EU-Flagge vor dem Westminsterpalast
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Brexit-Aufschub

EU-Staaten zeigen May die kalte Schulter

Der von Großbritanniens Premierministerin Theresa May beantragte erneute Aufschub des Brexit stößt in einigen EU-Ländern auf wenig Gegenliebe. So geht Frankreich nach wie vor von einem „No Deal“-Brexit aus, Spanien und Belgien schlossen sich der Einschätzung laut „Guardian“ an. Die EU dürfte vor allem einen klaren Plan von May verlangen – doch eine innenpolitische Einigung ist nicht in Sicht.

Paris wolle einem längeren Aufschub des Brexit nur zustimmen, wenn Großbritannien einen genauen Plan über das weitere Vorgehen vorweisen kann. Gemeinsam mit Spanien und Belgien sei man der Auffassung, dass dies momentan nicht der Fall sei, hieß es im „Guardian“, der sich auf Diplomatenkreise beruft.

Doch auch auf ganz offizieller Ebene gab man sich am Freitag zurückhaltend: Die französische Staatssekretärin für Europaangelegenheit, Amelie de Montchalin, warnte Großbritannien, dass ein Aufschub einen Plan, der auch politisch unterstützt wird, benötigt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sprach sich gegen eine Fristverlängerung aus: Derzeit gebe es keinen Grund, bestehende Fristen zu verlängern. Auch in Deutschland und den Niederlanden gab man sich abwartend.

Timmermans: Von Geduld „nicht viel“ übrig

Auch der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, gab sich zurückhaltend. Auf die Frage im Interview mit der ZIB2, wie viel Geduld übrig sei, antwortete Timmermans: „Nicht viel.“ Die Briten müssten sich jetzt „entscheiden, was sie wollen“. Nach der Forderung nach mehr Zeit für den Ausstieg aus der EU wolle man nun wissen, „wozu diese Zeit benutzt wird“.

EU-Kommissionsvizepräsident Timmermans: „Mehr Zeit, aber wozu?“

„Die Briten wollen mehr Zeit, aber wozu?“, fragte Frans Timmermans im ZIB2-Interview.

Auch für den von EU-Ratspräsident Donald Tusk ins Spiel gebrachten Vorschlag für einen „flexiblen“ Aufschub zeigte Timmermans Verständnis, aber nur, „wenn wir wissen, was die Briten wollen“. Zu dem von May beantragten Aufschub auf einen Zeitpunkt nach den EU-Wahlen sagte er, dass es „keine Ausnahmen“ bei der Wahl geben werde.

Torys und Labour noch immer weit voneinander entfernt

Die von May benötigte innenpolitische Rückendeckung für Gespräche mit der EU scheint jedenfalls im Moment nicht in Reichweite zu sein. Mays Gespräche mit der Labour-Partei von Jeremy Corbyn führten zu keinem Ergebnis. Das wurde von Labour am Freitag kritisiert: May habe es nicht geschafft, „echte Veränderung oder Kompromisse“ anzubieten, hieß es in einer Stellungnahme.

Brief von Theresa May an Donald Tusk
Reuters/Francois Lenoir
In einem kurzen Brief an EU-Ratspräsidenten Tusk suchte die britische Premierministerin um einen Aufschub an

„Wir wollen, dass die Gespräche weitergehen“, sagte Labour-Brexit-Sprecher Keir Starmer am Freitagabend in einem Interview mit der BBC. „Bisher schlägt die Regierung keinerlei Veränderungen an dem Deal vor. Genauer gesagt, erwägt sie keinerlei Veränderungen am Wortlaut der politischen Erklärung“, so Starmer. May hatte sich Anfang der Woche an die Opposition gewandt und Kompromisse bei ihrem inzwischen dreimal vom Parlament abgelehnten Brexit-Deal angeboten.

Kommission verweist auf Gipfel

Schon untertags hieß es unterdessen von der EU-Kommission, dass man den EU-Gipfel am kommenden Mittwoch abwarten wolle. „Die Staats- und Regierungschefs werden das entscheiden“, hieß es von einem Sprecher der Kommission.

Zuvor hatte May bei EU-Ratspräsident Tusk um einen weiteren Brexit-Aufschub bis 30. Juni angesucht. Wenn ein Abkommen noch vorher ratifiziert werde, sollte die Frist früher enden, schrieb May in dem Brief. London werde aber auch Vorbereitungen für die Abhaltung der EU-Wahl treffen, sollte ein Austritt bis zum 23. Mai nicht möglich sein. Die Europawahl findet zwischen 23. und 26. Mai statt.


Balkengrafik zeigt die Sitze im EU-Parlament mit bzw ohne Teilnahme Großbritanniens an der EU-Wahl
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: APA/pollofpolls.eu/politico.eu

Abstimmung über „klare Optionen“ als Möglichkeit

Es sei frustrierend, dass der Prozess noch nicht zu einem „erfolgreichen und geordneten Abschluss“ gekommen sei, schrieb May in dem Brief zudem. Tusk hatte seinerseits einen „flexiblen“ Brexit-Aufschub von bis zu zwölf Monaten ins Spiel gebracht. Innerhalb dieses Zeitrahmens solle Großbritannien geordnet aus der EU austreten können, sobald das Land ein Brexit-Abkommen ratifiziert habe, berichtete die BBC unter Berufung auf einen ranghohen EU-Diplomaten.

Für den Fall, dass die Gespräche mit der Opposition nicht zu einer Lösung führen, kündigte May eine weitere Runde von Abstimmungen im Parlament über „klare Optionen“ an. An das Ergebnis werde sich die Regierung halten, sofern die Opposition das auch tue.