Justin Trudeau
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Korruptionsaffäre

Telefonmitschnitt belastet Trudeau schwer

Ein halbes Jahr vor den Wahlen in Kanada droht die laufende Korruptions- und Schmiergeldaffäre nun zu einem ernsthaften Stolperstein für Premierminister Justin Trudeau zu werden. Mit einer Reihe von Dokumenten, darunter auch ein geheimer Telefonmitschnitt, will seine Ex-Justizministerin Jody Wilson-Raybould nun die Einmischung durch Trudeaus Büro in ihre Ermittlungen gegen den Baukonzern SNC-Lavalin belegen.

Fast ein Dutzend Regierungsvertreter hätten sie monatelang dazu gedrängt, die Ermittlungen fallen zu lassen, so die ehemalige Ministerin. Mit einer Reihe von E-Mails, SMS, einem Gedächtnisprotokoll und einem geheim aufgezeichneten, rund 18-minütigem Telefonmitschnitt will sie ihre Vorwürfe gegenüber der parlamentarischen Untersuchungskommission belegen.

In dem veröffentlichten Gespräch versucht der mittlerweile ebenfalls zurückgetretene Michael Wernick, einer der höchsten Staatsbeamten, Wilson-Raybould zu überzeugen, SNC-Lavalin aus dem Fokus zu nehmen, da der Konzern mit Abwanderung und dem Verlust von Arbeitsplätzen gedroht habe. Er gebe weiter, was der Premierminister dazu gesagt habe, so Wernick in der Aufnahme.

„Er ist in dieser ganz bestimmten Stimmung“

„Er ist ziemlich entschlossen“, so Wernick über die Position Trudeaus. Der Premierminister frage sich, warum es keine Vereinbarung zum Aufschub von Strafverfolgung gäbe, obwohl das Parlament die Möglichkeit dafür geschaffen habe. „Ich glaube, er wird einen Weg finden, so oder anders“, ist Wernick auf der Aufnahme zu hören. Trudeau sei „in dieser ganz bestimmten Stimmung“.

Kanadische Premierminister Justin Trudeau und die Ministerin Jodie Wilson-Raybould
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Kurz vor ihrem Rücktritt: Jody Wilson-Raybould mit Premierminister Justin Trudeau

Sie habe das Gespräch ohne das Wissen Wernicks aufgezeichnet, gibt Wilson-Raybould zu, habe aber nicht vorgehabt, es zu veröffentlichen. Allerdings hätte sie angesichts der Brisanz Angst gehabt, wichtige Inhalte nicht richtig zu notieren.

Libysche Aufträge durch Bestechung?

Der Fall hat in Kanada für eine Regierungskrise gesorgt. Enge Vertraute Trudeaus sollen Wilson-Raybould gedrängt haben, SNC-Lavalin vor einem Bestechungsskandal zu schützen. Gegen den kanadischen Baukonzern laufen Korruptionsermittlungen. Er soll zwischen 2001 und 2011 während der Herrschaft des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi Vertreter des nordafrikanischen Staates bestochen haben, um sich Aufträge zu sichern. 2015 wurde der Konzern wegen Korruption angeklagt, der Prozess hat noch nicht begonnen.

Im Februar sagte Wilson-Raybould vor einem Parlamentsausschuss aus, es habe unterschwellige „Drohungen“ gegeben. Von September bis Dezember 2018 sei sie von Regierungsvertretern „verfolgt“ worden, um die Staatsanwaltschaft von einer außergerichtlichen Einigung zu überzeugen.

Serie von Rücktritten Anfang des Jahres

Die Justizministerin wurde im Jänner an die Spitze des Veteranenministeriums versetzt und trat im Februar schließlich zurück. Wenige Tage später trat auch Trudeaus langjähriger Freund und Berater Gerry Butts zurück. Kurz darauf folgte der Rücktritt von Haushaltsministerin Jane Philpott, die ihren Schritt mit dem Umgang der Regierung mit dem Fall begründete.

Premier Trudeau räumte zwar wiederholt ein, er habe mit Wilson-Raybould mögliche Auswirkungen des Falles auf Arbeitsplätze in seinem Wahlkreis in Montreal diskutiert, diese Äußerung sei aber „in ihrem Wesen nicht voreingenommen“ gewesen. Er habe seiner früheren Justizministerin gegenüber immer deutlich gemacht, dass der Umgang mit SNC-Lavalin „allein ihre“ Entscheidung sei.

Trudeau sieht sich unschuldig, gelobt aber Besserung

Er habe während der Ermittlungen gegen den Baukonzern SNC-Lavalin „keinen unangemessenen Druck“ ausgeübt. Nun habe er „viele Lektionen“ durch den Fall gelernt und hätte „viele Dinge“ anders machen sollen, gestand der Regierungschef gleichzeitig ein. So sei er sich des Vertrauensverlusts zwischen seinem Büro und Wilson-Raybould nicht bewusst gewesen. „Als Premierminister hätte ich das aber sein müssen“, sagte er und versprach, es „das nächste Mal besser“ machen zu wollen. Allerdings habe die Justizministerin ihre Bedenken auch deutlicher mitteilen müssen.