Arbeiter in der Volkswagen-Fabrik in Wolfsburg
AP/Michael Sohn
Illegale Absprachen

EU verdächtigt deutsche Autokonzerne

Die deutschen Autokonzerne BMW, Daimler und VW haben nach Erkenntnissen der EU-Wettbewerbshüter illegale Absprachen zu Technologien der Abgasreinigung getroffen. Das teilte die EU-Kommission am Freitag in Brüssel auf Basis eines vorläufigen Ergebnisses der Ermittlungen mit. Den Unternehmen droht eine Strafe in Milliardenhöhe.

Die EU-Kommission hatte 2017 Voruntersuchungen bei den Autofirmen begonnen und war auch bei den Herstellern vorstellig geworden. Die formelle Untersuchung hatte sie 2018 eingeleitet. Im Einzelnen sollen sich die Konzerne bei der Einführung von SCR-Katalysatoren für Dieselmotoren und von Feinstaub-Partikelfiltern für Benzinmotoren (OPF) unerlaubterweise abgesprochen haben. Diese Absprachen seien bei Treffen der Automobilhersteller in den „5er-Kreisen“ getroffen worden.

Die Unternehmen hätten den Innovationswettbewerb in Europa bei diesen beiden Abgasreinigungssystemen eingeschränkt und den Verbraucherinnen und Verbrauchern somit die Möglichkeit verwehrt, umweltfreundlichere Fahrzeuge zu kaufen – obwohl sie über die entsprechende Technologie verfügten, teilten die Wettbewerbshüter weiter mit. Sollte sich der Verdacht endgültig bestätigen, wäre es ein Verstoß gegen EU-Kartellrecht – auch wenn es sich nicht um Preisabsprachen handle.

Daimler und VW beantragten Kronzeugenstatus

Mögliche Verstöße gegen Umweltvorschriften seien nicht Teil des Verfahrens, hieß es weiter. Die Ermittlungen seien zudem unabhängig von laufenden Untersuchungen etwa von Staatsanwaltschaften zur Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen der Autohersteller.

Sowohl Daimler als auch Volkswagen hatten nach Bekanntwerden der Vorwürfe im vergangenen Jahr den Antrag auf Kronzeugenregelung gestellt. Der Kronzeuge in Kartellverfahren kann auf den größten Straferlass oder gar Straffreiheit hoffen. Im äußersten Fall können hingegen bis zu zehn Prozent des weltweiten Jahresumsatzes fällig werden.

Volkswagen kündigt Prüfung der Beschwerde an

Volkswagen kündigte nach Veröffentlichung der EU-Erkenntnisse die Prüfung der Beschwerde an. Erst nach Auswertung des Untersuchungsakts werde man sich äußern, teilte der Konzern am Freitag mit. Nach VW-Einschätzung erkennt die Kommission „grundsätzlich an, dass Kooperationen zwischen Herstellern zu technischen Fragen in der Automobilindustrie weltweit üblich sind“.

Schon im vergangenen Jahr habe die Behörde festgestellt, dass es keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür gebe, die Gespräche als wettbewerbswidriges Verhalten einzustufen. Laut VW beschränkt sich das Verfahren auf die Kooperation der deutschen Hersteller BMW, Daimler, Volkswagen, Audi und Porsche zu technischen Fragen, die in „5er-Kreisen“ besprochen wurden. Eine Verbindung zum Abgasskandal sehe die Behörde nicht, so VW.

Daimler rechnet nicht mit Bußgeld

Daimler erwartet trotz der Vorwürfe keine Bußgeldzahlungen. „Daimler hat frühzeitig und umfassend mit der Europäischen Kommission als Kronzeuge kooperiert und erwartet in dieser Sache deshalb kein Bußgeld“, teilte der Autokonzern mit. Man habe Kenntnis über den Erlass der Beschwerdepunkte und warte auf die förmliche Zustellung, hieß es von Daimler. Darüber hinaus äußere man sich nicht, da es sich um ein laufendes Verfahren handle.

Auf dem deutschen Aktienmarkt veränderte sich nach den nun öffentlich gewordenen Erkenntnissen nichts. Die Autohersteller blieben weiter im Plus. Die Nachricht aus Brüssel belastete die Papiere von VW, Daimler und BWM bisher nicht.

BWM weist Vorwürfe zurück

Etwas aggressiver in der Wortwahl zeigte sich BMW. Der Münchner Konzern wies die Vorwürfe entschieden zurück: Es habe keine Preis- oder Gebietsabsprachen zulasten von Kunden oder Lieferanten gegeben, erklärte das Unternehmen. BMW sehe „in diesem Verfahren den Versuch, die zulässige Abstimmung von Industriepositionen zu regulatorischen Rahmenbedingungen mit unerlaubten Kartellabsprachen gleichzusetzen“, hieß es in der Stellungnahme.

Laut BMW ging es bei den Gesprächen mit Daimler und VW im Kern um die Verbesserung von Technologien zur Abgasnachbehandlung. „Anders als Kartellabsprachen zielten diese Gespräche, die industrieweit bekannt waren und keine ‚Geheimabsprachen‘ zum Gegenstand hatten, nicht auf die Schädigung von Kunden oder Lieferanten ab.“ Gleichwohl sicherte der Konzern der Kommission zu, die Beschwerdepunkte intensiv zu prüfen.

Am Abend kündigte BMW an, für die drohende Strafe mehr als eine Milliarde Euro als Rücklage zur Seite zu legen. Aus den Beschwerdepunkten der EU-Kommission leitet BMW ab, „dass die EU-Kommission mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Bußgeldbescheid in signifikanter Höhe erlassen wird“.