Szene in einem Pflegewohnhaus
ORF.at/Christian Öser
Pflege

Politbekenntnis zu staatlicher Finanzierung

Mit einem breit besetzen Dialogforum in Wien hat Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) am Donnerstag die bis Jahresende geplante Reform des Pflegesektors angestoßen. Wie der steigende Pflegebedarf künftig finanziert werden soll, dazu gab es verschiedene Ideen – einig war man sich in einem zentralen Punkt.

Die Finanzierung der Pflege müsse in staatlicher Hand bleiben, betonten Vertreterinnen und Vertreter der Koalitionsparteien und der Opposition. Eine allfällige Pflegeversicherung dürfe „sicher nicht privat“ kommen, sagte Hartinger-Klein bereits zu Beginn der Veranstaltung. Es solle entweder ein steuerfinanziertes System oder eines ähnlich der Sozialversicherung geben, sagte die Ministerin. Im Zentrum der Überlegungen müssten „die Bedürfnisse der Menschen“ und eine „nachhaltige Sicherstellung“ der Pflege stehen.

FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz sah das ähnlich: Keine Option sei etwa eine Pflegeversicherung nach deutschem Vorbild, „das ist gescheitert“. Damit sprach er sich klar gegen eine Versicherungspflicht (wie etwa bei der Kfz-Versicherung) aus. Ob es letztlicht ein rein steuerfinanziertes System oder ein Sozialversicherungsmodell werden soll, sei nicht die entscheidende Frage, sagte der Klubchef am Rande der Veranstaltung zur APA. Relevant sei, dass die Pflege „vom Staat sichergestellt“ wird.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ)
APA/Georg Hochmuth
Sozialministerin Hartinger-Klein erteilte der Idee einer rein privaten Pflegeversicherung eine Absage

Ende des Vorjahres hatte die ÖVP-FPÖ-Regierung einen „Masterplan“ für den Pflegebereich angekündigt, der bis Ende 2019 eine „Generallösung“ bei der Pflegefrage bringen soll. Ziel ist u. a. eine nachhaltige finanzielle Lösung. Grundsätzliches Bestreben der Regierung ist es, dass die Pflege wann immer möglich zu Hause stattfindet.

ÖVP-Klubchef: Keine neuen Steuern

Ebenso wie für Rosenkranz steht auch für ÖVP-Klubobmann August Wöginger die Frage der Finanzierung eher am Ende des Prozesses. Zunächst gelte es, Fachleute zu Wort kommen zu lassen und bereits in Auftrag gegebene Studien abzuwarten. Er appelliere, sich hier wirklich die verschiedensten Modelle anzusehen. Eine private Versicherung will aber auch er dezidiert nicht. Eines sei bei der Finanzierung auch klar: Man bleibe dem Grundsatz treu, keine neuen Steuern einzuführen. Er erteilte Wünschen der Opposition, etwa nach einer Vermögensbesteuerung, eine klare Absage.

Wie auch die Ministerin zuvor verwies Wöginger auf die rund 960.000 pflegenden Angehörigen, die entlastet gehörten. Er erinnerte an den im Dezember vorgestellten „Leitsatz“ der Regierung bei diesem Thema: Dieser laute „daheim statt stationär“. Notwendig sei es auch, junge Menschen zu motivieren, „in diesen nicht einfachen und herausfordernden Beruf einzusteigen“.

SPÖ-Chefin für steuerfinanzierte Lösung

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner pochte neuerlich auf eine steuerfinanzierte Lösung, die ja auch im Regierungsprogramm stehe, und verwies auch auf dem Podium auf ihren Vorschlag einer Weiterentwicklung des derzeitigen Pflegefonds in einen „Pflegegarantiefonds“, gespeist aus Bundes- und Ländermitteln. Auch müsse es bundeseinheitliche Qualitätsvorgaben geben sowie einen Rechtsanspruch auf Pflegekarenz.

Dialogforum Pflege mit Politik und Fachleuten

Die Regierung will Ende 2019 vorstellen, wie der Pflegebereich langfristig finanziert werden soll. Aus diesem Anlass lud Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zu einem Pflegeforum.

Die für NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger als Vertretung anwesende niederösterreichische Landtagsabgeordnete Edith Kollermann verwies unter anderem darauf, dass auch die unteren Pflegegeldstufen eins bis drei eine Erhöhung erfahren sollten. Auch Jetzt-Gesundheitssprecherin Daniela Holzinger widmete sich dem Pflegegeld: Dieses reiche für die Betroffenen meist nicht aus, um sich entsprechende Betreuungs- und Pflegedienste leisten zu können, sagte sie. Seit Einführung des Pflegegeldes habe es aufgrund der unzureichenden Valorisierung eine „schleichende Enteignung“ gegeben: In der höchsten Pflegestufe sieben bekomme man heute um rund 600 Euro weniger als 1993.

NGOs fordern Reformen

NGOs und Interessenvertretungen erneuerten anlässlich des Dialogforums ihre Forderungen nach Reformen im Pflegebereich. Caritas-Präsident Michael Landau unterstrich die Notwendigkeit sicherzustellen, „dass alle Menschen – unabhängig von ihrer finanziellen Situation und ihrem Wohnort – einen Zugang zu qualitätsvoller und leistbarer Pflege und Betreuung haben“.

Pflege in den eigenen vier Wänden

Ende des Jahres will die Regierung präsentieren, wie die Pflege in Österreich sichergestellt werden soll. Im Fokus steht die Pflege zu Hause.

Landau forderte zudem den Ausbau der mobilen Pflegedienste. Die Volkshilfe stieß ins selbe Horn: Die Aufgaben der pflegenden Angehörigen würden in Zeiten des gesellschaftlichen Wandels „immer komplexer und belastender“, sagte Volkshilfe-Präsidentin Barbara Gross. Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger sprach sich darüber hinaus für flächendeckende, kostenlose Coaching- und Beratungsangebote für pflegende Angehörige im Rahmen der mobilen Dienste aus.

„Grundlegendes Umdenken nötig“

Die Präsidentin des ÖVP-Seniorenbundes, Ingrid Korosec, forderte ein „grundlegendes Umdenken“ in der Pflegedebatte. „Es wird immer nur über die Kosten und steuerlichen Belastungen, die das Pflegesystem verursacht, lamentiert. Über die Wertschöpfung redet aber niemand“, meinte sie. Der Generalsekretär des SPÖ-Pensionistenverbandes (PVÖ), Andreas Wohlmuth, forderte seinerseits erneut eine Erhöhung des Pflegegeldes in allen Stufen.

Den demografischen Wandel, der Reformen nötig mache, führte auch WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf an. Gleichzeitig sagte er, ein neues System dürfe in Hinblick auf die Kosten „keine neuen Belastungen etwa bei den Lohnnebenkosten mit sich bringen“. Seitens der Gewerkschaft vida forderte die Vorsitzende des Fachbereichs Soziale Dienste, Sylvia Gassner, eine „wirksame Pflegestrategie“. Andrea Schwarzmann von der Arbeitsgemeinschaft Österreichische Bäuerinnen betonte in einer Aussendung die Bedeutung der pflegenden Angehörigen.

Pflegegeld: Bezugszahlen steigen

Zuletzt stieg die Zahl der Pflegegeldbezieherinnen und -bezieher im Jahresvergleich erneut etwas. Während im Februar 2018 noch 450.647 Personen die Geldleistung erhielten, waren es im Februar dieses Jahres um 3.692 Personen mehr – ein Plus von gut 0,8 Prozent. Gegenüber dem Vormonat Jänner gab es einen leichten Rückgang um 613 Personen, geht aus den aktuellsten Daten des Sozialministeriums hervor.

Grafik zum Pflegegeld
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Sozialministerium

Die Aufteilung der Pflegebedürftigen je Stufe blieb nahezu unverändert. So entfielen im Februar rund 28 Prozent auf Stufe eins, 22 Prozent auf Stufe zwei, 18 Prozent auf Stufe drei, 15 Prozent auf Stufe vier, elf Prozent auf Stufe fünf, vier Prozent auf Stufe sechs und zwei Prozent auf die Stufe sieben, also jene mit dem höchsten Pflegebedarf (Rest auf 100 Prozent Rundungsdifferenz, Anm.) Die Einstufung in die einzelnen Pflegestufen orientiert sich am Pflegebedarf nach Stunden.