Die Sanna bei Landeck
ORF.at/Lukas Krummholz
Erneuerbare

Die Hürden bei der Energiewende

Ende vergangenen Jahres hat Umweltministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) im Ministerrat ein Gesetz zum Ausbau der erneuerbaren Energien angekündigt. Ein entsprechender Entwurf soll noch im Frühjahr vorliegen. Umweltschützer machen nun im Vorfeld mobil und fordern Naturverträglichkeit – auf dem Spiel stehen ihrer Ansicht nach vor allem Österreichs letzte noch intakte Gewässer.

Das derzeit in Arbeit befindliche Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) ist Teil des nationalen Klima- und Energieplans Österreichs, der am ersten Jänner 2020 in Kraft treten soll. Die Klimaziele, die sich die Bundesregierung gesetzt hat, sind ehrgeizig: Bis 2030 soll etwa die gesamte Stromversorgung auf 100 Prozent Erneuerbare umgestellt werden.

Im Ministerratsvortrag vom Dezember heißt es dazu: „Österreich braucht ein Energiesystem, das nachhaltig und zugleich sicher, innovativ, wettbewerbsfähig und leistbar ist. Es gilt Treibhausgasemissionen zu senken, erneuerbare Energie verstärkt auszubauen, Energie- und Ressourceneffizienz zu erhöhen, saubere Technologien zu forcieren und die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Österreich zu steigern.“

Erreichung der Klimaziele durch Erneuerbare „illusorisch“

Laut Gerhard Egger, dem Leiter der Gewässerschutzabteilung des WWF, ist es aber „illusorisch“ zu glauben, dass die Klimaziele nur durch den Ausbau erneuerbarer Energien erreicht werden könnten. „Wir beziehen immer noch 70 Prozent unserer Energie aus Öl, Kohle und Gas. Der Strom macht aber nur 20 Prozent unserer Gesamtenergiekonsumation aus“, sagt Egger im Gespräch mit ORF.at.

Ersatz für Ökostromgesetz

Das Ökostromgesetz, das die Förderung erneuerbarer Energien regelt, soll im Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) aufgehen. Dieses ist Teil des nationalen Energie- und Klimaplans, der im Jänner 2020 in Kraft treten soll. Denn bis dahin muss die Regierung der EU konkrete Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele übermitteln.

Zudem stagniere der Anteil erneuerbarer Energien trotz laufenden Ausbaus seit rund sechs Jahren bei 30 Prozent. „Derzeit wird der Zuwachs an Erneuerbaren durch die Verbrauchssteigerung weggefressen“, erklärt Franz Maier, Präsident des Umweltdachverbandes (UWD). Eine Energiewende könne daher nur funktionieren, wenn auch der Energieverbrauch massiv reduziert werde. Gerade im Bereich Verkehr sei der Energieverbrauch seit 1990 um 70 Prozent angestiegen. „Wenn wir dort nicht ansetzen, sind wir weit weg von der Erreichung der Klimaziele – und würden parallel dazu die letzten Naturräume Österreichs aufs Spiel setzen“, warnt der UWD-Präsident und fordert neben Maßnahmen im Mobilitätsbereich auch eine ökosoziale Steuerreform.

Fließgewässer bereits „intensiv“ genutzt

Es nütze nichts, wenn durch die Ökostromförderung zwar erneuerbare Energie finanziert werde, gleichzeitig aber die letzten ökologisch intakten Fließgewässer zerstört würden. Eine Energiewende müsse, so Maier, „immer naturverträglich“ sein.

Laut Forderungen der Energiewirtschaft sollen Hunderte zusätzliche neue Kraftwerke gebaut werden. Mehr als die Hälfte der heimischen Bäche und Flüsse seien aber bereits ohnehin in keinem guten ökologischen Zustand, heißt es seitens des UWD. Durchschnittlich gebe es pro Flusskilometer eine Barriere wie etwa Dämme oder Wehre, die zu einem Verlust der Biodiversität, zu Artenrückgang und zu einem Verlust an Lebens- und Erholungsraum sowie an Wasserqualität führen. „Allein diese Zahl zeigt, wie überformt die Bach- und Flusslandschaft in Österreich ist und wie intensiv die Fießgewässer bereits genutzt werden“, meinte Maier. Und: In maximal 15 Jahren sei man beim Endausbau der Fließgewässer angekommen – bei derzeitigem Verbrauch den Energiezielen aber „keinen Meter näher“, so Maier.

Kritik an kleinen Wasserkraftwerken

Laut der Universität für Bodenkultur gibt es in Österreich 5.200 Wasserkraftwerke. 4.800 davon seien Kleinkraftwerke, die zusammengerechnet aber nur fünf Prozent des Wasserkraftstroms ausmachen würden. „Die kleinen Anlagen tragen verhältnismäßig wenig zur Stromerzeugung und dem Klimaschutz bei, verursachen gleichzeitig aber große Kosten und richten überproportional viel Schäden an“, sagte Egger.

Dennoch sei es genau diese Kleinwasserkraft, die im Rahmen des Ökostromgesetzes besonders gefördert wurde. "So wie die Ökostromförderung bisher vergeben wurde, nämlich pauschal und ohne genaue Kriterien, kann man durchaus sagen, dass das mit Öko nichts mehr zu tun hat, meinte Maier, der vom Ökostromgesetz von einer „öffentlich subventionierten Gewässerzerstörung“ sprach. Auch die Verbauung „einzigartiger Fließgewässer“ wie der Erlauf und der Sulm, des Lesachbaches oder der Mur standen im Zentrum der Kritik.

Protest-Kundgebung gegen die Rodungen für das geplante Murkraftwerk in Graz, 2017
APA/Ingrid Konrberger
Bauarbeiten zum Murkraftwerk in Graz 2017: Umweltschützer kritisieren die Verbauung „einzigartiger“ Fließgewässer

Für Verbot von Neubau in Schutzgebieten

Der WWF und der Umweltdachverband treten vehement gegen neue Kraftwerke und für eine Sanierung und Modernisierung bestehender Anlagen ein. „Statt an bisher unberührten Bächen und Flüssen neue Kraftwerke zu bauen, reicht es oft, Turbinen jahrzehntealter Anlagen zu tauschen“, meint Egger, der ein Verbot für Anlagenneubau in Schutzgebieten und den letzten intakten Gewässern sowie einen Natur- und Klimacheck für Fördervergaben fordert. Laut einer Wasserkraftpotenzialstudie des Beratungs- und Engineering-Unternehmens Pöyry sind zudem rund ein Viertel aller Anlagen gar nicht in Betrieb. „Das heißt, die richten zwar einen Schaden in der Natur an, aber wir haben nicht einmal Strom davon“, so Egger.

Solarzellen vor Windrädern
APA/Karl-Josef Hildenbrand
Umweltschützer sehen vor allem in Photovoltaik großes Potenzial, da sie die wenigsten Konflikte mit Naturschutz mit sich bringt

Mehr Potenzial bei Windkraft und Photovoltaik

Der Schwerpunkt der Energiewende müsse neben einer Verbrauchsreduktion daher vor allem in der Effizienzsteigerung liegen, fordern die Umweltorganisationen. Das sieht man auch im Umweltministerium so. Auf Nachfrage von ORF.at verwies man auf den Ministerratsvortrag, in dem es heißt: „Der Erhalt bestehender hocheffizienter Anlagen minimiert den Verbrauch an Flächen und Ressourcen und unterstützt so eine naturverträgliche Transformation des Energiesystems. Im Bereich der Wasserkraft ist gerade auch aus ökologischen Gründen der Revitalisierung der Vorzug zu geben. Dies ist in der Fördersystematik entsprechend abzubilden.“

Anders sieht man das beim Verein Kleinwasserkraft. Kleinwasserkraftwerke seien sowohl mit den österreichischen Standards als auch mit den angestrebten Gewässerqualitäten vereinbar – und „als Rückgrat der erneuerbaren Energieversorgung nicht zu ersetzen“, heißt es seitens der Kleinwasserkraft Österreich. Für die Erreichung der Klimaziele seien auch Neuanlagen unabdingbar – eine Unterscheidung von Revitalisierungsprojekten und Neuanlagen hinsichtlich des Zugangs zur Förderung wäre nicht zu rechtfertigen, vielmehr kontraproduktiv und würde den angestrebten Klimazielen zuwiderlaufen, so Geschäftsführer Paul Ablinger gegenüber ORF.at.

Grafik zeigt den Bestand und Ausbaubedarf für erneuerbare Energieträger
Grafik: ORF.at; Quelle: Veigl 2017

Wesentlich mehr Potenzial als die bereits überdurchschnittlich ausgebaute Wasserkraft würden laut der WWF-Klimastrategie ohnehin Windkraft, vor allem aber Photovoltaik (PV) bieten. Gerade bei PV gebe es keine Probleme mit Natur-, Landschafts- und Artenschutz, zeigen sich Umweltschützer überzeugt. Das müsse sich auch in der Förderlandschaft widerspiegeln. In eine gute Richtung geht laut WWF etwa das Programm „100.000 Dächer“, das Anreize für eine verstärkte Nutzung der Dachflächen durch PV-Module für private Haushalte und Unternehmen bringen soll.

Ökostrom-Streit zwischen ÖVP und SPÖ

ÖVP und SPÖ lieferten einander zuletzt einen Schlagabtausch über die Ökostromnovelle, mit der Biomassekraftwerke weiter gefördert werden. Im Jänner wurde die Novelle im Nationalrat mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit (ÖVP, FPÖ und NEOS) beschlossen – bevor sie im Bundesrat an der SPÖ gescheitert und dann im Zuge einer einfachgesetzlichen Regelung doch in Begutachtung gegangen ist. Für die SPÖ ist die Novelle völlig intransparent – Köstinger würde damit 134 Biomasseanlagen einen „Blankoschek“ in der Höhe von 150 Millionen Euro ausstellen, hieß es damals seitens der Partei.

In der Novelle zum Ökostromgesetz geht es im Wesentlichen darum, die Förderungen für Biogas- und für Biomasseanlagen, die nach 13 Jahren seit 2017 nach und nach auslaufen, für weitere drei Jahre als Übergangslösung zu verlängern. Das Umweltministerium strebt zwar mit dem EAG, das 2020 das Ökostromgesetz ersetzen soll, eine große Reform der Förderung an. Bis dahin soll es aber die Übergangslösung geben, die laut Ministerium 50 Millionen Euro pro Jahr kostet, also insgesamt 150 Mio. Die Förderung wird von Stromkunden gezahlt, einkommensschwache Haushalte sollen künftig befreit sein.