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ORF.at/Christian Öser
Mindestsicherung

Soziallandesräte mischen sich ein

Am Montag kommt es zu dem mit Spannung erwarteten Treffen der Soziallandesräte mit Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) zur Mindestsicherung. Vor allem die roten Länder stoßen sich an den Inhalten des Sozialhilfegesetzes, sie befürchten, dass es zu Kinderarmut kommen könnte. Streitpunkt ist auch das Timing: Das Treffen findet erst knapp vier Wochen nach dem Beschluss im Ministerrat statt.

Etwaige Änderungen wollen die SPÖ-Landesräte noch vor dem Beschluss im Sozialausschuss des Nationalrates einbringen, der vom 3. auf den 15. April verschoben wurde. Allen voran im Wiener Rathaus wird der aktuelle Entwurf zur Neuregelung der Mindestsicherung, die künftig Sozialhilfe heißen wird, abgelehnt.

Nach Ansicht von Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) sei etwa der Umsetzungszeitraum viel zu gering bemessen. Dieser müsse deutlich länger sein, sagte er der APA. Hacker hat einmal mehr Änderungsvorschläge mit im Gepäck und stößt sich nicht zuletzt an der vorgegebenen Frist.

Hacker: „Unsachliche Schlechterstellung“

Das vorliegende Gesetz ist nach Ansicht Hackers weiters in mehreren Punkten verfassungswidrig bzw. widerspricht geltendem EU-Recht. Es führe zu „unsachlichen Schlechterstellungen“ und Beschränkungen der Leistungsbezüge bei bestimmten Gruppen – also etwa bei Kindern und Asylberechtigten. Die vorgesehenen Kürzungen bei Familien mit mehreren Kindern seien „nicht akzeptabel“, weil sie zu verstärkter Kinderarmut führen würden, warnte er.

Der Wiener Gesundheits- und Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ)
APA/Georg Hochmuth
Hacker befürchtet verstärkte Kinderarmut durch die Mindestsicherungsreform

Hacker forderte Ausnahmeregelungen im Gesetz für Personen in allen Formen von betreuten Wohngemeinschaften. Hier dürfe es keine Deckelung geben und auch die Haushaltsdefinition nicht zum Tragen kommen. Das sei aktuell nur für Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftige geplant, aber nicht für Wohnungslose, psychisch Kranke und Mutter/Kind-Einrichtungen.

Aufgaben auf Länder abgewälzt?

Während der „Arbeitsqualifzierungsbonus“, also die Abschläge bei unzureichenden Sprachkenntnissen, für Menschen mit Behinderungen nicht gelten, seien Personen mit Lernschwächen oder psychisch Kranke davon nicht ausgenommen, hielt er außerdem fest. Aufgaben aus den Bereichen Fremdenrecht, Arbeitsmarkt oder Integration würden vom Bund auf die Länder abgewälzt. „Auch die Finanzierung von Sprach- und Qualifizierungskursen soll den Ländern aufgebürdet werden“, kritisierte Hacker.

Als „unsachlich und nicht praktikabel“ erscheine weiters die Regelung, dass nur aktuelle Deutschzertifikate für die Erfüllung der Voraussetzungen und Integrationsverpflichtungen herangezogen werden sollten. Laut den Erläuterungen dürfen sie nicht älter als sechs Monate sein, gab Hacker zu bedenken: „Nimmt man das ernst, müssten viele Bezieher Kurse nachmachen.“ In Wien überlegt man noch, ähnlich wie im Burgenland, rechtliche Schritte – mehr dazu in burgenland.ORF.at.

ÖVP-Länder zufrieden mit Regierung

Mehrere ÖVP-Länderchefs verteidigten das Vorgehen der Bundesregierung jedoch zuletzt. „Wir haben ein gutes Einvernehmen“, betonte etwa der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer. Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer sagte, er sei „grundsätzlich froh, wenn es eine österreichweit einheitliche Lösung gibt“.

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hielt die Klage der SPÖ-geführten Bundesländer, dass die Länder zu wenig eingebunden worden seien, ebenfalls nicht für gerechtfertigt. Zufrieden mit der Regierungsvorlage zeigten sich auch Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Auch der ÖVP-Arbeitnehmerbund (ÖAAB) begrüßte das geplante Gesetz, weil es mehr Gerechtigkeit bringe.

Plattform für Alleinerziehende warnt

Die NGO Plattform für Alleinerziehende (ÖPA) forderte unterdessen ähnlich wie die SPÖ-geführten Länder noch Änderungen bei der geplanten Reform der Mindestsicherung. Insbesondere weisen die Interessenvertreter die Behauptung von ÖVP und FPÖ zurück, mit den Änderungen würden Alleinerziehende bessergestellt. In einem offenen Brief kritisieren auch sie die Gefahr der Kinderarmut.

Die ÖPA appelliert an die Länder, sich für den Erhalt von Mindeststandards einzusetzen. Denn trotz des von der Regierung vorgesehenen „Alleinerzieherbonus“ bewirke die Reform, dass die Kinderbeiträge bei Alleinerziehenden mit jedem Kind geringer werden – ebenso wie bei Familien mit beiden Elternteilen.

„Finanzielle Unsicherheit lähmt“

Damit drohe Familien nicht nur gesellschaftliche Ausgrenzung, sondern „Armut im sprichwörtlichen Sinne“ – also zu wenig Geld für Essen und Wohnraum. Im schlimmsten Fall seien dann ganze Familien von Obdachlosigkeit bedroht, heißt es in dem am Sonntag veröffentlichten offenen Brief an Landesregierungen und Landtage: „Finanzielle Unsicherheit raubt den Menschen viel Kraft, lähmt sie und lässt deren Leben stagnieren. Das ist eigentlich genau das Gegenteil von dem, was das Gesetz vorgibt zu wollen.“

Beate Hartinger-Klein (FPÖ)
APA/Robert Jäger
Das Treffen zwischen den Ländervertretern und Hartinger-Klein wird mit Spannung erwartet

In dieselbe Kerbe schlugen am Sonntag auch die Grünen, die ÖVP und FPÖ Sozialabbau auf dem Rücken von Kindern und Familien vorwarfen und erklärten, in Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung Spielräume auf Landesebene nutzen zu wollen. Dass die Bundesregierung die Reform bereits im Parlament eingebracht habe, verheiße für die Bund-Länder-Verhandlungsrunde am Montag nichts Gutes, kritisierte der grüne Parteichef Werner Kogler.

Hartinger-Klein hofft auf „positiven Dialog“

Hartinger-Klein sagte am Montagvormittag, sie hoffe auf einen „positiven Dialog“. „Ich erwarte mir von dem Treffen eine rege Diskussion, konstruktive Vorschläge und wünsche mir keine politische Agitation, sondern ein sachliches Gespräch,“ so Hartinger-Klein in einer Aussendung. Sie verwies darauf, dass das Gesetz sechs Wochen in Begutachtung war und 150 Stellungnahmen eingebracht wurden. „Teilweise wurden diese auch in das neue Grundsatzgesetz eingearbeitet“, so die Ministerin. Das Gespräch ist für eineinhalb Stunden angesetzt, so die Ministerin.

Neuregelung bringt Einschnitte

Im Ministerrat wurde die Reform der Mindestsicherung Mitte März abgenickt. Die monatliche Sozialhilfe wird wie ursprünglich angekündigt in der Höhe des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes gewährt, das sind 863 für das letzte Jahr bzw. 885,47 Euro für 2019. Für Paare sind es zweimal 70 Prozent des Richtsatzes, das sind 1.208 Euro für 2018 bzw. 1.239,66 für 2019. Für Familien mit mehreren Kindern bringt die Neuregelung Einschnitte durch eine Staffelung pro Kind.

Für das erste Kind ist eine Sozialhilfesatz von 25 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes vorgesehen (216 Euro für 2018), für das zweite Kind 15 Prozent (130 Euro), und ab dem dritten Kind gibt es fünf Prozent (43 Euro). Für Menschen mit Behinderung ist ein Bonus von 18 Prozent (155 Euro) vorgesehen. Im Vergleich zu den bisherigen Plänen handelt es sich nun um eine Muss-Bestimmung für die Länder.

Kann-Bestimmung bei Alleinerziehenden

Für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher bleibt es hingegen bei der Kann-Bestimmung. Ihnen können die Länder nach eigenem Ermessen Zuschläge von zwölf Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit 103,5 Euro) bei einem Kind ausschütten, bei zwei Kindern 21 Prozent (181 Euro), bei drei Kindern 27 Prozent (233 Euro) und für jedes weitere Kind plus drei Prozent. Leben mehrere Sozialhilfebezieher bzw. -bezieherinnen in einer Wohngemeinschaft, so ist eine Deckelung von 175 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit 1.510,25 Euro) vorgesehen.

Klargestellt wurde, dass nicht nur Kinder, sondern auch Menschen mit Behinderung von dieser Deckelung ausgenommen sind. Außerdem sind nun auch dauerhaft erwerbsunfähige Bezieher und Bezieherinnen von der Bestimmung ausgenommen. Die Sozialhilfe wird maximal für zwölf Monate gewährt, danach muss ein neuer Antrag gestellt werden. Bestehende bessere Regeln der Länder für Sonderbedarf (Pflege, Behinderung) werden nicht berührt. Die Länder können – wie auch schon bisher bekannt – einen Wohnzuschuss von 30 Prozent gewähren, um die unterschiedlich hohen Mietkosten in den Bundesländern zu berücksichtigen.

Nichts ändert sich übrigens an den schon im Entwurf geschätzten Kosten für die Länder. Nach der im Entwurf enthaltenen „Folgekostenabschätzung“ sollen laut der Schätzung den Ländern Mehrkosten von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2020, 11,8 Mio. im Jahr 2021 und 14,6 Mio. Euro im Jahr 2022 entstehen.