Arztin
Getty Images/Blend Images LLC/Jose Luis Pelaez Inc
Wahlärzte-Boom

Neue Statistik bestätigt Trend

Die Ärztekammer hat am Dienstag ihre Warnung vor einem Ärztemangel mit neuen Zahlen bekräftigt. Präsident Thomas Szekeres forderte als Konsequenz österreichweit zusätzlich 1.300 Kassenstellen. Von der Politik forderte er, das Sozialversicherungssystem so zu finanzieren, dass eine flächendeckende Versorgung auch am Land gewährleistet und die Institution Hausarzt nicht gefährdet werde.

In diesem Zusammenhang wies Szekeres auf die neu präsentierte Ärztestatistik hin, wonach sich die Zahl der Wahlärzte seit dem Jahr 2000 auf 10.099 mehr als verdoppelt hat, wobei mehr als 7.000 davon Fachärzte sind. Dazu kommt, dass mit Stand Ende 2018 österreichweit 129 Kassenstellen unbesetzt waren – 68 Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner und 61 Fachärztinnen und Fachärzte.

Seit rund zehn Jahren gibt es mehr Wahl- als Kassenärzte. Szekeres beklagte, dass die Wartezeiten bei den Kassenärzten immer länger würden. Patientinnen und Patienten, die es sich leisten könnten, wichen immer häufiger zu Wahlärzten aus, viele könnten es sich aber nicht leisten, warnte der Präsident.

Grafik zu niedergelassenen Ärzten in Österreich
APA/ORF.at

Uneinigkeit bei Zählweise

Dass Österreich laut OECD-Statistik mit 5,25 Ärzten je 1.000 Einwohner nach Griechenland die zweithöchste Ärztedichte hat, ließ Szekeres nicht gelten. Wenn man die in Österreich mitgezählten Turnusärztinnen und -ärzte herausrechne, liege der Wert nur noch bei 4,34. Außerdem würden die Ärzte in Teilzeitbeschäftigung nicht mitgerechnet, auf Vollzeitäquivalente umgerechnet liege Österreich im Mittelfeld.

Der Hauptverband argumentiert wiederum stets, dass Ärzte in Ausbildung auch Ärzte seien. Die Zunahme an Wahlärzten wird mit einer großzügigen Zählung erklärt. Die meisten Wahlärzte und -ärztinnen würden einer Haupttätigkeit im Spital nachgehen und nur hin und wieder in ihrer Wahlarztpraxis arbeiten. Beim Hauptverband rechnet man daher nur einen Bruchteil der über 10.000 Wahlärzte und -ärztinnen als „versorgungswirksam“.

Frage der „Versorgungswirksamkeit“

Messe man nämlich die „Versorgungswirksamkeit“ von Wahlärzten an der gesamten ambulanten Versorgung nicht an der Anzahl der Ärzte und Ärztinnen, sondern daran, wie viele Patientinnen und Patienten sie versorgt haben, so entspreche das laut Hauptverband bloß 5,2 Prozent jener 10.099.

Ende Dezember arbeiteten in Österreich 7.099 Ärzte mit einem Vertrag einer Gebietskrankenkasse und zusätzlich 1.089 Mediziner mit einem Vertrag kleinerer Kassen oder Krankenfürsorgeanstalten (KFA). Laut Ärztestatistik waren mit Ende Dezember 2018 46.337 Ärztinnen und Ärzte registriert – auf Vollzeitäquivalente umgerechnet 39.110. Davon sind 23.246 Fachärzte, 14.805 Allgemeinmediziner und 8.085 Turnusärzte.

Knapp ein Drittel ist über 55

Verschärft wird die Situation durch die Altersstruktur der Ärzte. Der Anteil der über 55-Jährigen ist bereits auf 29,7 Prozent gestiegen. Das bedeutet, dass mehr als 14.500 Ärzte in den nächsten zehn Jahren in Pension gehen werden, wenn sie bis 65 arbeiten. Nicht berücksichtigt ist dabei, dass Frauen typischerweise früher in Pension gehen.

Szekeres machte auch darauf aufmerksam, dass gleichzeitig nicht genug junge Ärztinnen und Ärzte nachkommen. Nur sechs von zehn Absolventinnen und Absolventen beginnen auch tatsächlich in Österreich als Ärzte zu arbeiten. Das liegt nach Ansicht des Präsidenten an den Rahmenbedingungen. Wenn mehr Absolventen in Österreich bleiben würden, müsste die Studierendenzahl nicht erhöht werden.

Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie gefordert

Auch berücksichtigt in der neuen Ärztestatistik ist der Umstand, dass unter allen Ärzten Männer (24.275 gegenüber 22.062 Frauen) zwar noch in der Mehrheit sind, bei den Allgemeinmedizinern (8.661 zu 6.144) und bei den Turnusärzten (4.393 zu 3.692) sind die Frauen hingegen schon in der Mehrheit.

Szekeres betonte dazu, dass man die Versorgungswirksamkeit nicht nur an der Kopfzahl der Ärztinnen und Ärzte festmachen könne, weil es viele Teilzeitkräfte gebe. Er forderte bessere Möglichkeiten für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Frauen mit Kassenvertrag sollten etwa leichter in Karenz gehen können. Außerdem wünscht sich Szekeres, dass sich zwei Ärzte auch einen Kassenvertrag teilen können.

Neue Stellen für Wien „guter Ansatz“

Von den österreichweit von Szekeres geforderten 1.300 Kassenstellen sollen 300 unmittelbar auf die Hauptstadt entfallen. Dass Wien mit dem zwischen der Stadt und der Wiener Gebietskrankenkasse vereinbarten „regionalen Strukturplan“ bis 2025 insgesamt 393 neue Ärzte, davon mindestens 245 im niedergelassenen Bereich, zusätzlich bekommen soll, findet Szekeres einen „guten Ansatz“.

Man habe erkannt, dass Wien in einer besonderen Situation sei und mehr Ärzte brauche, zeigte sich Szekeres, der auch Wiener Ärztekammer-Präsident ist, zufrieden. Gleichzeitig mahnte er aber auch, dass diese zusätzlichen Stellen auch finanziert werden müssen.

Patientenmilliarde sofort und budgetfinanziert

Die von der Regierung versprochene Patientenmilliarde wünscht sich Szekeres sofort und aus dem Budget finanziert. Er befürchtet nämlich, dass sie nicht aus den erhofften Einsparungen durch die Fusion der Krankenkassen kommen kann, weil diese zunächst mehr Geld kosten werde.