Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident Donald Trump
AP/Manuel Balce Ceneta
Streit um Golan

Sorge und Empörung nach Trump-Dekret

US-Präsident Donald Trump hat am Montag wie angekündigt formell Israels Souveränität über die Golanhöhen anerkannt. Die Unterzeichnung des Dekrets erfolgte während eines Besuchs von Israels Premier Benjamin Netanjahu im Weißen Haus. Netanjahu befindet sich mitten im Wahlkampf – und einer militärischen Eskalation: Israel flog am Montag Luftangriffe im Gazastreifen.

Trump hatte vor wenigen Tagen bereits erklärt, Israel als Souverän über die Golanhöhen anerkennen zu wollen. Am Montag unterzeichnete er die entsprechende Proklamation. Trump sprach von einem historischen Schritt und begründete diesen mit dem Schutz Israels vor feindlichen Angriffen von den Golanhöhen aus. Netanjahu sprach von einem historischen Tag. „Israel hatte nie einen besseren Freund als Sie“, sagte er.

Trumps Nahost-Politik erhält bei der rechtskonservativen Regierung in Israel viel Beifall, etwa die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem oder den Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran. Trumps Schritt wurde nun auch international als große Wahlkampfhilfe für Netanjahu gedeutet. In Israel wird am 9. April ein neues Parlament gewählt. Netanjahus Posten als Regierungschef steht dabei auf dem Spiel.

UNO bleibt bei ihrer Haltung

Israel hatte die Golanhöhen, ein strategisch wichtiges Felsplateau oberhalb des Sees Genezareth, 1967 erobert und 1981 annektiert. Das wurde international aber nicht anerkannt. Nach internationalem Recht gelten die Gebiete als von Israel besetztes Territorium Syriens. Die UNO wird diesen Status auch nach Trumps Schritt nicht ändern, wie ein Sprecher des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres am Montag sagte. „Die Haltung der UNO zum Golan wird in den relevanten Resolutionen des Sicherheitsrats reflektiert und hat sich nicht geändert“, hieß es.

Karte zeigt die Golanhöhen und Nachbargebiete
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Trumps symbolträchtige Proklamation hat am Montag auch erneut heftige Kritik ausgelöst. Syrien nannte die Entscheidung einen „abscheulichen Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität Syriens“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur SANA aus Kreisen des Außenministeriums. Der Beschluss des US-Präsidenten sei der höchste Grad an Missachtung und ein Schlag gegen die internationale Gemeinschaft.

Die Türkei verurteilte die Anerkennung der Souveränität Israels über die Golanhöhen scharf. Diese Entscheidung und die Tatsache, dass Israel zugleich den Gazastreifen bombardiere, sei Ausdruck einer „friedensfeindlichen“ Gesinnung, teilte Präsident Recep Tayyip Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin am Montag auf Twitter mit. „Von wem auch immer das unterstützt wird, die Besetzungs- und Kriegspolitik ist nicht legitim und unmenschlich.“

US-Verbündete Saudi-Arabien und Bahrain gegen Schritt

Der Trump-Entscheidung stößt auch bei den US-Verbündeten in der Region auf Ablehnung. Saudi-Arabien wies den Vorstoß entschieden zurück, wie die staatliche saudische Nachrichtenagentur SPA am Dienstag meldete. Das Königreich halte an seiner Position fest, dass der Golan besetztes syrisch-arabisches Gebiet sei. Die US-Entscheidung stelle einen offenen Verstoß gegen die UNO-Charta und die Prinzipien des internationalen Rechts dar, hieß es.

Auch Bahrains Außenministerium kritisierte, dieser Schritte könne die Bemühungen behindern, einen dauerhaften Frieden im Nahen Osten zu erreichen, wie die staatliche Agentur BNA meldete. Saudi-Arabien und Bahrain gehören zu den engsten Verbündeten der USA in der Region. Medienberichten zufolge hatte es in den vergangenen Monaten hinter den Kulissen auch eine Annäherung zwischen den Golfstaaten und Israel gegeben.

Russland warnt vor Verschärfung in der Region

Auch aus Russland kam scharfe Kritik. Nach dieser Entscheidung drohten nun neue Spannungen in der Region, teilte das russische Außenministerium in Moskau mit. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe in einem Telefonat mit seinem US-Kollegen Mike Pompeo vor einer „schweren Verletzung des internationalen Rechts“ gewarnt. Zugleich sagte Lawrow laut der Mitteilung seines Ministeriums, dass diese Entscheidung auch die Lösung des Konflikts in Syrien behindere und die Lage in der Region insgesamt verschärfe.

Angriffe auf den Gazastreifen

Israel flog am Montag Vergeltungsschläge im Gazastreifen. Zuvor hatte eine Rakete ein Haus in Israel getroffen (Quelle: Reuters).

Netanjahu sollte sich ursprünglich vier Tage lang in den USA aufhalten. Er verkürzte aber seine Reise und und wollte nach dem Treffen mit Trump nach Israel zurückkehren. Der Grund war die militärische Eskalation, nachdem eine Rakete aus dem Gazastreifen noröstlich von Tel Aviv ein Haus getroffen und mehrere Menschen teils schwer verletzt hatte. Die israelische Armee hatte kurz vor Netanjahus Besuch bei Trump mit Vergeltungsschlägen begonnen. Ziel seien „Terrorziele“ der im Gazastreifen herrschenden Hamas gewesen, wie die Armee mitteilte.

Büro von Hamas-Chef angegriffen

Militärangaben zufolge wurde das Büro von Ismail Hanija angegriffen, dem Chef der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas. Israelische Kampfjets hätten Raketen auf sein Hauptquartier in der Stadt Gaza abgefeuert, berichteten auch palästinensische Medien. Das Gebäude sei dabei vollkommen zerstört worden. Es gab keine Berichte zu möglichen Verletzten. Zuvor waren zwei weitere Gebäude der Hamas in Gaza bei Luftangriffen zerstört worden.

Einige Stunden zuvor hatte eine Rakete aus Rafah in einer Gemeinschaftssiedlung nördlich von Tel Aviv eingeschlagen. Bei dem Angriff waren sieben Menschen, darunter auch Kinder, verletzt worden. Netanjahu hatte daraufhin Vergeltung angekündigt.

Inspektion eines von einer Rakete zerstörten Hauses im israelischen Dorf Mishmeret nördlich von Tel Aviv
APA/AFP/Jack Guez
Zerstörung in Mischmeret: Eine Rakete hatte ein ziviles Haus nördlich von Tel Aviv getroffen

Hamas verkündet einseitig Waffenruhe

Für Israel trägt die Hamas die Verantwortung für den Beschuss. „Es gab hier einen bösartigen Angriff auf den Staat Israel, und wir werden mit Nachdruck reagieren“, sagte Netanjahu dazu. Israel will nun zwei Brigaden – Infanterie und Panzer – in die Nähe des Palästinensergebiets verlegen und ordnete die Schließung der Grenzübergänge in den Gazastreifen und die Einschränkung der Fischereizone vor der Küste an.

Die Hamas hatte die Verantwortung für den Raketenbeschuss zuvor zurückgewiesen: „Niemand von den Widerstandsbewegungen, die Hamas eingeschlossen, hat ein Interesse daran, Raketen aus dem Gazastreifen auf den Feind abzufeuern“, sagte ein Hamas-Vertreter der Nachrichtenagentur AFP. Die Hamas habe kein Interesse an einer Konfrontation mit Israel. Später verkündete die Hamas eine Waffenruhe mit Israel. Ägypten sei mit seinen Bemühungen um eine Feuerpause erfolgreich gewesen, sagte ein Sprecher. Israel ließ die Äußerungen bis jetzt unkommentiert.

Israel: Terrorziele beschossen

Die Gewalt dauerte allerdings auch in der Nacht auf Dienstag an. Die israelische Armee sagte Dienstagfrüh, seit 22.00 Uhr seien aus dem Palästinensergebiet 30 Raketen oder Mörsergranaten abgefeuert worden. Die Armee teilte weiters mit, in der Nacht auf Dienstag seien rund 15 „Terrorziele“ im nördlichen Gazastreifen beschossen worden, darunter zwei militärische Anlagen. Außerdem griffen israelische Panzer und Kampfhubschrauber Hamas-Posten in dem Küstenstreifen an.

Angriff als Wahlkampfthema

Die Geschehnisse wurden in Israel auch prompt zum Wahlkampfthema. Am Montag warfen Vertreter des rechten Lagers und der Opposition Netanjahu vor, er gehe nicht hart genug gegen die Hamas vor. Nun ist die Sorge groß vor einer neuen Eskalation im Nahost-Konflikt. Erst am 14. März waren zwei Raketen vom Gazastreifen in Richtung Tel Aviv abgefeuert worden. Opfer oder Schäden gab es nicht. Israel reagierte darauf und auf weitere Raketenangriffe nach eigenen Angaben mit der Bombardierung von rund hundert Hamas-Zielen im Gazastreifen.