Reisende vor einem Zug
ORF.at/Lukas Krummholz
Nahtlos reisen

Die heimischen Hürden für GPS-Ticketing

Wer „Öffi“ fahren will, kann das so einfach wie nie zuvor machen: Man steigt ein und aus, das Ticket wird – via App auf dem eingesteckten Handy – automatisch abgerechnet. Allerdings geht das hierzulande derzeit nur in Vorarlberg. Auch wenn Pendlerinitiativen es fordern: Österreichweit wird das GPS-Ticketing sicher noch länger auf sich warten lassen.

Die Möglichkeit, einfach in ein öffentliches Verkehrsmittel einzusteigen, bei einer beliebigen Station auszusteigen, vom Bus in die Bahn umzusteigen und das auf jeder beliebigen Strecke, das ist in der Schweiz bereits Wirklichkeit. Und das ergibt auch Sinn in Zeiten, in denen für viele das Smartphone im Alltag längst die unentbehrliche Schaltzentrale ist – und klimaschonende Alternativen zum Auto immer wichtiger werden.

In Vorarlberg kann man immerhin innerhalb des landesweiten Verbunds ebenfalls nahtlos wechseln, ohne sich darum kümmern zu müssen, rechtzeitig das richtige Ticket zu lösen.

Frage des Lifestyles

Für den grünen Vorarlberger Verkehrslandesrat Johannes Rauch ist das eine logische und unausweichliche Entwicklung. Gegenüber ORF.at erklärt er die Entscheidung für ein GPS-Ticketing (oft auch „Check-in-Check-out“ genannt): „Die Grundüberlegung war, dass in der Zukunft immer mehr Dinge als bisher via Smartphone erledigt werden, daher müssen auch die Angebote des öffentlichen Verkehrs schnell und bequem sein.“ Mehr und mehr Menschen wickeln Dienstleistungen über einfach zu bedienende Plattformen ab, die das gesamte Service von Buchung bis Bezahlung anbieten. Airbnb und Uber sind hier nur zwei der international wohl prominentesten Marken.

Reisende auf dem Wiener Hauptbahnhof
ORF.at/Carina Kainz
In den Zug einsteigen, zu Fuß gehen, in den Bus einsteigen: Einmal nach rechts wischen könnte reichen

„Das muss die Zukunft werden“

Ganz ähnlich sehen das auch die Interessenverbände für Fahrgäste. Probahn und die Pendlerinitiative sprechen sich klar für ein solches System aus. Probahn beklagt generell, die vielen unterschiedlichen Tarife seien eine große Barriere. „Schon jetzt ist sichtbar, dass vereinfachte Ticketingsysteme zu mehr Fahrgästen – vor allem bei Pensionisten – führen.“

Sich nicht ständig um das richtige Ticket kümmern zu müssen sei längst überfällig, „das muss die Zukunft werden“. Das Ticketingsystem werde „immer komplizierter, die Schnäppchenpreise sind intransparent“. Die Kartenautomaten seien zudem für viele zu kompliziert, man müsse sich anstellen, und es passiere immer wieder, dass man deshalb den Zug verpasse.

„Thema mit Home-Office immer virulenter“

Franz Gosch von der Pendlerinitiative verweist darauf, dass mit GPS-Ticketing Zeitkarten für Teilzeitbeschäftigte, die nicht jeden Tag in die Arbeit pendeln, möglich wären. Die Forderung nach vergünstigten Zeitkarten – also nicht nur Wochen- und Monatskarten – werde von den Betreibern bisher mit dem Argument, diese seien nicht kontrollierbar, abgelehnt. GPS-Ticketing würde dieses Problem lösen, so Gosch. Er betont, das Thema „wird mit der zunehmenden Verbreitung von Home-Office noch virulenter werden“. Denn das politische Ziel sei ja eine Verringerung des Pendelverkehrs.

Laut Christian Gratzer vom Verkehrsclub Österreich (VCÖ) wäre die GPS-Funktion vor allem ein interessantes Angebot für all jene, die nicht täglich öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Viele würden es bleiben lassen, weil ihnen das Aussuchen und Kaufen der richtigen Karte zu kompliziert sei. Es wäre daher jedenfalls eine „gute Ergänzung“.

„Das Leben einfacher machen“

In die gleiche Kerbe schlägt Christian Hillbrand, Geschäftsführer des Verkehrsverbunds Vorarlberg (VVV). Die Einführung von GPS-Ticketing habe vor allem einen Grund: „Es macht das Leben einfacher.“ Für den Verkehrsverbund soll das GPS-Ticketing mittelfristig vor allem einen praktischen Vorteil haben: Buslenker sollen nicht mehr durch den Ticketverkauf aufgehalten und Verzögerungen im Fahrplan verringert werden. Außerdem möchte der VVV zumindest einen Teil der wartungsintensiven Automaten langfristig wegbekommen.

Das Feedback zur eigenen Ticketing-App „Fairtiq vmobil“ sei sehr gut. Seit der Einführung im September gab es laut Hillbrand eine monatliche Verdoppelung. Die App wurde mehr als 12.000-mal heruntergeladen. Bis zu 800 Fahrten täglich werden über die App gekauft. Das sind derzeit rund drei Prozent aller verkauften Tickets. Ab zehn Prozent erwartet Hillbrand einen spürbaren Effekt für Buslenker.

VVV wünscht sich Verbindung mit ÖBB

Hillbrand wünscht sich zudem, über die App des Verkehrsverbunds auch ÖBB-Tickets verkaufen zu können. Das würde den Servicecharakter für Vorarlberger Reisende nochmals schlagartig erhöhen. In der Schweiz ist das bereits Standard. Regionale Verkehrsverbünde und die Schweizer Bahn bieten in ihren „Check-in-Check-out“-Apps auch eine Abrechnung für die jeweils anderen verwendeten Verkehrsmittel ab. Weder Kartenkauf noch App-Wechsel sind damit beim Umsteigen vonnöten. Und Jahreskarten können in der App hinterlegt werden, sie werden bei der Verrechnung automatisch berücksichtigt.

In Vorarlberg bremsen da aber die ÖBB, die die Tickets wohl lieber selber verkaufen wollen – und bisher kein eigenes GPS-Ticketing haben, um ihrerseits die Kosten für Fahrten im Vorarlberger Verkehrsverbund abzurechnen.

Smartphone mit „Fairtiq“
ORF.at
Fairtiq ist ein Schweizer Anbieter, der das GPS-Ticketing auch für Vorarlberg macht

ÖBB arbeiten an Pilotversuch

Laut ÖBB gibt es Studien und Arbeitsgruppen, in denen ein österreichweites GPS-Ticketing überlegt wird. Zumindest ein Pilotversuch soll noch heuer starten. Die Verbundangebote könnten darin integriert werden – entsprechende Vereinbarungen gibt es aber bisher nicht.

Auf Nachfrage von ORF.at zeigt sich: In den fünf anderen regionalen Verkehrsverbünden gibt es derzeit keine konkreten Pläne für die Einführung von GPS-Ticketing. Die meisten haben andere Prioritäten. So verweist der Salzburger Verkehrsverbund etwa auf die 2020 geplante Einführung von Regionaltickets mit Netzkartenfunktion. Der größte Verbund, der VOR (Wien, Niederösterreich und Burgenland), verweist auf die eigene Ticket-App, in der Karten gekauft werden können.

Begründet wird die Zurückhaltung in puncto GPS-Ticketing unter anderem damit, dass die Technologie noch sehr jung sei, mit möglichen Datenschutzbedenken bei Kunden und mangelnder Transparenz bei der Abrechnung, da diese nachträglich und automatisiert via in der App hinterlegte Kreditkarte erfolgt. Mehr als 90 Prozent der Fahrten würden zudem innerhalb des Verbunds gemacht. Grundsätzlich lehnt eine mögliche gemeinsame GPS-Ticketing-Plattform aber niemand ab. Auch die private Westbahn kann sich eine Teilnahme vorstellen – so denn eine solche Plattform kommen sollte. Gespräche über eine mögliche gemeinsame Vertriebsplattform – ob GPS-Ticketing oder anders – gibt es, konkrete Ergebnisse sind aber nicht absehbar.

Quadratur des Kreises?

Das Österreich-Ticket scheiterte bisher an den – von Verbund zu Verbund – völlig unterschiedlichen Tarifen. Diese einheitlich zu gestalten ist politisch und wirtschaftlich heikel. Teilweise würden Tickets wohl auch teurer werden. Und die Anbieter fürchten Einnahmenverluste.

Für beide Gruppen attraktiver werden

Neue Bemühungen gibt es zudem auch, sich auf das seit vielen Jahren angekündigte Österreich-Ticket – also eine österreichweit gültige Netzkarte – zu einigen. Hier gibt es ebenfalls Arbeitsgruppen. Das Verkehrsministerium betonte zuletzt gegenüber ORF.at, dass sich das Ministerium schwerpunktmäßig darauf konzentriere und nicht auf eine gemeinsame GPS-Ticketing-Plattform.

Allerdings haben die Verkehrsverbünde teils sehr unterschiedliche Tarifangebote. Anders als das GPS-Ticketing wäre ein Österreich-Ticket vor allem für „Öffi“-Vielfahrerinnen und -fahrer interessant, wie VCÖ-Sprecher Gratzer sagt. Attraktive Angebote braucht es aber wohl für beide Gruppen. Und Gratzer betont: Beides „funktioniert nur, wenn das Öffi-Angebot attraktiv ist“.