EU-Parlamentarier
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Nach Abstimmung im EU-Parlament

Keine Einigkeit nach Ja zu Copyrightreform

Die Urheberrechtsreform bleibt auch nach dem Ja des EU-Parlaments umstritten. Befürworter zeigten sich nach dem Votum erfreut, Kritiker befürchten tiefgreifende Änderungen am Alltag im Netz. Die Reform muss nun als Nächstes von den Mitgliedsstaaten abgesegnet werden, das gilt jedoch nur noch als Formalakt. Offen ist jedoch, wie die Reform von den Staaten letztlich umgesetzt wird.

Die EU-Kommission begrüßte den Beschluss. Das Votum garantiere die „richtige Balance“ zwischen den Interessen aller Akteure. CDU-Politiker und Berichterstatter Axel Voss wertete die Zustimmung als „Sieg für die Demokratie“. Auch Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) zeigte sich zufrieden: „Europa muss auf Augenhöhe im Wettbewerb mit den Onlinegiganten kommen. Dazu ist die Herstellung gleicher Rahmenbedingungen Grundvoraussetzung.“

Die Gegner der Reform übten unterdessen scharfe Kritik. Piraten-Abgeordnete Julia Reda, die als schärfste Gegnerin des Vorhabens gilt, sprach auf Twitter von einem schwarzen Tag für die Netzfreiheit. Der SPD-Europapolitiker Tiemo Wölken, ebenfalls prominenter Gegner von Teilen der Reform, sagte: „Die Parlamentsmehrheit ignoriert die Stimmen Hunderttausender junger Menschen.“

ÖVP-Abgeordnete geschlossen für Reform

Zu Mittag wurde im EU-Parlament über das Vorhaben abgestimmt, letztlich entschlossen sich 348 Abgeordnete für die Reform, 274 stimmten dagegen. Kurz zuvor wurde auch die Möglichkeit für Änderungsanträge im Plenum abgelehnt.

Die österreichischen ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament stimmten geschlossen für die Reform. Die Abgeordneten der SPÖ mit Ausnahme der verletzungsbedingt abwesenden Karin Kadenbach entschieden sich gegen die Reform. Auch die Abgeordneten der Grünen und von NEOS stimmten gegen die Copyright-Erneuerung. Die FPÖ-Abgeordneten enthielten sich der Stimme – kurz zuvor entschieden sie sich jedoch für die Abhaltung eines Votums über Änderungsanträge.

Entsprechend auseinander gingen auch die Reaktionen aus der heimischen Politik. SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner bezeichnete das Votum als „traurigen Tag für das Internet“. Argumente der Kritiker, „dass die Freiheit des Internets durch die neue EU-Richtlinie in Gefahr sei, sind falsch“, sagte hingegen ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. NEOS, Jetzt und Grüne wiederum kritisierten den Beschluss und sehen das „freie Internet“ bedroht.

Franz Medwenitsch, Geschäftsführer des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft, sprach von einer „richtungsweisenden Entscheidung“. „Kreative und Kunstschaffende haben einen Anspruch auf Entlohnung ihrer Leistung, wenn die großen Internetkonzerne ihre Inhalte nutzen. Die Copyrightrichtlinie ist ausgewogen und fair, neben den Kreativen stärkt sie auch die Rechte der User.“ Medwenitsch sprach von einem „guten Tag für die europäischen Kreativen“ und von einer wohl überlegten Entscheidung des EU-Parlaments.

EU-Abgeordneter Axel Voss
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Voss verteidigte vor der Abstimmung die Reform im EU-Parlament

Gegner riefen zu Spontandemos auf

Abseits der Politik riefen die Gegner der Reform zu spontanen Demonstrationen auf. Wie die Kampagne Save the Internet am Dienstag auf Twitter mitteilte, soll es in mehreren deutschen Städten am Abend Kundgebungen geben. Bereits am Wochenende waren Zehntausende vorwiegend junge Menschen auf die Straße gegangen – Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmern gab es auch in Österreich.

Positiv äußerten sich unterdessen heimische Interessenvertreter über das Ergebnis des Votums. Man freue sich über die „richtungsweisende Entscheidung“, hieß es etwa vom Musikwirtschaftsverband IFPI. Die heimischen Internetprovider sehen hingegen angesichts dieser „katastrophalen Urheberrechtsreform“ der Zensur Tür und Tor geöffnet. Die NGO epicenter.works sieht die „Meinungsfreiheit der Europäerinnen und Europäer bedroht“.

Deutsche CDU will Upload-Filter nicht umsetzen

Größter Streitpunkt war Artikel 17 – vormals Artikel 13 – der Reform, der Internetplattformen für hochgeladene Inhalte stärker in die Pflicht nimmt. Diese müssen sicherstellen, dass kein urheberrechtlich geschütztes Material ohne Lizenz zur Verfügung gestellt wird – in der Praxis dürften damit Upload-Filter, die solche Inhalte automatisiert filtern, unumgänglich sein. Auch das Leistungsschutzrecht wurde überarbeitet. Dieses sieht vor, dass Verlage von Anbietern wie Google vergütet werden, wenn diese Ausschnitte aus Artikeln anzeigen.

Korrespondent Tim Cupal zum EU-Copyright

Was sich durch die Urheberrechtsreform in Zukunft ändert, erklärt ORF-Korrespondent Tim Cupal aus Straßburg.

In Deutschland erteilte die CDU den Upload-Filtern im Anschluss an die Abstimmung jedoch eine Abfuhr – obwohl die Europaabgeordneten der Partei großteils für die Reform stimmten. „Eine Absicherung von Urheberrechten darf nicht dazu führen, dass das freie Internet eingeschränkt (…) wird, dass damit Einschränkungen für die freie Meinungsäußerung verbunden sind“, hieß es vonseiten der Partei. Bei der Umsetzung in Deutschland wolle man dafür Sorge tragen, dass es nicht zu Upload-Filtern und den befürchteten Einschränkungen der Meinungsfreiheit komme.

Aufregung über angeblichen Deal Paris – Berlin

Vor der Abstimmung gab es am Vormittag noch eine hitzige Debatte. Berichterstatter Voss warb für die Reform und warf YouTube und Co. vor, „Governance by Shitstorm“ zu betreiben und gerade jüngere Bevölkerungsgruppen in der Debatte zu instrumentalisieren. Die Reform betreffe nur große Plattformen, die „viel Geld“ verdienen, so Voss. Es werde keine „Zensur“ geben.

Das Europäische Parlament
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Vor der Abstimmung wurde am Dienstag vor dem Parlament in Straßburg Stimmung für die Reform gemacht

Die Piratin Reda verwies unterdessen auf einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ („FAZ“) über einen möglichen Tauschhandel zwischen Deutschland und Frankreich: Berlin soll die von Paris gewünschte Reform des Urheberrechts unterstützt haben. Im Gegenzug soll Frankreich zugesagt haben, Deutschland beim Streit über die Gaspipeline „Nord Stream 2“ zu unterstützen.

Europäischer Rat muss noch zustimmen

Als Nächstes muss noch im Europäischen Rat die Einigung bestätigt werden, als möglicher Termin dafür gilt der 9. April. Das gilt jedoch nur noch als Formsache – denn die EU-Staaten haben die Reform bereits im Februar abgesegnet. An der Richtlinie war unter heftigem Lobbying beider Seiten rund drei Jahre lang gearbeitet worden.

Anschließend haben die EU-Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, die Urheberrechtsreform umzusetzen. Dabei könnte es noch gewissen Spielraum innerhalb der einzelnen Länder geben, der Rahmen für das künftige Copyright ist mit der Entscheidung nun aber festgelegt. Damit dürfte sich auch die Kontroverse um automatische Filterung, die das EU-Parlament entzweit hat, nun auf die jeweils nationale Ebene verlagern – mehr dazu in fm4.ORF.at.