Kanzleramtsminister Gernot Blümel
APA/Hans Punz
Regierungsvorlage

Aus für anonyme Postings ab 2020

Die Regierung hat am Mittwoch ihren Entwurf für eine Registrierungspflicht für Internetforennutzer und -nutzerinnen präsentiert. Forenbetreiber – etwa Zeitungen und Plattformen wie Facebook – sollen verpflichtet werden, Namen und Adressen ihrer Nutzer zu speichern. Laut Medienminister Gernot Blümel (ÖVP) sind die Pläne in Europa bisher präzedenzlos – Kritiker sehen EU- und verfassungsrechtliche Probleme.

Postings sollen damit zwar weiterhin unter Pseudonymen verfasst werden dürfen, die Behörden sollen bei Bedarf aber auf die Identität der Nutzer zugreifen können. Die Regierung propagiert die schon länger bekannten Pläne als „digitales Vermummungsverbot“ und als Maßnahme gegen Hasspostings im Netz. Was in der analogen Welt strafbar sei, sei auch im digitalen Raum verboten, so Blümel. Daher müsse die Identifizierbarkeit gegeben sein, damit Personen, die widerrechtliche Handlungen setzen, ausforschbar seien, so der Minister im Pressefoyer nach dem Ministerrat.

Wie Blümel am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal sagte, soll das Gesetz ab 2020 für alle Onlineplattformen gelten, die entweder 100.000 User oder 500.000 Euro Jahresumsatz haben oder die über 50.000 Euro Presseförderung beziehen. Damit würde es – ein Beschluss im Herbst vorausgesetzt – für die österreichischen Tageszeitungen gelten und auch für Plattformen wie Facebook und Twitter. Nicht betroffen wären kleinere Medien, darunter auch FPÖ-nahe Plattformen wie Unzensuriert.at. Man wolle Start-up-Gründungen nicht behindern, so Blümel – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Übergangsfrist für bestehende Communitys

Große internationale Plattformen sollen einen „Zustellungsbevollmächtigten“ in Österreich benennen. Für die User bestehender Foren und Internetplattformen soll die Registrierungspflicht ebenfalls gelten, allerdings wird es hier laut Blümel Übergangsfristen geben.

Europarechtliche Probleme erwartet Blümel nicht, wie er mit Verweis auf das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz sagte. Das seit Oktober 2017 in Deutschland geltende Gesetz gegen Hass und Hetze im Netz schreibt Plattformbetreibern eine maßgebliche Rolle bei der Sperrung rechtswidriger Inhalte zu. Diese müssen in einer festgelegten Frist nach einem ersten Hinweis darauf gelöscht werden, das Gesetz sieht bei Verstößen empfindliche Geldstrafen vor.

Neues Gesetzesvorhaben gegen Hasspostings im Netz

Die Bundesregierung plant eine Registrierungspflicht, damit Nutzer von Internetforen nicht mehr anonym schreiben können.

Identitätserhebung „relativ leicht machbar“

Blümel geht davon aus, dass die Registrierung der Nutzer – sie müssen den Betreibern der Internetplattformen künftig mit Namen und Adresse bekannt sein – „durch die technischen Möglichkeiten, die es am Markt gibt, relativ leicht machbar“ sein werde. Möglich wäre etwa eine Zweifaktorauthentifizierung mittels SMS-Code-Bestätigung, weil ja auch die Nutzer von Telefonwertkarten mittlerweile namentlich bekannt sein müssen. Man sei sich bewusst, dass die Pläne in Europa präzedenzlos seien, so Blümel, er betonte in diesem Zusammenhang die Bedeutung der sechswöchigen Begutachtungsfrist.

Experten haben allerdings schon im Vorjahr darauf hingewiesen, dass eine ähnliche Regelung in Südkorea gescheitert sei, und zwar u. a. deshalb, weil Hacker in die Server von Onlinemedien eingedrungen seien und so die Daten von Millionen Südkoreanern gestohlen hätten.

Experte sieht Verfassungsprobleme

Der IT-Rechtsexperte Lukas Feiler von der Kanzlei Baker McKenzie verwies im „Standard“ allerdings auf mögliche Verfassungsprobleme. Der Plan verstößt aus seiner Sicht „sowohl gegen EU-Recht als auch gegen österreichische Grundrechte“. Das deshalb, weil die E-Commerce-Richtlinien der EU vorsehen, dass Dienstanbieter im Netz lediglich dem Recht des Herkunftslandes unterliegen.

Österreich dürfte ausländischen Anbietern keine strengeren Vorgaben machen als das jeweilige Heimatland. Sollten heimische Anbieter strenger behandelt werden als ausländische, würde das wiederum den Gleichheitsgrundsatz der österreichischen Verfassung verletzten, so Feiler.

Scharfe Kritik von Internetanbietern

Scharfe Kritik kommt von den Internetanbietern. „Eine derartige ‚Ausweispflicht‘ im Internet hat mit den Verhältnissen der physischen Welt nichts zu tun, wie von den Proponenten behauptet wird. Schließlich muss ich mich nicht ausweisen, bevor ich mich offline zu einem Thema äußere“, kritisierte Maximilian Schubert, Generalsekretär des Branchenverbandes ISPA. Eine derartige Vorgehensweise widerspräche den Grundsätzen des gemeinsamen Binnenmarktes, bremse die Digitalisierung Österreichs und senke damit die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts.

Die Grundrechts- und Datenschutz-NGO Epicenter.works sieht durch die Registrierungspflicht der Totalüberwachung „Tür und Tor geöffnet“. Vorstand Christof Tschohl bezeichnete die Regierungspläne – gemeinsam mit jenen zur Digitalsteuer – als „massive Grenzüberschreitung in Sachen Datenschutz“. Jetzt werde das auf nationaler Ebene erlaubt, was bisher durch E-Privacy verboten wurde und auch dem Datenschutzgrundrecht widerspricht.

Opposition spart nicht an Kritik

„Am Ziel vorbei“ geht der Vorschlag einer digitalen Identifikationspflicht im Internet für SPÖ-Diversitätssprecher Mario Lindner. „Was die Regierung hier vorgelegt hat, ist keine Lösung für die Herausforderungen, vor denen wir im digitalen Raum stehen“, meinte er. Schon lange sei Anonymität nicht das zentrale Problem – Hasspostings würden regelmäßig unter dem echten Namen abgesetzt, was auch aktuelle Beispiele gerade in Österreich zeigten.

Als „bestenfalls undurchdacht, schlimmstenfalls ein Angriff auf das freie Internet“ bezeichnete Claudia Gamon, EU-Spitzenkandidatin von NEOS, die Pläne zur Identifikationspflicht im Netz. Auch sie glaubt, dass Hasspostings dadurch nicht weniger würden. Entweder verstehe die Regierung die „absoluten Basics des Internets“ nicht oder benutze Hasspostings als Vorwand, um die Freiheit des Internets weiter einzuschränken.