Fast zwei Drittel der niedrig gelegenen 48 Bundesstaaten würden ein erhöhtes Risiko laufen, bis zum Mai von Überschwemmungen heimgesucht zu werden; in 25 davon müsse man gar mit „schweren oder mittelschweren“ Fluten rechnen, hieß es seitens der obersten US-Wetterbehörde, der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA). Es drohe eine „möglicherweise beispiellose“ Hochwassersaison.
Diese Prognosen waren Teil des jährlichen „Spring Outlook“ der NOAA – in dem Bericht schlägt sich der Ernst der Lage diesmal eindeutig nieder. Kein Wunder, führen doch der Obere Mississippi und der Red River of the North durch Regen und Schnee bereits jetzt doppelt so viel Wasser wie üblich, wie die „New York Times“ berichtete.
„Wir haben allein in der letzten Woche über 30 Rekorde in Nebraska, Iowa und South Dakota aufgestellt“, sagte Kevin Low, ein Wissenschaftler des Nationalen Wetterdienstes. Die Flutkatastrophe zerstörte die Lebensgrundlage von Bauern und Viehzüchtern quer durch die Region, setzte ganze Gemeinden wie Hamburg, Iowa, unter Wasser und zerstörte Hunderte Häuser, Straßen und Brücken.
Zerstörte Infrastruktur, erodierter Boden
Nebraskas Gouverneur Pete Ricketts geht in einer vorläufigen Schätzung von Schäden im Ausmaß von 1,4 Milliarden Dollar allein in seinem Bundesstaat aus. Der Wiederaufbau der Infrastruktur könnte Jahre dauern, aber die eigentliche Herausforderung dürfte in der Wiederherstellung der größten Ressource der Region bestehen: des Bodens, der weitflächig erodiert ist.
Die aktuellen Überschwemmungen im Einzugsgebiet des Missouri River und darüber hinaus wurden zum Teil durch heftige Regenfälle verursacht, durch andere Faktoren wie gefrorenen Boden, der das Aufsaugen von Wasser verhinderte, allerdings weiter verschärft. Überdurchschnittliche Niederschläge, die Meteorologen für den gesamten Frühling erwarten, kombiniert mit der Schneeschmelze, würden zu den Fluten und ihrer Ausdehnung auf weitere Landesteile beitragen, warnte die NOAA.
Todeszone in Gewässern
Die Wissenschaftler der Agentur prognostizierten zudem, dass der Säuregehalt der Regenfälle zu Hypoxie im Golf von Mexiko und in der Chesapeake Bay, der größten Flussmündung in den USA, führen werde. Hypoxie liegt vor, wenn die Konzentration gelösten Sauerstoffs in Gewässern so gering ist, dass Fische und andere Meeresbewohner darin nicht überleben können.
Einer im Vorjahr von 13 Bundesagenturen erstellten Erhebung zufolge ist der verstärkte Niederschlag im Mittleren Westen der USA eine absehbare Folge der Klimawandels. Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, die dann als Niederschlag niedergeht.
Klimawandel mit Auswirkungen „auf alles“
Andrew Dessler, Professor für Atmosphärische Wissenschaft an der Texas A & M University, sagte der „New York Times“, um Ereignisse wie die derzeitigen Überschwemmungen einordnen zu können, bedürfe es des verstärkten Einsatzes der Attribution Science (Zuordnungswissenschaft). Dahinter verbirgt sich die neue Möglichkeit festzustellen, inwieweit extreme Wetterereignisse wie Hurrikane, Hitzewellen und Starkregen auf den Klimawandel zurückzuführen sind.
„Sicher sind Überschwemmungen auch vor dem Klimawandel aufgetreten“, sagte Dessler. Doch gehörten starke Regenfälle zu den häufigsten mit dem Klimawandel verbundenen Erscheinungen. Die Menschen hätten so viel erderwärmendes Kohlendioxid in die Atmosphäre gepumpt, dass die Annahme, der Klimawandel würde sich „auf alles“ auswirken, bis zu einem gewissen Grad richtig sei. „Die eigentliche Frage ist nicht, ob der Klimawandel eine Rolle spielt“, sagte der Wissenschaftler. „Die Frage ist, wie groß, und was genau seine Rolle ist.“