Geldmünzen auf einem Formular für den Antrag der Mindestsicherung
ORF.at/Carina Kainz
„Unglaubliche“ Sitzung

Verhärtete Fronten bei Mindestsicherung

Das Gespräch zwischen den Soziallandesräten und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) über die künftige Mindestsicherung hat am Montag für scharfe Kritik bei den roten Landesräten geführt. Der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) bezeichnete die Gespräche als „unglaublich“. Kurz vor dem Beschluss im Ausschuss sind damit die Fronten weiter verhärtet.

In einer Pressekonferenz im Anschluss an die Gespräche am Montagnachmittag zeigten sich die SPÖ-Soziallandesräte aus Wien, Kärnten, Niederösterreich und Oberösterreich ernüchtert. „Vereinbart war, dass wir gemeinsam mit der Bundesministerin über die Rahmenbedingungen“ für die Mindestsicherung reden werde, so Hacker. Er kritisierte die „Nichtbeantwortung“ von Fragen. Man habe erleben müssen, wie die von den Ländern vorgeschlagenen Nachbesserungen „mit einem Federstrich vom Tisch gefetzt worden sind“.

Weder Hartinger-Klein noch der ebenfalls bei der Sitzung anwesende ÖVP-Klubobmann August Wöginger seien bereit gewesen, eine Diskussion auf inhaltlicher Ebene zu führen, sagte Hacker. Die Ministerin bezeichnete die Gespräche als „nur teilweise konstruktiv“. Sie sprach in einer schriftlichen Stellungnahme von „Fehlinterpretationen“. Diese seien „unglaublich“, „entbehren jeglicher vernünftigen Grundlage“ und dienten „nur zur bewussten Verunsicherung der Bevölkerung“, so die Ministerin. Wöginger lobte die Gespräche mit den Ländern hingegen als durch die Bank gut – bis auf Wien.

„Arme gegen noch Ärmere“

Die Kärntner Soziallandesrätin Beate Prettner (SPÖ) sagte unterdessen, man spiele „Arme gegen noch Ärmere“ aus. „Ich unterstelle“, so Prettner weiter, „dass das Ganze bewusst so gemacht wird.“ Kritik kam auch von Salzburgs grünem Sozialreferenten Heinrich Schellhorn: "Die angebliche Kooperationsbereitschaft der Ministerin grenzt an Fopperei. Es war – wie schon zuvor – keinerlei Bemühen vorhanden, einen inhaltlichen Kompromiss zu finden – mehr dazu in salzburg.ORF.at.

Gipfel zur neuen Mindestsicherung

Die umstrittene neue Mindestsicherung war am Montagnachmittag Thema eines Gipfels im Sozialministerium.

Die Ministerin habe offenbar vor, das Gesetz „durchzupeitschen“, so Hacker vor der Presse – dieses soll nun nächste Woche im Ausschuss landen, dann wird es dem Nationalrat vorgelegt. Die Hoffnung, noch vor dem Ausschuss, der vom 3. auf den 15. April verschoben wurde, Änderungen zu erreichen, schwindet damit. Die Frage, ob er das Gesetz in Wien umsetzen werde, wollte Hacker nicht beantworten: „Noch beschäftige ich mich mit der Frage nicht“ – mehr dazu in wien.ORF.at

ÖVP ist „sportliche Fristen gewohnt“

Schon im Vorfeld machten die SPÖ-Landesräte ihre Ablehnung des Gesetzes deutlich. Hacker sagte bei seinem Eintreffen am Nachmittag, er erwarte sich, dass das Gesetz „in den Grundsätzen“ geändert werde. Er erwarte sich eine Änderung dahingehend, „dass nicht Arme bekämpft werden, sondern die Armut bekämpft wird“.

Prettner erklärte, sie sei auf die Verfassung angelobt und habe daher derartige Grundgesetze umzusetzen. Sie werde aber „die begründete Ablehnung“ formulieren, kündigte sie an. Hauptkritikpunkt sei die mangelnde Gerechtigkeit betreffend Kinder, sagte sie. Fraglich sei auch, was mit subsidiär Schutzberechtigten geschehe, die aus der Grundsicherung herausfallen. Kritisch äußerste sich Prettner auch zum knappen Zeitrahmen für die Umsetzung. Auch verstehe sie nicht, wieso die Ministerin nicht schon vor dem Ministerratsbeschluss das Gespräch mit den Landesräten gesucht habe.

Kritik an der Frist zur Umsetzung kam auch aus dem Burgenland und der Steiermark. Die niederösterreichische Soziallandesrätin Christiane Teschl-Hofmeister (ÖVP) meinte hingegen, man sei „sportliche Fristen gewohnt“. Positiv sei, dass es eine bundesweit einheitliche Lösung gibt, sagte sie.

Neuregelung bringt Einschnitte

Im Ministerrat wurde die Reform der Mindestsicherung Mitte März abgenickt. Die monatliche Sozialhilfe wird wie ursprünglich angekündigt in der Höhe des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes gewährt, das sind 863 für das letzte Jahr bzw. 885,47 Euro für 2019. Für Paare sind es zweimal 70 Prozent des Richtsatzes, das sind 1.208 Euro für 2018 bzw. 1.239,66 für 2019. Für Familien mit mehreren Kindern bringt die Neuregelung Einschnitte durch eine Staffelung pro Kind.

Grafik zur Mindestsicherung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Regierung

Für das erste Kind ist eine Sozialhilfesatz von 25 Prozent des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes vorgesehen (216 Euro für 2018), für das zweite Kind 15 Prozent (130 Euro), und ab dem dritten Kind gibt es fünf Prozent (43 Euro). Für Menschen mit Behinderung ist ein Bonus von 18 Prozent (155 Euro) vorgesehen. Im Vergleich zu den bisherigen Plänen handelt es sich nun um eine Muss-Bestimmung für die Länder.

Kann-Bestimmung bei Alleinerziehenden

Für Alleinerzieherinnen und Alleinerzieher bleibt es hingegen bei der Kann-Bestimmung. Ihnen können die Länder nach eigenem Ermessen Zuschläge von zwölf Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit 103,5 Euro) bei einem Kind ausschütten, bei zwei Kindern 21 Prozent (181 Euro), bei drei Kindern 27 Prozent (233 Euro) und für jedes weitere Kind plus drei Prozent. Leben mehrere Sozialhilfebezieher bzw. -bezieherinnen in einer Wohngemeinschaft, so ist eine Deckelung von 175 Prozent des Ausgleichszulagenrichtsatzes (derzeit 1.510,25 Euro) vorgesehen.

Klargestellt wurde, dass nicht nur Kinder, sondern auch Menschen mit Behinderung von dieser Deckelung ausgenommen sind. Außerdem sind nun auch dauerhaft erwerbsunfähige Bezieher und Bezieherinnen von der Bestimmung ausgenommen. Die Sozialhilfe wird maximal für zwölf Monate gewährt, danach muss ein neuer Antrag gestellt werden. Bestehende bessere Regeln der Länder für Sonderbedarf (Pflege, Behinderung) werden nicht berührt. Die Länder können – wie auch schon bisher bekannt – einen Wohnzuschuss von 30 Prozent gewähren, um die unterschiedlich hohen Mietkosten in den Bundesländern zu berücksichtigen.

Nichts ändert sich übrigens an den schon im Entwurf geschätzten Kosten für die Länder. Nach der im Entwurf enthaltenen „Folgekostenabschätzung“ sollen laut der Schätzung den Ländern Mehrkosten von 6,7 Millionen Euro im Jahr 2020, 11,8 Mio. im Jahr 2021 und 14,6 Mio. Euro im Jahr 2022 entstehen.