Innenministerium
ORF.at/Dominique Hammer
Rechtsextreme Identitäre

Auflösung rechtlich schwierig

Die Geldspende des späteren Attentäters von Christchurch an die rechtsextremen Identitären ist nun auch für die Regierung Thema. Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) kündigten an, dass das Innenministerium die Auflösung des Vereins prüfen werde. Rechtsexperten zeigen sich unisono skeptisch. Tenor: Eine Auflösung sei rechtlich schwierig.

Die Vereinigungsfreiheit sei in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert, sie stehe in Österreich im Verfassungsrang, so Vereinsrechtsexperte Maximilian Kralik. „Daher ist jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit gleichzeitig auch ein Grundrechtseingriff“, sagte Kralik im Ö1-Mittagsjournal.

Ein Verein könne dann aufgelöst werden, wenn er gegen Strafgesetze verstößt oder wenn er seinen statutenmäßigen Wirkungskreis überschreitet. Die bloße Tatsache, dass das Rechtsextremen-Sprachrohr Martin Sellner eine Spende vom Christchurch-Attentäter erhalten habe, erfülle noch nicht den Auflösungstatbestand. Eingetragen sind die österreichischen Identitären als „Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität“ mit Sitz in Graz.

Vereinsauflösung, „wenn es die Gesetze hergeben"

Eine Auflösung der rechtsextremen Organisation sei keine Entscheidung der Politik, sondern der Behörden, sagte Kurz nach dem Ministerrat. Man könne eine finanzielle Unterstützung und somit Verbindung des Attentäters mit den Identitären bestätigen, so Kurz. Eine Vereinsauflösung werde es geben, „wenn es die Gesetze hergeben“. Strache distanzierte sich klar von der Bewegung.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) habe natürlich seine Arbeit schon aufgenommen, sagte Kurz auf die Journalistenfrage, ob das BVT (das derzeit im Fokus eines U-Ausschusses steht) überhaupt handlungsfähig sei. Es seien im BVT Veränderungen vorgesehen, darunter eine Berichtspflicht an Kanzler und Vizekanzler – das wolle man nun zügig umsetzen. Auch eine angedachte Anti-Extremismus-Stelle in Österreich soll nun schnell vorangetrieben werden.

Terroristische Vereinigung oder Vernetzung?

Für die Prüfung der Vereinsauflösung der rechtsextremen Identitären ist das Innenministerium zuständig, und zwar „im Rahmen des Rechtsstaates“, wie Kurz sagte. Es werde geprüft, ob eine terroristische Vereinigung vorliege, es gebe Ermittlungen gegen den Chef der Rechtsextremen und dazu, ob es weitere Kontakte zwischen dem Neuseeland-Attentäter und österreichischen Staatsbürgern gegeben habe.

Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache
APA/Hans Punz
Kurz und Strache nach dem Ministerrat am Mittwoch

Wie Verfassungsjurist Heinz Mayer gegenüber dem „Standard“ erklärte, sei im Vereinsgesetz festgehalten, dass Vereine aufgelöst werden können, wenn gegen Strafgesetze verstoßen werde. Dafür müsste sich der Verein aber mit einer gewalttätigen Gruppe vernetzt haben oder Ähnliches, jedenfalls mehr, als eine finanzielle Zuwendung erhalten haben, wird Mayer im „Standard“ zitiert. Prüfen könne man aber etwa auch, ob die Identitären durch ihr Auftreten bzw. den Kontakt mit Neonazis dem Verbotsgesetz zuwidergehandelt haben, so der Jurist.

Auch Funk sieht Hürden

Ein Verein kann aufgelöst werden, wenn sein Zweck gegen ein Strafgesetz verstößt, so Verfassungs- und Verwaltungsjurist Bernd-Christian Funk gegenüber dem „Kurier“. „Stellt sich heraus, dass der Spendenverein (also die rechtsextremen Identitären, Anm.) Gelder einer terroristischen Vereinigung entgegengenommen hat, wäre das wohl ein Grund für die Auflösung“, wird Funk in der Zeitung zitiert.

Doch hat nicht der Spendenverein, sondern Sellner persönlich Geld vom späteren Attentäter erhalten. Ob es reicht, dass er als Obmann des Vereins fungiert, müsse man prüfen. Man könne den rechtsextremen Verein „indirekt erwischen, indem man mit den Mitteln des Strafrechts gegen Einzelpersonen vorgeht“, so Funk.

Kurz verweist auf Behörden

Kurz blieb grundsätzlicher: „Meiner Meinung nach sollte jedes radikale Gedankengut bekämpft werden“, so Kurz. Aber es gebe den Rechtsstaat, und wenn eine terroristische Vereinigung vorliege, „wird es natürlich Konsequenzen auf den Verein haben“.

Regierung für „schonungslose Aufklärung“

1.500 Euro hat der Attentäter von Christchurch an die rechtsextremen Identitären gespendet. Der Regierung fordert eine „schonungslose Aufklärung“.

Egal welche Art von Extremismus, „so was darf keinen Platz in unserem Land und in unserer Gesellschaft haben“. Es gebe „keine Toleranz für gefährliche Ideologien, ganz gleich, aus welcher Ecke sie kommen“. Man werde mit der „vollen Härte des Gesetzes“ gegen derartiges Gedankengut vorgehen. Es brauche Aufklärung, ob es hier „Machenschaften im Hintergrund“ gegeben habe.

Burschenschaftsauflösung wurde beendet

Schon einmal hat die Regierung prominent die Prüfung einer Vereinsauflösung bekanntgegeben: Damals ging es um die Burschenschaft Germania und den Skandal um rassistische und NS-verherrlichende Liedtexte. Das Auflösungsverfahren wurde aber schließlich eingestellt, die Staatsanwaltschaft hatte zuvor ihre Ermittlungen unter anderem wegen Verjährung beendet.

Strache sagte, dass jede österreichische Verbindung zu dem „bestialischen Attentäter“ von Christchurch „schonungslos aufgeklärt“ werden müsse. Es gebe „null Toleranz“. Justiz und Exekutive hätten rasch gehandelt, der Rechtsstaat funktioniere im Sinne einer Wachsamkeit gegenüber allen extremistischen Richtungen, egal ob links, rechts oder von einer Religionsgemeinschaft. Maßstab für eine Vereinsauflösung sei immer die geltende Rechtslage, so auch Strache. Der Rechtsstaat gelte für alle Bürger, deshalb seien die Ermittlungsergebnisse abzuwarten.

Strache: FPÖ „hat mit Identitären nichts zu tun“

Gefragt, ob er Verbindungen der FPÖ zu den rechtsextremen Identitären ausschließen könne, sagte Strache: „Die Freiheitliche Partei hat mit den Identitären nichts zu tun.“ Es sei auch klare Beschlusslage der Partei, dass jemand, der sich dort engagiere, „auch keinerlei Funktion in der FPÖ innehaben kann“. Freilich könne er nie ausschließen, wenn jemand zu ihm komme und ein gemeinsames Foto wolle, während er im Land unterwegs sei, sagte Strache. Er frage ja nicht jeden, der ein Selfie wolle, bei welchem Verein er tätig sei.

Strache verteidigt Lob für „friedlichen Aktionismus“

Auf die Frage, ob er es bereue, dass er in der Vergangenheit etwa ein Werbevideo der rechtsextremen Identitären auf seine Facebook-Seite gestellt und ihren „friedlichen Aktionismus“ gelobt hatte, verteidigte Strache seine damaligen Beiträge. Auf der Bewertungsgrundlage im Jahr 2016 habe es sich offensichtlich um eine Jugendbewegung als Gegenkultur zur politischen Linken gehandelt. Es obliege der Justiz zu bewerten, ob Verstöße gegen den Rechtsstaat vorliegen, und es sei „gut“, dass die Justiz ermittle. Er selbst habe wie auch seine Partei eine klare Position, so Strache: „Wer den Rechtsstaat nicht lebt, der hat auch mit Konsequenzen zu rechnen.“

Rechtsextreme gelassen

Vonseiten der Rechtsextremen sieht man die angekündigte Prüfung der Vereinsauflösung gelassen. „Wie schon in der Vergangenheit werden sich auch diesmal alle Vorwürfe als unwahr erweisen“, zeigte man sich in einer Aussendung überzeugt. Es solle nun offenbar „ein neuer Versuch der Kriminalisierung“ gestartet werden. Identitären-Sprachrohr Sellner sprach gegenüber Ö1 von einem „relativ hilflosen Versuch, auf diese Empörungsmaschinerie (…) zu reagieren“ – mehr dazu in oe1.ORF.at.

Attentäter tötete 50 Menschen

Nach Angaben des Innenministeriums ist der Tatverdächtige durch Österreich gereist. Laut Medienberichten war er im November 2018 möglicherweise auf den Spuren berühmter Schlachten. Auf einer seiner Waffen war der Name des Kommandanten Ernst Rüdiger von Starhemberg zu lesen, der die Stadt Wien während der zweiten Türkenbelagerung 1683 erfolgreich verteidigt hatte.

Bei dem Anschlag auf zwei Moscheen in Christchurch am 15. März waren während der Freitagsgebete 50 Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Der Tatverdächtige sitzt in Untersuchungshaft, ihm droht wegen vielfachen Mordes lebenslange Haft.