Eindruck aus dem Museum Kiasma
ORF.at/Simon Hadler
Pflanzenkunst

Helsinki grüßt die Venedig-Biennale

Die nordischen Länder teilen sich einen Pavillon bei der Biennale von Venedig. Damit nicht jeder nur drei Kunstwerke ausstellen kann, gibt es ein jährliches Rotationsprinzip. Heuer ist Finnland dran – und hat große Pläne.

Das Konzept der Ausstellung ist jenem von Alma Heikkilä im Nationalmuseum Kiasma nicht ganz unähnlich – und das Kiasma hat die nordische Leistungsschau in Venedig auch kuratiert. Es geht hier wie dort um die Beziehung des Menschen zu anderen Organismen und um gegenseitige Abhängigkeiten. Der Titel lautet „Nordic Pavilion – Weather Report: Forecasting Future“. Die Biennale läuft von 11. Mai bis 24. November.

Ane Graff, Maria Teeri, Janne Nabb, Ingela Ihrman, Leevi Haapala und Piia Oksanen haben als Künstlerinnen und Künstler bzw. Kuratorinnen und Kuratoren vor allem versucht, mit den vorhandenen Räumlichkeiten in Konversation zu treten. Der Raum, der für den nordischen Pavillon traditionell zur Verfügung steht – übrigens in direkter Nachbarschaft zum österreichischen –, ist an seiner gesamten Front nach außen hin bis auf eine Glasfläche offen.

Verwenden, was man vorfindet

Deshalb will das Künstlerkollektiv nabbteeri, passend zum Thema, die Natur, das Draußen, in die Ausstellung drinnen integrieren. Ein beachtlicher Komposthaufen wurde bereits angelegt – nicht ohne Naserümpfen der Nachbarn, und lebende Skulpturen sollen folgen. Nabbteeri sind einerseits Last-Minute-Künstler, andererseits auf Langsamkeit bedacht. Denn sie schaffen ihre Kunstwerke immer erst am Ort der Ausstellung, studieren dann aber örtliche, traditionelle künstlerische Praktiken ein und arbeiten neben Mikroorganismen mit an Ort und Stelle vorhandenen Materialien – von Sperrmüll über Pflanzen bis hin zu Screens.

Fotostrecke mit 7 Bildern

Ane Graff, Maria Teeri, Janne Nabb, Ingela Ihrman, Leevi Haapala und Piia Oksanen
Finnish National Gallery/Pirje Mykkänen
(V. l. n. r.) Ane Graff, Maria Teeri, Janne Nabb, Ingela Ihrman, Leevi Haapala, and Piia Oksanen
Kunst von Ane Graff
RH studio
Ane Graff, Untitled, 2018 – eine kunstvoll überwucherte Tiefseekoralle
Kunst von Ane Graff
RH studio
Ane Graff, „Mattering Waves( )3“, 2017 und „Regolith Imagery“, 2017
Installation von Ingela Ihrman
Nevena Cvijetić
Ingela Ihrman, „The Dog Rose“, 2007: Pflanzenkostüm für Performances
Installation von Ingela Ihrman
Jean-Baptiste Beranger
Angela Ihrman, „The Giant Hogweed“, 2016; imposante Pflanzenskulpturen für den nordischen Biennale-Pavillon
Installation von nabbteeri
nabbteeri
nabbteeri, „mesh/mɛʃ/“, 2015; die Künstler arbeiten nicht zuletzt mit Sperrmüll
Installation von nabbteeri
nabbteeri
nabbteeri, „Ethnographies of a homespun spinelessness cult and other neighbourly relations“: Compost, 2019; ein Misthaufen als Kunst

Graff wiederum arbeitet mit Mineralien, wendet chemische Methoden an und beruft sich dabei auf den neuen Materialismus im Sinne feministischer Kritik. Die Ästhetik ihrer Werke variiert sehr – ist aber stets ungewöhnlich, wirkt immer wieder, als hätte man zum ersten Mal so etwas gesehen. Ausgeflockte, mit einer grünen und türkisfarbigenen magmaartigen Substanz überzogene Steine – und sogar Gartensessel – gibt es genauso wie glatte, glänzende Flächen und runde Formen. Graff schafft eine visuelle Welt für sich, in der die Chemie die Regie übernommen zu haben scheint.

Pflanzenmutationen wie von Erwin Wurm

Ihrmans Kunst wirkt, als würde sich Erwin Wurm nur noch mit Pflanzen beschäftigen. Sie stellt aus verschiedensten Materialien – auch organischen – Skulpturen her, die wie aus der Proportion geratene Tiere und Pflanzen wirken. Das hat Humor, ist farbenfroh – und sie trägt sogar bei Performances Pflanzenkostüme. Den eigenen Körper Materialwelten auszusetzen und so den Kreislauf des Lebens zu imitieren, darum geht es bei Ihrman.