EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder (SPÖ)
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Europawahl

SPÖ startet Wahlkampf mit Koalitionskritik

Die SPÖ ist am Samstag offiziell in den EU-Wahlkampf gestartet. Bei einem „Themenrat“ in Wien wurden zentrale Forderungen wie jene nach mehr Steuergerechtigkeit bekräftigt. Im Zentrum der Reden von Spitzenkandidat Andreas Schieder und Parteichefin Pamela Rendi-Wagner standen aber Nationalismus und Rechtsextremismus – begleitet von scharfer Kritik an der Koalition.

Schieder warnte in seiner Rede davor, dass nationale Kräfte die Europäische Union von innen zerstören wollten. Dabei gelte es für die SPÖ, die Wut der Bürger in die richtige Richtung zu lenken und ein Europa zu bauen, wo der Mensch im Mittelpunkt stehe.

Den größten Teil von Schieders Rede nahm das Thema Nationalismus und Rechtsextremismus ein. „Die Kellernazis kommen wieder aus den Löchern“, konstatierte der Spitzenkandidat gleich zu Beginn und sah diese bereits „im Erdgeschoß unserer Gesellschaft angekommen“. Die FPÖ hält er mit einschlägigen Gruppen für „tief verwoben“. Die ÖVP mit ihrer Kritik daran sei extrem unglaubwürdig, findet Schieder: „Weil sie könnte ja diese Koalition mit der FPÖ beenden, wenn das ernst gemeint wäre.“ In ihrem Programm für die EU-Wahl fordert die SPÖ unter anderem ein europäisches Verbotsgesetz gegen Rechtsextremismus.

Feuerlöscher „ist bekanntlich rot“

Bei den Freiheitlichen vermutet Schieder, dass diese ihren Plan eines EU-Austritts noch nicht aufgegeben haben. Nur wegen des Brexit-Chaos habe man jetzt etwas Kreide gefressen. Tatsächlich stecke aber unter dem Schafspelz noch immer der gleiche Wolf. Das Ziel der Rechten sei jedenfalls, Europa von innen zu zerstören, wie das Marine Le Pen (Parteichefin des französischen Rassemblement National, vormals Front National) schon vor Jahren klar gesagt habe. Die ÖVP mit ihrem Spitzenkandidaten Othmar Karas erinnert Schieder an Max Frischs „Biedermann und Brandstifter“. Gelöscht werde ein Brand aber mit einem Feuerlöscher – „und der ist bekanntlich rot“.

EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder (SPÖ)
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Schieder übte scharfe Kritik an der FPÖ und an ÖVP-EU-Spitzenkandidat Karas

Weiteres größeres Thema Schieder war die Steuergerechtigkeit. So zahle das Floridsdorfer Gasthaus „Zum frohen Schaffen“ das Zehnfache von Starbucks. So etwas könne nur beantwortet werden, indem man die Macht der großen Konzerne zerschlage. Zudem sprach sich Schieder gegen Privatisierungen von kommunalen Dienstleistungen aus: „Hände weg vom Wasser und den Gemeindewohnungen.“ Bei der EU-Wahl gehe es auch darum, ein Signal an die Regierung zu senden, dass „der Weg so nicht weitergehen kann“, sagte Schieder und forderte, der Regierung einen „Denkzettel“ zu geben.

Rendi-Wagner: Kurz „Türöffner für Rechtsextreme“

Auch SPÖ-Parteivorsitzende Rendi-Wagner ritt in ihrer Rede Verbalattacken gegen die Regierung. Der FPÖ attestierte sie, sich von Rechtsradikalen gar nicht distanzieren zu wollen. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) bezeichnete sie als „Türöffner für Rechtsextreme“. Der FPÖ hielt die SPÖ-Chefin vor, selbst lange einen „Öxit“ angepeilt zu haben. Zudem handle es sich um jene Partei, die es nach dem schrecklichen Attentat in Neuseeland weiter nicht schaffe, sich von rechtsradikalem Terror zu distanzieren: „Weil sie es vielleicht gar nicht können oder wollen.“

SPÖ startet in EU-Wahlkampf

Mit einer Kampfansage gegen Nationalismus und Rechtsextremismus ist die SPÖ in den EU-Wahlkampf gestartet.

Verantwortlich dafür, dass solche Politiker in der Regierung sitzen können, sei freilich ÖVP-Obmann Kurz. Dabei sollte ein Bundeskanzler Brückenbauer in Europa sein, „aber kein Türöffner für Rechtsextreme, Nationalisten und Rechtsradikale“.

SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner
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SPÖ-Chefin Rendi-Wagner: Die Partei hofft auf Rückenwind durch die Arbeiterkammer-Wahl

Rendi-Wagner sieht „keine Alternative“ zu Europa. Ähnlich wie beim EU-Beitritt Österreichs hoffe sie, dass es gelingen werde, die Menschen mitzunehmen und sie an der Hand in eine bessere Zukunft zu führen, sagte Rendi-Wagner. Das gemeinsame Europa müsse erhalten werden, weil es keine Alternative zu einer friedlichen und sozialen Zukunft „auf unserem Kontinent“ gebe. Großes Bedauern äußerte Rendi-Wagner bezüglich des bevorstehenden Brexits. Dieser zeige, dass jene Scherben, die Nationalisten hinterließen, von anderen weggeräumt werden müssten – und das werde Jahrzehnte dauern.

Rückenwind nach Arbeiterkammer-Wahl erhofft

Rückenwind erhofft sich die Partei bei der Europawahl durch die Arbeiterkammer-Wahlen, bei denen die Sozialdemokraten zuletzt etwa in Wien ihre Führung ausbauen konnten. Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda sah dabei „deutliche Parallelen“ zur anstehenden EU-Wahl, gehe es doch auch da um eine Richtungsentscheidung. Spitzenkandidat Schieder hatte bereits am Freitag sein Ziel für die EU-Wahl formuliert – „ein starkes Plus für die SPÖ“.

SPÖ will „echte“ Digitalsteuer

Inhaltlich setzt die SPÖ bei ihrem Programm für die Europawahl auf den Kampf gegen die Steuervermeidung von vor allem US-amerikanischen Großkonzernen. Im Programm für die EU-Wahl fordert die Partei die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und einer „echten“ Digitalsteuer. Weiters will man europaweite Mindeststeuersätze auf Unternehmensgewinne, um schädlichen Steuerwettbewerb einzudämmen.

Innenpolitik bei SPÖ-EU-Wahlkampfauftakt

ORF-Reporter Tobias Pötzelsberger berichtet vom EU-Wahlkampfauftakt der SPÖ, bei dem auch die Innenpolitik eine große Rolle spielte.

Auch zu den Zielen der Sozialdemokraten gehört die Einführung europaweiter Mindestlöhne und Mindeststandards. Mehr Jobs erwartet man sich durch ein Umschulungsprogramm und eine Reintegration in den Arbeitsmarkt nach Vorbild der (von der aktuellen Regierung sistierten) „Aktion 20.000“ in Österreich. Zudem wird gefordert, das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern EU-weit zu beseitigen. Europaweit würde die SPÖ, so sie könnte, auch eine CO2-Steuer einführen. Bis 2030 soll der CO2-Ausstoß halbiert werden.

Sofort verbieten will man bienengefährdende Mittel wie Glyphosat. Deckeln möchte man die Agrarförderungen. Extra verankert werden soll ein Privatisierungsverbot für Trinkwasser. Grundsätzlich wünscht man sich einen Privatisierungsstopp in Europa. Der soziale Wohnbau soll von den EU-Wettbewerbsregeln ausgenommen werden.

Timmermans für europäischen Mindestlohn

Neben Schieder und Rendi-Wagner hielt auch der europaweite Spitzenkandidat der SPE, Frans Timmermans, eine Rede vor den rund 800 Gästen in der Ankerbrotfabrik in Wien-Favoriten. Der Niederländer versicherte in seinem Redebeitrag, dass unter ihm als Kommissionspräsidenten Konzerne wieder Steuern zahlen würden. Gleichzeitig warb er für europäischen Mindestlohn und Mindestsicherung. An gleicher Stelle für gleiche Arbeit den gleichen Lohn zu bezahlen sei das beste Mittel gegen Hass.

Der europaweite Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, der Niederländer Frans Timmermans und EU-Spitzenkandidat Andreas Schieder (SPÖ)
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Timmermans (l.) und Schieder: Der Niederländer warb für Mindestlohn und Mindestsicherung auf europäischer Ebene

Grundsätzlich betonte er, es sei eben die Aufgabe seiner Bewegung, die Verbreitung von Hass in der Gesellschaft aufzuhalten. Er lasse sich dabei auch den Begriff Patriotismus nicht wegnehmen. Selbst sei er niederländischer Patriot, aber eben auch europäischer Patriot. Nationalismus führe dagegen immer zum Verhängnis: „Wir Sozialdemokraten werden unsere Nachbarn nie zu Feinden machen.“ Eindringlich warb er dafür, vom Wahlrecht Gebrauch zu machen.

ÖVP-Generalsekretär: „Unglaubwürdige Kampfrhetorik“

Die ÖVP übte ihrerseits scharfe Kritik an Rendi-Wagners Aussagen: Generalsekretär Karl Nehammer bezeichnete die verbalen Angriffe auf die Regierung als „Offenbarung der SPÖ-Doppelmoral und Ausdruck einer unglaubwürdigen Kampfrhetorik“. Die Sozialdemokratie sei beispielsweise im Burgenland oder auch in Linz mit der FPÖ in einer Regierung. „Nach der Logik von Rendi-Wagner wäre sie selbst eine Türöffnerin für die von ihr kritisierte Politik“, so Nehammer.

Die Ansagen Rendi-Wagners zeigten „einmal mehr die SPÖ-Unglaubwürdigkeit“, so Nehammer: „Solange Doskozil, Luger und andere Koalitionen mit der FPÖ eingehen, kann ich die Verbalattacken gegen die Regierung in keinster Weise nachvollziehen.“

Die Grünen vermissen Aussagen der SPÖ zur Klimakrise: „Herr Schieder hat schon recht, wenn er sagt, dass diese Wahl eine Richtungsentscheidung für Europa ist. Diese Europawahl ist eine Klimawahl und genau hier lässt die SPÖ vollkommen aus“, reagierte Thimo Fiesel, Wahlkampfleiter der Grünen, in einer Aussendung.