Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT)
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BVT im Berner Club

Neuer Zündstoff in Staatsschutzaffäre

Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) ist international offenbar weiterhin isoliert. BVT-Direktor Peter Gridling sagte am Montag, dass der Staatsschutz noch immer nicht in den Arbeitsgruppen des Berner Clubs vertreten ist. Die Aussage könnte auch im Nationalen Sicherheitsrat, der am Abend tagt, thematisiert werden. Denn im November hörte sich alles noch ganz anders an.

Der Berner Club ist ein informelles Vernetzungsgremium, das aus den Chefs der Inlandsnachrichtendienste der 28 EU-Staaten sowie einiger weiterer Länder besteht. In der Gruppe wird vor allem über Fragen und Ermittlungen in Zusammenhang mit der Terrorismusbekämpfung gesprochen. Dass Österreich nach der Hausdurchsuchung im BVT kurz vor einer Suspendierung stand, stellten alle Beteiligten in Abrede. Das BVT habe sich im Frühjahr 2018 aus den Arbeitsgruppen des Clubs „freiwillig“, wie alle Verantwortlichen betonten, zurückgezogen.

Am 6. November 2018 hatte dann die Generaldirektorin für die öffentliche Sicherheit, Michaela Kardeis, via Pressemitteilung erklärt, dass das BVT „seit Herbst dieses Jahres wieder am Clubgeschehen“ teilnehme. Am 7. November 2018 sagte Gridling im BVT-U-Ausschuss, der unter anderem die rechtswidrige Hausdurchsuchung im BVT untersucht, dass man die „volle Mitarbeit im Club mit Oktober wieder aufgenommen“ habe. Deshalb war Gridlings Aussage am Montag doch etwas überraschend. Man habe im Herbst den Rückzug aus den Arbeitsgruppen des Berner Clubs verlängert.

Finnisches Papier: „Except Austria“

Grund dafür sei ein Papier, das der Wiener „Falter“ veröffentlicht hatte und das bereits zuvor im U-Ausschuss thematisiert worden war, gewesen. Denn die Veröffentlichung sei „negativ für die vollständige Teilnahme“, sagte der BVT-Direktor, der aber auch versicherte, dass Österreich weiter Berner-Club-Mitglied sei. Es gebe auch weiterhin einen Informationsaustausch, „aber es obliegt jedem Mitglied, wie weit es mit anderen Mitgliedern zusammenarbeitet“.

BVT-Chef Peter Gridling
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BVT-Direktor Peter Gridling war bereits zweimal im BVT-U-Ausschuss als Auskunftsperson zu Gast

In dem Papier, das direkt aus dem Club stammt, ersucht der finnische Geheimdienst seine Partner um Hilfe bei Ermittlungen gegen russische Spione. Die Finnen schlossen Österreich bei dieser Anfrage mit dem Zusatz „except Austria“ aber explizit aus. Grund dafür soll die Nähe der FPÖ zu Russland sein. Bereits seit Start des U-Ausschusses im September vergangenen Jahres ist von einem möglichen Ausschluss Österreichs aus dem Berner Club die Rede. Das Schreiben der finnischen Behörden erwähnte etwa die BVT-Extremismusleiterin Sybille G.

„Vertrauensbildende Maßnahme“

Gridling berichtete am Montag, dass eine Suspendierung Österreichs aus dem Club durch „vertrauensbildende Maßnahmen“ abgewendet worden sei – durch den Rückzug aus den Arbeitsgruppen. Verantwortlich für diese Maßnahme war BVT-Vizechef Dominik Fasching, der vorübergehend Gridling (er war suspendiert) vertrat. Fasching wollte eigenen Angaben zufolge mit dem Rückzug aus den Arbeitsgruppen die „BVT-Arbeitsfähigkeit“ aufrechterhalten, „sprich: nicht von Informationen abgeschlossen zu sein“, so Fasching im U-Ausschuss Anfang November.

Brisante Zeugenaussagen von BVT-Chef

Bei einem Prozess zwischen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) und den Jetzt-Abgeordneten Peter Pilz ist am Montag BVT-Chef Peter Gridling als Zeuge erschienen. Dabei sagte er, dass das BVT nach wie vor nicht in den Arbeitsgruppen des Berner Clubs vertreten ist.

Der BVT-Vizechef bejahte übrigens im Ausschuss die Frage, ob andere Dienste Befürchtungen gehabt hätten, dass „nachrichtendienstliche Erkenntnisse“ an die „Falschen“ weitergegeben werden könnten. Wer diese Sorge geäußert hatte, verriet Fasching nicht. Allerdings sagte er, dass es „westliche Dienste“ sein müssten. Weitere Fragen zum Berner Club wurden unter Ausschluss der Medien gestellt. Nur bei Themen, die bereits veröffentlicht wurden, durften Medien anwesend sein.

Für das Innenministerium ist die Causa freilich heikel. Am Montag teilte man via Presseaussendung mit, dass etwaige „Spekulationen“ das „Vertrauen in Österreichs Sicherheitsbehörden“ nicht stärken. „Die permanenten Wiederholungen und Spekulationen wirken eher kontraproduktiv“, wird BVT-Chef Gridling zitiert. Außerdem sei das BVT weiterhin Teil des europäischen Sicherheitsverbandes. „Das zeigt sich klar anhand von Ermittlungs- und Fahndungserfolgen, wie man beispielsweise erst letzte Woche sehen konnte.“

Kickl-Prozess gegen Jetzt

Am Montag war Gridling als Zeuge vor dem Handelsgericht in dem von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) angestrebten Prozess gegen Jetzt geladen. Kickl klagte Jetzt (ehemals Liste Pilz) auf Unterlassung, weil sie ihn als „Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ bezeichnet hatte. Peter Pilz (Jetzt) wertete Gridlings Aussage als faktischen Rausschmiss aus dem Berner Club: „Wir sind draußen. Europäische Partnerdienste sehen Österreich als Sicherheitslücke in Richtung Rechtsextreme und Russland. Wir sind blind und taub. Wir sind vollkommen isoliert.“

Wie Pilz forderte auch die SPÖ den Rücktritt von Kickl. „Herr Bundeskanzler, worauf warten Sie? Kickl ist eine Gefahr für die nationale Sicherheit. Wenn er nicht freiwillig geht, ist es Ihre Verantwortung, ihn aus seiner Funktion zu entlassen“, sagte der SPÖ-Abgeordente Kai Jan Krainer. Jeder Tag, den Kickl länger im Amt ist, sei ein Tag mehr, an dem die Sicherheit Österreichs gefährdet sei.

Nationalratsabgeordneter Peter Pilz (Jetzt) und Anwalt Niki Haas
APA/Herbert Neubauer
Peter Pilz (r.) ist mit einer Klage von Innenminister Kickl konfrontiert

Pilz, der für Jetzt am Montag vor Gericht erschien, sagte, er könne angesichts der aktuellen Entwicklungen die Aussage gegen Kickl nicht zurücknehmen. Er müsse sie vielmehr erweitern. Kickl sei nicht nur eine Gefahr, sondern „die größte Gefahr“, und das nicht nur für Österreich, „sondern für ganz Europa“, sagte Pilz. Kickl selbst war zu dieser zweiten Verhandlung nicht erschienen. Sein Anwalt Niki Haas zeigte sich mit dem Verlauf des Prozesses zufrieden und von einem erfolgreichen Ausgang überzeugt. Das Urteil ist am Montag noch nicht gefallen, es wird schriftlich ergehen.