Die britische Premierministerin Theresa May
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EU-Gipfel

May im Brexit-Dilemma

Die britische Premierministerin Theresa May hofft auf einen Austritt ihres Landes aus der EU mit einem Deal. Vor Beginn des EU-Gipfels Donnerstag in Brüssel sagte May, sie werde mit den 27 anderen Staats- und Regierungschefs über eine kurze Verlängerung des Austritts bis Ende Juni diskutieren. Diese stellen allerdings – sofern sie zu einer Verlängerung bereit sind – eine Bedingung.

Sie fordern die vorherige Zustimmung des britischen Parlaments zu dem bereits ausgehandelten Vertrag. May wollte keine Antwort auf die Frage geben, was passiert, wenn sie mit ihrem Vertrag im britischen Parlament neuerlich scheitert und ob dann ein „Hard Brexit“ vorbereitet werde. May sagte: „Wichtig ist, dass das britische Parlament das Ergebnis des Referendums liefert, den Brexit. Ich hoffe aufrichtig, dass wir das mit einem Vertrag machen können. Das Parlament kann dem Deal zustimmen, damit wir geordnet aus der EU ausscheiden.“

May rief neuerlich ihre Abgeordneten auf anzuerkennen, dass der Brexit die Entscheidung des britischen Volkes sei. „Es ist nun an der Zeit, dass das (britische) Parlament entscheidet. Eine kurze Verlängerung gibt uns die Möglichkeit, die EU zu verlassen.“ Jedenfalls werde Großbritannien die Zusammenarbeit mit der EU in vielen Bereichen fortsetzen. Am Mittwochabend hatte May die Schuld für die sich anbahnende Verzögerung ihrem Parlament gegeben: „Die Abgeordneten waren unfähig, sich auf einen Weg für die Umsetzung des Austritts des Vereinigten Königreichs zu einigen“, sagte sie.

Wohlwollen mit Aber

Der schwedische Premier Stefan Lövfen bezeichnete es als sehr wichtig, dass das britische Parlament dem Brexit-Deal zustimmt. Die Verlängerung hänge davon ab. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) will einer Verlängerung zustimmen, nannte als Bedingung allerdings ebenfalls die vorherige Zustimmung des britischen Parlaments. „Jeder ist sich bewusst, dass es sich hier schon um ein Ereignis von historischer Bedeutung handelt“, sagte sie am Donnerstag vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel. „Deshalb müssen wir auch behutsam vorgehen“, fügte sie hinzu. Man müsse bis zur letzten Stunde verhandeln und dabei sowohl die Interessen der EU als auch des Vereinigten Königreichs im Sinn haben.

Gipfeltreffen in Brüssel
AP/Aris Oikonomou
Einmal mehr muss sich ein EU-Gipfel mit dem Brexit beschäftigen

Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite sprach sich für eine Verschiebung des Brexit-Datums auf Ende Mai aus. Die EU sei bereit, dem britischen Wunsch einer Verschiebung zu entsprechen, sagte sie vor dem EU-Gipfel. Aber die genaue Zeitspanne müsse diskutiert werden. Wenn Großbritannien einen späteren Termin wolle, müsse es an der Europawahl teilnehmen. „Wir sind noch optimistisch“, sagte sie zu Erwartungen, einen ungeregelten Brexit noch verhindern zu können.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker stellte für den Fall einer erneuten Ablehnung des Brexit-Vertrags im britischen Parlament ein weiteres EU-Spitzentreffen in Aussicht. „Falls das Austrittsabkommen vom Unterhaus nicht angenommen wird, müssen wir zurückkommen“, sagte Juncker auf die Frage, ob es gegebenenfalls nächste Woche einen Sondergipfel geben werde.

Eine Million unterzeichneten Anti-Brexit-Petition

Der britische EU-Austritt wird nach derzeitiger Rechtslage am 29. März wirksam. Für eine Verschiebung, wie sie May beantragt hat, ist die Zustimmung aller übrigen EU-Staaten notwendig. Die Staats- und Regierungschefs müssen nun darüber diskutieren, ob ein Aufschub bis Ende Juni möglich ist oder kürzer ausfallen sollte. Das brächte vor allem aufgrund der zuvor stattfindenden EU-Wahl rechtliche und politische Schwierigkeiten mit sich.

May bittet offiziell um Brexit-Verlängerung

Der Plan, die EU bis zum 29. März auf geregelte Weise zu verlassen, ist bisher an Streitigkeiten im britischen Parlament gescheitert.

Rund eine Million Briten und Britinnen unterzeichneten derweil eine Petition, die einen Verbleib ihres Landes in der EU fordert. Das Gesuch wurde auf der Website des britischen Parlaments freigeschaltet. Laut britischen Medien sollen ob des Andrangs die Server für die Eintragung bereits mehrmals zusammengebrochen sein. Für eine Debatte im Parlament sind 100.000 Unterschriften notwendig.

Der luxemburgische Premierminister Xavier Bettel beklagte die anhaltende Ungewissheit angesichts der verfahrenen Lage in London. „Das ist ein bisschen wie ‚Warten auf Godot‘“, sagte er in Anspielung auf das bekannte Theaterstück von Samuel Beckett. „Man wüsste schon ganz gerne, was sie eigentlich wollen.“ Bettel machte deutlich, dass es bald eine Lösung geben müsse: „Wir suchen hier nicht nach der Ausgangstür, wir suchen den Notausgang.“

Kurz: Wie May unterstützen?

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach sich für eine Verlängerung des Brexit-Austrittsdatums aus. „Eine Verschiebung löst nicht alles, aber es kann die letzte Chance sein, einen ‚Hard Brexit‘ zu verhindern“, sagte Kurz vor Beginn des EU-Gipfels. Diese letzte Chance sollte der Gipfel ergreifen. Kurz sagte, er glaube auch, dass die „meisten Kollegen“ das so sehen. Darüber hinaus müsse man May „die Frage stellen, wie wir sie unterstützen können, dass das Abkommen doch noch eine Mehrheit im britischen Parlament findet. Damit wir am Ende des Tages einen geordneten Brexit zustande bringen können.“

Angela Merkel und Emmanuel Macron
AP/Geert Vanden Wijngaert
Merkel und Macron bei Beratungen

Er hoffe nicht, dass das britische Unterhaus nächste Woche zum dritten Mal den Deal ablehnt. „Das würde uns in eine noch schwierigere Situation bringen. Der ‚Hard Brexit‘ wäre dann noch deutlich näher, als das heute der Fall ist.“ Er gehe davon aus, dass es auf dem Gipfel eine Einigung auf eine Verschiebung des Brexits gibt. „Natürlich nicht unter allen Umständen. Entscheidend is, sicherzustellen, dass Großbritannien nicht an den Wahlen zur EU teilnimmt. Alles andere wäre absurd. Ein Land, das die EU verlassen will, nimmt an den Wahlen teil, das würde niemand verstehen“, so Kurz. Der Kanzler weiter: „Was wir brauchen, ist eine funktionierende Lösung.“ Es dürften deshalb nicht die Emotionen in den Mittelpunkt rücken, sondern man müsse „schön sachlich bleiben“.

Macron droht mit Veto

Der französische Präsident Emmanuel Macron droht mit einem Veto gegen eine mögliche Brexit-Verschiebung. Laut „Daily Mail“ (Donnerstag-Ausgabe) sagte Macron, er könnte eine EU-Entscheidung blockieren, „wenn das schädlich für die Interessen der EU ist“. Es könne keine ausufernde Verschiebung geben, so Macron kurz vor dem Gipfel. Er habe aber nichts gegen eine kurzfristige Verschiebung. Laut dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar muss jegliche Verschiebung des Brexit-Termins einen Zweck erfüllen. Es gebe aber eine gewisse Aufgeschlossenheit gegenüber einem Aufschub, sagte Varadkar am Donnerstag in Brüssel.

Der Ministerpräsident der Niederlande, Mark Rutte, zeigte sich prinzipiell offen für eine Brexit-Verschiebung. Erst müsse aber das britische Parlament dem Ausstiegsvertrag zustimmen. Danach könne ein Aufschub gewährt werden. Er hoffe, dass der steigende Druck den Entscheidungsprozess im Königreich beschleunige.