Lebensmittel in Plastik eingepackt
ORF.at/Dominique Hammer
Supermärkte

„Ganz ohne Plastik wird es nicht gehen“

Der Druck auf den Handel, seine Geschäfte ressourcenschonend zu gestalten, ist hoch. Die heimischen Supermärkte betonen, man sei bereits auf allerlei Ebenen aktiv. Vor allem im Kampf gegen Plastikmüll setzen die Ketten bekannte Maßnahmen um und testen immer neue. Doch der Grat zwischen Klimaschutz, Kundenwunsch und praktischem Erfordernis ist schmal.

Alle großen Lebensmittelhändler im Land sind längst auf den Zug der Plastikmüllvermeidung aufgesprungen. Mit medial beworbenen Initiativen erlegen sich große Ketten Selbstverpflichtungen zur Plastikreduktion auf. Zusätzlich ist der Druck der Politik auf nationaler und EU-Ebene gestiegen. Das EU-Parlament verbot etwa Einwegplastik ab 2021. In Österreich werden nicht biologisch abbaubare Kunststofftragetaschen ab nächstem Jahr verboten, da geht es immerhin um bis zu 7.000 Tonnen Müll im Jahr. Im Vergleich zu 2016 soll auch die Menge an Plastikverpackungen um bis zu ein Viertel reduziert werden.

Die Handelsketten setzen dabei bei ihren Eigenmarken auf ähnliche Konzepte: Plastikverpackungen und -teile weglassen, wo es geht und Alternativen einsetzen. Das nötige Plastik soll zumindest recycelbar gestaltet werden. Dazu werden etwa Taskforces eingesetzt, die jedes Eigenmarkenprodukt vom Joghurt bis zur Hartweizennudel auf Verpackungsoptimierung prüft.

Plastikmüll in Österreich

In Österreich fallen jährlich rund 900.000 Tonnen Plastikmüll an. Laut Umweltministerium wird davon nur rund ein Drittel recycelt. Vom Rest gelangt auch viel in die Umwelt: Allein in Österreich werden pro Tag über 100 kg Plastik über die Donau abtransportiert.

Die letzten Sackerl ihrer Art

Das Plastiksackerl ist dabei das Aushängeschild. Bei Lidl, Hofer und REWE (Billa, Merkur, Penny, ADEG) gibt es seit 2017 schon keine Tragetaschen aus konventionellem Kunststoff mehr. Bei Spar werden sie gerade aussortiert – bis zum kommenden Herbst werden die letzten auf Lager verkauft sein. Als Alternative gibt es Permanenttragetaschen oder Papier. Die Knotenbeutel vulgo Obstsackerl erfreuen sich hingegen noch großer Beliebtheit.

Hier bieten Lidl und Hofer etwa biologisch abbaubare Beutel an, bei Spar gibt es Taschen aus Papier oder Mehrweg, an einer Option aus nachwachsenden Rohstoffen wird gearbeitet. Bei REWE kann man Beutel aus Modalfasern der Firma Lenzing, abbau- und waschbar, erwerben. „Das wird von den Kunden sehr gut angenommen“, sagt REWE-Sprecher Paul Pöttschacher zu ORF.at. Man habe damit schon acht Millionen Kunststoffsackerln eingespart.

Laser, Distelöl und Zellulose

Diese Alternativen sind allerdings nicht gratis für die Kundinnen und Kunden – ein Dreierpack bei REWE kostet 3,99 Euro. Spar testet ein wiederverwendbares Polyesternetz, das im Viererpack 1,49 Euro kostet. Die Beutel sind zudem derzeit noch nur ein Zusatzangebot: Das alte Obstsackerl gibt es nach wie vor.

Für die Verpackung spielt es zudem eine große Rolle, ob Obst- und Gemüsesorten das Etikett „bio“ tragen oder nicht. Bioprodukte müssen laut der Lebensmittelinformationsverordnung gekennzeichnet und für Kunden und Kundinnen deutlich zu erkennen sein. Daher muss oft eine Verpackung eingesetzt werden.

Lebensmittel in Plastik eingepackt
ORF.at/Dominique Hammer
Die Gurke in Plastik: auch in Österreich ein Spaltpilz. Der Handel sieht bei Wintergurken eine Notwendigkeit.

Vermehrt arbeiten die Handelsketten hier auch mit Alternativen, etwa dem „Natural Branding“. Bei geeigneten Sorten, etwa Avocados wird dabei per Laser ein Logo und weitere Informationen auf die Schale angebracht. So spart man Folie oder Pickerl. Andere setzen umweltfreundlichere Sackerl und Folien ein, Hofer und Lidl nutzen etwa im Biosortiment Zellulosenetze, REWE arbeitet unter anderem mit Distelölfolie.

Feinkost ohne Berührung

Andere Beispiele finden sich in der Feinkost: Hier werden Mehrwegboxen oder von Kunden selbst mitgebrachte Behälter getestet. Nicole Berkmann, Sprecherin von Spar: „Normalerweise ist das aus hygienischen Gründen verboten. Gebinde von Kunden dürfen nicht mit Theke, Waage oder Besteck in Berührung kommen. In der Steiermark wird daher ein Tablett getestet, das diese Trennung sicherstellt und trotzdem Verpackung einspart.“ Das Behältnis des Kunden soll via Tablett über die Theke gereicht werden, quasi ohne Berührung durch die Angestellten. „Man muss sehen, ob es Sinn macht“, so Berkmann gegenüber ORF.at. „Aber solche Dinge muss man eben auch bedenken.“

Bei einem Rundruf betonen alle vier großen Ketten, bereits in den vergangenen Jahren große Mengen an Plastikmüll vermieden zu haben. Durch Verminderung von Verpackungen, Verwendung von Papier und Karton und durch den Umstieg auf Mehrweg und bereits recyceltes Material will man weitere Ziele erreichen.

Kunden wollen „bequemes Essen“

Ein Bereich, wo das Plastik aber nahezu alternativlos ist, ist gerade von den Kunden stark gefragt: Convenience Food, das bequeme Essen. Bereits abgepacktes Obst und Gemüse, Salat und Weckerl in mundfertigen Portionen vorbereitet. Der Kunde muss nur noch zubeißen – aber vorher das Plastik entfernen. Diskonter bieten nur wenig „Convenience Food“ an, anders sieht es im Supermarkt ums Eck aus.

„Viele Kunden greifen hier zu, sie wollen zu Mittag etwas Gesundes essen und haben nicht viel Zeit“, sagt REWE-Sprecher Pöttschacher. „Wir bleiben dabei, weil die Kunden es verlangen.“ Für solche Produkte wie Salate oder vorgeschnittenes Obst wird dort nun auf recyceltes Plastik zurückgegriffen. Ähnlich argumentiert auch Berkmann von Spar: „Mundfertiges Essen wird bei uns ganz stark verlangt“, sagt sie. „Da kann man nur schauen, wie Verpackungen optimierbar sind, ebenso bei der vorgeschnittenen Feinkost.“

Sommer- und Wintergurke

Auch manche Gemüsesorte zeigt die Grenzen der Plastikvermeidung auf: Ausgerechnet die Gurke, die im Streit über Verpackungsmüll gerne angeführt wird, ist so ein Beispiel. Im März kündigte die deutsche Handelskette Aldi Süd an, auf die Plastikfolie bei Salatgurken zu verzichten. Damit kam die Gurke erneut in die Schlagzeilen und den Fokus. In Österreich wird das unterschiedlich gehandhabt. Im Sommer werden hierzulande zumeist österreichische Sorten geführt, die keiner Folie bedürfen. Im Winter kommen sie hingegen oft aus Spanien und vertrocknen ohne Verpackung auf dem Transportweg. Hofer will im Gurkenkampf gar im kommenden Winter auf eine neue, besonders resistente Sorte setzen, um die Plastikfolie weglassen zu können.

Grafik zur Plastikverwendung
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: APA/dpa/Science Advances, Roland Geyer

„Die Gurken aus Spanien müssen verpackt sein, weil sie sonst Schäden davontragen und auch nicht mehr gekauft werden“, so REWE-Sprecher Pöttschacher. „Die Ware müssten wir dann entsorgen, das würde zu sehr viel Verschwendung von Lebensmitteln führen“. Plastik sei auch sinnvoll, wenn es recycelt werde.

Greenpeace mahnt zu Mehrweg

Die Gurke bestehe zu 97 Prozent aus Wasser, so auch Berkmann von Spar. „Ohne Folie wird sie schrumpelig, die kauft niemand mehr.“ Nur das Plastik wegzulassen, habe keinen Sinn, so Berkmann. „Wir würden etwa zehn Prozent mehr an Früchten wegschmeißen müssen. Ganz ohne Plastik wird es nicht gehen. Man darf es auch nicht per se verteufeln.“ Rein von der Ökobilanz her sei es sogar nicht schlechter als ein Papiersackerl.

Laut Greenpeace ist es von großer Bedeutung, dass Einwegprodukte aus Plastik nicht einfach durch Einwegprodukte aus anderen Materialien ersetzt wird. Der Weg müsse über Mehrweg führen, hieß es in einer Stellungnahme. „Wir erwarten uns, dass der von einigen eingeschlagene Weg, Plastik in ihren Märkten zu reduzieren, konsequent weitergegangen wird.“

Die bisherigen Fortschritte seien dem Druck der Konsumentinnen und Konsumenten zu verdanken. Der Handel könne über die Eigenmarken bestimmen, „allerdings bestehen Supermärkte ja nicht nur aus Eigenmarken“. Weiterhin viel Verbesserungsbedarf ortet die Umweltorganisation „bei den großen Industriemarken wie Nestle“. Zusammen mit Coca-Cola und PepsiCo gehört der Konzern laut einer Studie, die Greenpeace miterstellte, zu den größten Plastikverschmutzern weltweit.