Protest gegen neues Urheberrecht
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Votum in Strassburg

Tag der Entscheidung für EU-Copyright

Am Dienstag stimmt das EU-Parlament final über das neue Urheberrecht ab. Dessen Ziel ist es, die aktuellen Copyright-Gesetze ins Internetzeitalter zu heben und Urheber fair zu vergüten. Doch an der Reform war eine heftige Debatte entbrannt, weil Zensur und eine gravierende Veränderung des Internets befürchtet wird. Ob das Projekt nun die letzte Hürde nimmt, blieb bis zuletzt unklar.

Bereits zu Mittag soll das Parlament über die Zukunft der Reform entscheiden. Votiert wird über mehrere Abänderungsanträge und die Reform an sich. Wie die Abstimmung ausgehen könnte, blieb vorerst unklar. Schon am Montag zeigte sich, dass das Thema auch innerhalb der europäischen Fraktionen polarisiert.

Vor dem Votum gab es am Vormittag noch eine hitzige Debatte. Bei dieser warb CDU-Politiker und Berichterstatter Axel Voss noch einmal für den Vorschlag. Es gehe um die Frage, inwieweit der Eigentumsbegriff in die digitale Welt gerettet werden könne. YouTube und Co. würden eine „Governance by Shitstorm“ betreiben und gerade jüngere Bevölkerungsgruppen in der Debatte instrumentalisieren. Es gehe um Rechtsstaatlichkeit, das Recht auf geistiges Eigentum und eine faire Vergütung von Eigentümern.

„Verheerend für die Freiheit“

Die Gegenstimme kam von der Piraten-Abgeordneten Julia Reda. Sie verwies auf den breiten Protest in der Bevölkerung, vor allem bei den Jungen. Sie forderte eine Streichung der Artikel: „Diese Richtlinie darf nicht ohne Änderungen durchkommen, das wäre nicht nur verheerend für die Freiheit im Netz, es würde auch einer ganzen Generation das Vertrauen rauben, dass die Politik funktioniert und dass diese Politik die Interessen der Bevölkerung vertritt.“

Reda verwies auch auf einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) über einen möglichen Tauschhandel zwischen Deutschland und Frankreich: Diesem zufolge soll Berlin die von Paris gewünschte Reform des Urheberrechts unterstützt haben. Im Gegenzug soll Frankreich zugesagt haben, Deutschland beim Streit über die „Nordstream 2“-Gaspipeline zu unterstützen.

Drei Jahre Verhandlungen

An der Richtlinie war unter heftigem Lobbying beider Seiten rund drei Jahre lang gearbeitet worden. Sie soll garantieren, dass Urheber fair bezahlt werden, wenn ihre Inhalte auf Plattformen wie YouTube oder Facebook aufscheinen. Vor allem große US-Konzerne sollen künftig in die Verantwortung genommen werden. Passieren soll das etwa über Lizenzrechte. Es gehe darum, dass Urheber „eine Rechtsgrundlage haben, um eine faire Vergütung des geistigen Eigentums verhandeln zu können“, so EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU).

Doch Kritikerinnen und Kritiker fürchten, dass die Reform Begleiterscheinungen nach sich ziehen könnte. Es spießt sich vor allem an Artikel 13, der nun bei dem Votum unter der Bezeichnung Artikel 17 firmiert. Ihm zufolge werden Plattformen künftig dazu verpflichtet, Inhalte zu entfernen, für die von den Urhebern keine Lizenz erteilt wurde. Befürchtet wird, dass das in der Praxis nur mit Upload-Filtern funktioniert. Und die Vorabfilterung von Inhalten stößt auf Misstrauen.

Laut der Kritik arbeiten die Filter unter anderem zu ungenau. Die Folge könnte sein, dass neben geschützten Inhalten auch erlaubte Abwandlungen, etwa Zitate, Satire oder Remixes, gefiltert werden. Zudem wird befürchtet, dass die Filter einen Wettbewerbsnachteil für kleinere, europäische Unternehmen bedeuten könnten. Der Entwurf sieht Ausnahmen vor: Firmen, die unter drei Jahre alt sind, weniger als fünf Millionen Nutzer haben und weniger als zehn Mio. Euro Umsatz im Jahr vorweisen, müssen keine Filter einsetzen. Alle drei Punkte müssen zutreffen.

Urheberrecht: Gespanntes Warten auf Votum im EU-Parlament

Die Reform sorgte im Vorfeld für heftige Debatten – der Ausgang des Votums ist offen.

Ebenfalls kritisiert wird Artikel 11 zum Leistungsschutzrecht. Dieser sieht vor, dass Plattformen in Zukunft zahlen sollen, wenn sie kleine Ausschnitte oder Überschriften von Presseerzeugnissen („Snippets“) zeigen. Dass beide Artikel gestrichen werden, fordert etwa die Piraten-Abgeordnete Julia Reda – sie tritt als prononcierte Gegnerin der Richtlinie auf.

„Sollen haftbar sein“

Voss wies die Vorwürfe am Montag zurück. Es gehe darum, Urheberrechte auch auf Plattformen besser zu schützen und durchzusetzen. „Sie sollen haftbar sein.“ Es sei letztlich Aufgabe der Unternehmen, wie sie die Vorgabe umsetzten. „Hier geht es um knallharte wirtschaftliche Interessen der großen Plattformen, die dem einzelnen Bürger vermitteln, die Freiheit des Internets sei in Gefahr“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Das stimmt jedoch nicht.“

EU-Parlamentarier Axel Voss
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Axel Voss bei der letzten Abstimmung im Herbst

Gegenüber der „Zeit“ kritisierte Voss zudem vor allem YouTube: Das Geschäftsmodell der Plattform nannte Voss „eine Art Enteignung“. Das Portal habe Druck auf YouTuber ausgeübt, die wiederum in Videos an ihre Follower weitergegeben hätten, dass die EU „das Internet zerstören“ wolle. Er kritisierte auch die Angriffe gegen seine Person. So habe es eine Bomben- und eine Morddrohung gegeben.

Vorwurf der Stimmungsmache

Am Samstag war in mehreren europäischen Städten auch gegen die Reform demonstriert worden. Der größte Protest fand in München statt, wo laut Polizei rund 40.000 Menschen teilnahmen. Die Veranstalter sprachen von mehr als 50.000. In Österreich gab es Aktionen in Wien, Salzburg und Innsbruck. Laut Veranstalter nahmen 4.000 Personen in der Hauptstadt teil.

Protest gegen neues Urheberrecht
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Demonstriert haben vor allem – aber nicht nur – junge Menschen

Die Befürworter werfen den großen Plattformen mit Blick auf die Aktionen Stimmungsmache vor. Gegenüber der „Bild“ sagte Oettinger, dass die Tech-Firmen „viel Geld für die Lobbyarbeit gegen unseren Vorschlag ausgegeben“ hätten. CDU-Mandatar Elmar Brok ortete aufgrund einer großen Anzahl an Protestmails, dass es eine von Algorithmen gesteuerte Kampagne gebe.

Der CDU-Politiker Daniel Caspary äußerte gegenüber der „Bild“ gar den Verdacht, dass die Konzerne Demonstranten gekauft hätten, was ihm Kritik von der eigenen Fraktion einbrachte. Die Gegenseite weist diese Vorwürfe als Desinformationskampagne zurück und verweist ihrerseits auf Lobbying durch Rechteverwerter und Kreativwirtschaft. Reda berichtete noch am Montag von einer großflächigen Last-Minute-Werbekampagne für die Reform in Strassburg.

Ablehnung wäre Ausnahmefall

Wie die Abstimmung am Dienstag ausgeht, ist ungewiss. Grundsätzlich ist es unüblich, dass ein zwischen Rat, Kommission und EU-Parlament ausverhandelter Entwurf noch einmal zurückgewiesen wird. Zudem wird die Debatte in dieser Intensität vor allem im deutschen Sprachraum geführt. Andererseits haben bereits zahlreiche Abgeordnete angekündigt, der Reform nicht oder nur in Teilen zuzustimmen.

Laut einer österreichischen Initiative der NGO epicenter.works namens Pledge 2019 sprachen sich bis Montag europaweit 130 Abgeordnete dafür aus, zumindest gegen Artikel 13 stimmen zu wollen. In Österreich stellten sich die Abgeordneten der SPÖ, der Grünen und von NEOS auf die Seite der Reformgegner. Die FPÖ will sich enthalten. Die ÖVP hatte für Montag und Dienstag auf Anfrage noch Beratungen angekündigt.

Riss in den Fraktionen

Auch die deutsche SPD kündigte an, geschlossen gegen die Upload-Filter zu stimmen. Der Europaabgeordnete Tiemo Wölken hält es auch für wahrscheinlich, dass Artikel 13 gekippt wird. Wie der Rest der europäischen Sozialdemokraten abstimmen wird, blieb vorerst offen. Manfred Weber, Spitzenkandidat der EVP, kündigte Zustimmung zur Reform an. Weber ist auch der Meinung, dass man im deutschen Vollzug keine Filter brauchen werde.

Musikwirtschafter Medwenitsch über die Urheberrechtsreform

Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der Österreichischen Musikwirtschaft, über die geplante Reform des Urheberrechts und künftige technische Vorrichtung wie Upload-Filter.

Ein Appell für die Reform kam am Mittwoch auch von Medienminister Gernot Blümel (ÖVP). „Die Copyright Directive ist ein dringend notwendiger Schritt in die richtige Richtung“, so Blümel in einem offenen Brief. Er rief die Mandatare dazu auf, sich nicht von Lobbying und Desinformation beeinflussen zu lassen. Auch die österreichischen Verwertungsgesellschaften und die Plattform creative austria stellten sich hinter die Reform.

Prozess würde bei Ablehnung wackeln

Sollten die Abgeordneten dem Vorhaben in Gänze zustimmen, wäre es mit höchster Wahrscheinlichkeit noch vor der Europawahl Ende Mai beschlossene Sache. Das Parlament könnte sich auch dafür aussprechen, einzelne Artikel zu streichen. Dann müssten die EU-Staaten dem anschließend allerdings zustimmen. Falls sie das nicht tun, müssten Europaparlament und EU-Staaten erneut verhandeln. Sollte das Parlament den gesamten Vorschlag am Dienstag ablehnen, müsste ebenfalls erneut verhandelt werden.