Dieter Schindlauer und Carline Kerschbaumer bei der Präsentation des ZARA-Rassismusberichts

Czernohorszky wolle deshalb, so sagte er, dazu ermutigen, „achtsam zu sein, sich einzumischen, Mut zu haben“, Vorfälle zu melden. „Und dort, wo noch wenig Bewusstsein für Diskriminierung vorhanden ist, diese zu schaffen“, forderte der Integrationsstadtrat auch seine Kolleginnen und Kollegen in der Politik auf. Hier sei auch der sprachliche Diskurs wichtig. „Der politische Rassismus ist besonders perfide, weil er eine Strategie ist, uns zu spalten“, ergänzte El-Nagashi in Richtung politisch rechter Parteien. „Hassreden sind Programm geworden.“ Zwei Gruppen seien besonders betroffen: „Muslimische Communitys und Geflüchtete“, so die Gemeinderatsabgeordnete.

El Nagashi fordert klare politische Haltung gegen Rassismus

Man sehe aber, dass auch politische Hassreden nicht ohne Folgen bleiben würden, denn ZARA setze sich auch hier ein. Den Verein sehe man nicht nur deshalb als „Verbündeten“ in der Anti-Rassismus-Arbeit, weshalb weitere Unterstützung durch die Stadt zugesichert sei. El-Nagashi ging auch auf die politische Reaktion auf den rechtsradikalen Terroranschlag in Neuseeland vergangene Woche ein. Neuseeland würde hier mit gutem Beispiel vorangehen. Eine klare politische Haltung gegen Rassismus, wie sie in Neuseeland geschehe, würde einerseits Zugehörigkeit schaffen, andererseits Hass vorbeugen.

ZARA feiert heuer sein 20-jähriges Bestehen. Das Ziel des Vereins ist es, Zivilcourage und eine rassismusfreie Gesellschaft in Österreich zu fördern sowie alle Formen von Rassismus zu bekämpfen. Hierzu werden diverse Trainings angeboten, etwa für Schulen und für Unternehmen. Das Rathaus will dieses Jahr die Förderungen an ZARA erhöhen. Gab es zuletzt 52.000 Euro an jährlicher Unterstützung, sollen es ab sofort 80.000 Euro sein. Wobei heuer noch einmal ein Sonderzuschuss von 20.000 Euro draufgelegt wird, um ein Symposium im Herbst anlässlich des Jubiläums abzuhalten und die digitale Aufbereitung von Informationen – unter anderem des Rassismusberichts – umsetzen zu können.