Brexit-Gipfel
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Neuer Stichtag 31. Oktober

Brexit wird erneut verschoben

Der Brexit wird ein weiteres Mal vertagt – und zwar auf den 31. Oktober. Die britische Premierministerin Theresa May hat ein entsprechendes Angebot der EU-27 in der Nacht auf Donnerstag in Brüssel akzeptiert. Ein ungeordneter Brexit am Freitag ist damit vom Tisch. Allerdings müssen die Briten nun auch an der EU-Wahl Ende Mai teilnehmen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach nach dem Sondergipfel von einer „flexiblen Verschiebung“, die „kürzer als erwartet“ sei. Für Großbritannien bedeute das „sechs zusätzliche Monate, um die bestmögliche Lösung zu finden“. Die Zeit sollte aber ausreichen, um die beste Lösung zu erreichen. „Bitte verschwendet die Zeit nicht!“, so Tusk, der einmal mehr die Hoffnung äußerte, dass Großbritannien den Brexit überhaupt absagt. „Mir wäre ein Deal ohne Brexit lieber gewesen.“

Großbritannien werde bis zum neuen Termin ein „vollwertiges Mitglied mit allen Rechten“ bleiben, so Tusk weiter. Dabei müsse sich das Land laut dem Papier „verantwortungsvoll“ benehmen und dürfte die Ziele der EU „nicht gefährden“. Der Deal sieht auch vor, dass im Juni die Fortschritte des Austritts überprüft werden sollen. Bei dem Termin sollen allerdings keine Entscheidungen getroffen werden.

Jean Claude Juncker  und Donald Tusk
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Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Tusk sehen den Ball nun bei den Briten

Sollte May noch vor dem 31. Oktober einen Deal durch das Parlament bringen, könnte der Brexit auch früher stattfinden. Sie dürfte nach wie vor darauf hoffen, eine Mehrheit für einen Austrittsvertrag zu finden. Die Premierministerin kündigte für Donnerstag eine Erklärung im britischen Parlament an. Großbritannien müsse die EU so schnell wie möglich verlassen, um nicht an der EU-Wahl teilnehmen zu müssen. Sie wolle nicht so tun, als ob die kommenden Wochen einfach werden würden. May sagte, es liege nun an den britischen Abgeordneten.

Widerstand gegen Teilnahme an EU-Wahl

Dass es zu einer Verschiebung kommen würde, war bereits zu Beginn des Gipfels äußerst wahrscheinlich gewesen. Gespießt hatte es sich allerdings an der Frage, wie lange der Aufschub dauern soll. Die Mehrheit der EU-27 soll sich für eine lange Verschiebung ausgesprochen haben. Widerstand kam von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Er hatte das mit den Gefahren für die EU-Institutionen und die Europawahl im Mai begründet.

Denn der Aufschub bedeutet, dass die Briten offiziell in der EU bleiben und auch an der Wahl teilnehmen müssen. Sollte Großbritannien nicht vorher auf eigene Initiative austreten, wird das nun auch der Fall sein. Sollte Großbritannien an der Wahl nicht teilnehmen, drohe ein harter Brexit ohne Abkommen per 1. Juni, so der irische Ministerpräsident Leo Varadkar. „Regeln sind Regeln, und wir müssen das europäische Recht akzeptieren“, so Kommissionspräsident Juncker dazu. Ihm „gefalle“ die nun gefundene Lösung.

Donald Tusk Theresa May und Angela Merkel
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Die Stimmung auf dem Gipfel, hier zwischen Tusk, May und der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, war offenbar auch gelöst

Juncker wandte sich dagegen, Großbritannien als Blockadefaktor nach der Wahl zu überschätzen. Man sollte „das Ganze etwas dedramatisieren“. Zu Stimmen, wonach Großbritannien Entscheidungen in den nächsten Jahren blockieren wolle, sagte er, „das ist ja auch nichts Neues“. Außerdem könnten die nächsten anstehenden großen Entscheidungen wie die Benennungen des Präsidenten des Rates und der Kommission mit qualifizierter Mehrheit entschieden werden. Die britischen Möglichkeiten für eine Blockade seien „begrenzt“.

Kurz sieht „Hemmschuh“

Laut Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verhinderte man durch die Fristverlängerung wahrscheinlich „enorme negative Auswirkungen für uns alle und vor allem für die Wirtschaft“. Die Kehrseite sei, dass Großbritannien „aller Voraussicht nach an der EU-Wahl teilnehmen wird“, so Kurz. Wenn bis dahin ein positiver Austritt gelinge, könne die Arbeit der neuen Kommission aber schon „ohne Großbritannien und ohne diesen Hemmschuh“ starten.

Die österreichische Position sei bei der Frage der Länge der Fristverlängerung näher bei der französischen Position gewesen. Man sei der Meinung gewesen, dass „eine eher kurze Fristverlängerung Sinn macht, um die ganze Debatte des Brexits nicht ins Unendliche zu ziehen“. Herausgekommen sei dann wie so oft ein Kompromiss, so Kurz.

May habe klar ihren Plan beschrieben, so Kurz. Was sie versuche, sei „grundanständig und richtig, aber ein großes Ass im Ärmel hat sie meiner Einschätzung nach nicht“, sagte er. Laut Tusk kann in der Sache im Übrigen auch noch alles passieren. „Ich hoffe auf eine endgültige Lösung bis Oktober. Aber ich bin zu alt, um ein anderes Szenario auszuschließen. Es ist immer noch alles möglich“, sagte er auf die Frage, ob er eine weitere Verlängerung nach Oktober ausschließe.

Warnung vor immer neuen Sondergipfeln

Ursprünglich hätte der Brexit bereits am 29. März stattfinden sollen. Doch das britische Parlament hatte den Austrittsvertrag zwischen Großbritannien und der EU mehrfach abgeschmettert, womit ein harter Brexit gedroht hatte. Die EU hatte die Frist daraufhin auf diesen Freitag verlängert, ein Vertrag war in London aber weiter nicht zustande gekommen. Ohne den neuen Aufschub bis 31. Oktober wäre es voraussichtlich zu einem harten Brexit mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft und viele Lebensbereiche gekommen. Mit 1. November endet die Amtszeit von Juncker als Kommissionspräsident.

May hatte zuvor für eine Verschiebung des Austritts bis zum 30. Juni geworben. EU-Ratspräsident Tusk hatte allerdings gewarnt, ein kurzer Aufschub berge das Risiko immer neuer Sondergipfel und Fristen. Das könnte die übrige Arbeit der EU in den kommenden Monaten überschatten und lähmen. Andererseits wirft Großbritanniens Rolle als „halbes Mitglied“ zahlreiche Fragen auf.

Lawine an Halloween-Scherzen

Eine Notiz am Rande: Dass das neue Austrittsdatum just auf Halloween fällt, wurde natürlich unmittelbar zur Steilvorlage für Scherze. Die BBC zitierte Tweets wie etwa ein „Nightmare on Downing Street“ des schottischen Abgeordneten Keith Brown. Journalisten und Mitarbeiter des Senders kündigten an, sich als Tusk oder Juncker zu verkleiden.