Frau schmiert sich Creme ins Gesicht
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Anti-Pollution-Kosmetik

Hautpflege gegen Feinstaub und Co. boomt

Die Kosmetikbranche hat ein neues Feindbild für sich entdeckt: die Luftverschmutzung. Mit Hautpflegeprodukten zum Schutz vor Feinstaub und sonstigen Großstadtgiften ist die Industrie bereits gut im Geschäft. Fachleute sehen dabei mehr als nur einen Trend.

Bangkok, Seoul, Schanghai oder Delhi: In asiatischen Millionenmetropolen, wo Einwohnerinnen und Einwohner tagtäglich mit den Folgen von Smog zu kämpfen haben, ist die Anti-Pollution-Kosmetik längst angekommen. Mittel zum Schutz vor Dreck und Abgasen sind dort ob der enormen Luftverschmutzung beinahe ebenbürtig mit Anti-Aging-Produkten oder Cremen zum Schutz vor UV-Strahlen.

In Südkorea, das als Vorreiter für den globalen Beauty-Markt gilt, hat sich dabei schon eine Unterkategorie durchgesetzt – und zwar „Anti-Polluaging“-Produkte. Also Mittel, die Hautalterung wegen verschmutzter Luft stoppen wollen. Wie schon so einige Trends aus dem „Beauty-Mekka“ hat auch dieser mittlerweile Einzug in den europäischen Markt gehalten.

Smog Seoul, Südkorea
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In asiatischen Städten wie Seoul haben sich Pflegeprodukte gegen Luftverschmutzung schon längst durchgesetzt

Branche setzt auf altbekannte Mittel

Und so sind heimische Regale und Onlineshops gefüllt mit allerlei Anti-Pollution-Wunderwaffen wie Cremen, Seren und Gesichtsmasken. Die Produktpalette beinhaltet günstige Pflegeserien von Nivea bis hin zu Naturkosmetikoptionen von Lavera oder auch Luxustiegelchen von Dior, Dr. Barbara Sturm sowie Annemarie Börlind. Vermarktet werden die Mittelchen mit vagen Versprechen, von Feinstaub und Abgasen geschwächte Haut wieder widerstandsfähiger zu machen.

Wirft man einen Blick auf die Produktdetails, so finden sich altbekannte Inhaltsstoffe wie Grüntee-Extrakt, Alge, Hyaluronsäure, natürliche Antioxidantien, Polysaccharide und Kakaosamenextrakt. So sind Algen und Antioxidantien etwa beliebte Zutaten von Anti-Aging-Produkten. Fest steht jedenfalls, dass sich mit der Angst vor Falten und Co. viel Geld machen lässt.

Dem Marktforschungsunternehmen Euromonitor zufolge sind 2018 immer mehr große Marken auf den Zug aufgesprungen und haben neue Anti-Pollution-Produkte auf den Markt gebracht. „Anti-Pollution-Kosmetik wird vermutlich für lange Zeit am Radar bleiben“, so Euromonitor. Deshalb würden Investitionen in Pflegeprodukte zum Schutz vor verdreckter Luft eine gute Strategie für Firmen darstellen, um aus dem lukrativen Hautpflegemarkt Kapital zu schlagen.

Beauty entthront Make-up

Generell hatte etwa das US-Marktforschungsinstitut NPD Group im Herbst festgestellt, dass der Umsatz mit Hautpflegeprodukten um 16 Prozent zugenommen hat. Der Umsatzzuwachs von Make-up – das die Branche jahrzehntelang dominierte – lag „nur“ bei drei Prozent. Allein in Österreich wurden 2016 der Branchenplattform Kosmetik Transparent zufolge für Körper- und Hautpflege rund 1,6 Milliarden Euro ausgegeben. Euromonitor lieferte dafür bereits eine Erklärung: Und zwar wird ein gesunder Lebensstil für Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend wichtig.

Doch ist tatsächlich etwas dran an dem neuesten Hype? „Wir haben in unseren Studien herausgefunden, dass die Hautalterungsmerkmale eindeutig zunehmen, wenn jemand dauernd einer hohen Abgasbelastung ausgesetzt ist“, sagte Professor Jean Krutmann, Leiter des Düsseldorfer Leibniz-Instituts für umweltmedizinische Forschung (IUF) bereits vergangenes Jahr im deutschen Südwestrundfunk. Laut Krutmann dringen die Feinstaubpartikel durch die natürliche Barriere der Haut ein.

Frau bei Gesichtspflege
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Die Anti-Pollution-Kosmetik soll geschwächte Haut wieder widerstandsfähiger machen

Durch Ruß würden sich mehr Pigmentflecken im Gesicht bilden, so der Experte. Das zeigt unter anderem eine Langzeitstudie aus dem Jahr 2010, an der Krutmann beteiligt war. Damals wurden die Daten von 400 Frauen ausgewertet und verglichen. Dabei zeigte sich: Jene Frauen, die einer erhöhten Luftschadstoffkonzentration ausgesetzt waren, hatten 20 Prozent mehr Pigmentflecken im Gesicht als Frauen, die in ländlichen Gebieten lebten. Darauffolgende Untersuchungen brachten ähnliche Ergebnisse.

Marketinggag oder Wunderwaffe?

Laut einem „Spiegel“-Bericht zählt die Luftverschmutzung durch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren – neben UV-Strahlung – zu den bedeutendsten Faktoren für frühzeitige Hautalterung. Durch die in die Luft gepumpten Schmutzpartikel wird zudem die Entstehung von freien Radikalen angekurbelt und unter anderem auch mehr Talg produziert. Anders als in Sachen UV-Schutzcremes gibt es bei der Anti-Pollution-Kosmetik jedoch noch keine brancheneinheitliche Kennzeichnung, durch die sich die Wirksamkeit eines Produkts einschätzen lässt.

Ob die angebotenen Mittel überhaupt gegen die Folgen von Luftverschmutzung helfen, ist unklar. „Es gibt keine großangelegten Studien, die Kosmetikunternehmen können die versprochenen Effekte bislang nicht beweisen, weil es schwierig ist, die Produkte am Menschen zu untersuchen“, wurde Maja Hoffmann, Oberärztin an der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie der Charite in Berlin in der „Welt“ zitiert. „Dass sie nicht wirken, kann man genauso wenig beweisen“, so Hoffmann weiter.