Boeing 737 Max 8
AP
Boeing-Abstürze

Airlines sparten bei Sicherheitsfeatures

Nach den Flugzeugabstürzen in Indonesien und Äthiopien verdichten sich die Hinweise, dass die Steuerungssoftware Schuld am Unglück sein könnte. Wie die „New York Times“ am Donnerstag berichtete, hätten möglicherweise zwei Alarmsysteme die Abstürze verhindern können – die jedoch nicht zur Standardausstattung Boeing 737 Max 8 gehören und nur gegen Aufpreis eingebaut werden.

Zumindest beim Absturz einer Lion-Air-Boeing in Jakarta ist mittlerweile bekannt, dass ein Anstellwinkelsensor falsche Daten geliefert haben soll. Das Boeing-Trimmsystem MCAS, das für die Abstürze der beiden Maschinen verantwortlich sein könnte, könnte von diesem Sensor getäuscht worden sein. Mit zwei Warnsystemen (Angle of Attack Indicator und Angle of Attack Disagree Light) wären die Piloten laut „New York Times“ unter Umständen früher auf den defekten Sensor hingewiesen worden.

Warnsysteme nur gegen Aufpreis erhältlich

Auch die vor eineinhalb Wochen abgestürzte Boeing 737 MAX 8 der Ethiopian Airlines soll keines der beiden Features an Bord gehabt haben. Boeing stellt beide Systeme als kostenpflichtiges Add-on zur Verfügung, für die Zulassung durch die US-Luftfahrtbehörde FAA sind sie jedoch nicht obligatorisch.

MCAS

Beim Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) melden Sensoren, die den Flugwinkel messen, dem System, wenn das Flugzeug zu übersteuern droht. Dann drückt ein Stabilisierungsmechanismus am Heck der Maschine die Nase wieder nach unten. Ein einzelner defekter Anstellwinkelsensor könnte so für einen Flugzeugabsturz verantwortlich sein.

Wie die „New York Times“ unter Berufung auf eine anonyme Quelle bei Boeing weiter berichtet, habe sich der US-Flugzeughersteller mittlerweile dazu entschieden, zumindest eines der beiden Systeme – das AoA Disagree Light – künftig als Standard in alle neuen Boeing 737 MAX einzubauen. Das Warnlicht informiert die Piloten, wenn zwei Sensoren widersprüchliche Daten liefern.

FBI ermittelt offenbar ebenfalls

Mittlerweile soll sich auch das FBI den strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit der Zulassung von Boeings Unglücksflugzeug 737 Max angeschlossen haben. Die Bundespolizei solle mit ihren beträchtlichen Ressourcen die bereits laufende Untersuchung des Verkehrsministeriums unterstützen, schrieb die „Seattle Times“ (Donnerstag-Ausgabe) unter Berufung auf Insider. Die Ermittlung werde vom Verkehrsministerium durchgeführt, aber von der strafrechtlichen Abteilung des Justizministeriums überwacht.

Die US-Verkehrsministerin Elaine Chao hatte zuvor angeordnet, dass ihr Ministerium überprüft, ob bei der Sicherheitszertifizierung der neuen Boeing-737-Max-Flugzeuge im Jahr 2017 alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Der Generalinspekteur des Ministeriums solle den Fall untersuchen. Über Ermittlungen des Justizministeriums hatten zuvor bereits andere US-Medien wie das „Wall Street Journal“ unter Berufung auf Insider berichtet. Das Ministerium bestätige oder dementiere solche Ermittlungen prinzipiell nicht, sagte ein Sprecher.

Die US-Verkehrsministerin Elaine Chao
AP/Jose Luis Magana
US-Verkehrsministerin Elaine Chao ordnete eine Überprüfung der Sicherheitszertifizierung der Boeing 737 Max an

Software-Update angekündigt

Nach den zwei Flugzeugabstürzen in weniger als einem halben Jahr wird die Zulassung von Boeings-737-Max-Jets durch die FAA inzwischen mit großem Argwohn betrachtet. Boeing hat mittlerweile ein rasches Update des Programms MCAS versprochen. Am Mittwoch erklärte die FAA die Installation der überarbeiteten Software und ein entsprechendes Ausbildungsprogramm für Flugzeugbesatzungen zur „Priorität“.

Auch die Verflechtungen der Regierung von US-Präsident Donald Trump zum Boeing-Konzern geraten verstärkt in den Fokus. Am Mittwoch leitete der Generalinspekteur des US-Verteidigungsministeriums eine Untersuchung gegen Ressortchef Patrick Shanahan, einen langjährigen Boeing-Manager, ein. Es werde untersucht, ob Shanahan sein Ministeramt genutzt habe, um seinem früheren Arbeitgeber Vorteile zu verschaffen. Boeing ist auch einer der größten Rüstungshersteller in den USA. Shanahan ließ mitteilen, er begrüße die Überprüfungen.

Enge Verbindungen zwischen Boeing und US-Regierung

Der größte US-Luft- und Raumfahrtkonzern hat traditionell einen engen Draht zur Regierung. Im Februar erst nominierte Boeing Präsident Trumps ehemalige Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, als Direktorin für den Verwaltungsrat. Die 47-Jährige hatte ihr Amt bei der UNO Ende Dezember nach zwei Jahren abgegeben. Die Hoffnungsträgerin der Republikaner war bereits als künftige Präsidentschaftskandidatin im Gespräch gewesen. Boeing werde in hohem Maße von Haleys diplomatischen und geschäftlichen Erfahrungen profitieren, teilte Konzernchef Dennis Muilenburg mit.

Donald Trump und Nikki Haley
AP/Olivier Douliery
Trumps ehemalige UNO-Botschafterin wechselte zu Boeing

Der Chef der indonesischen Flugsicherheitsbehörde, Soerjanto Tjahjono, bestätigte am Donnerstag in Jakarta, dass beim Flug einer Boeing 737 Max 8 einen Tag vor dem Absturz der Maschine in Indonesien neben der üblichen Besatzung ein dritter Pilot im Cockpit saß. Zu einem Bericht der Nachrichtenagentur Bloomberg, wonach nur mit Hilfe des dritten Piloten eine Katastrophe verhindert worden sei, wollte er jedoch keine Stellung nehmen.

Am Freitag widerrief die indonesische Fluggesellschaft Garuda daraufhin den Kauf von 49 Maschinen des Typs Boeing 737 Max 8. Die Airline habe in einem Brief an Boeing um die Stornierung der Bestellung im Wert von mehreren Milliarden Dollar gebeten, sagte Garuda-Sprecher Ikhsan Rosan. Die Passagiere hätten das Vertrauen in den Flugzeugtyp verloren, so die Begründung.