Der ehemalige Präsident des Sudans Omar al-Bashir
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Sudan

Langzeitmachthaber Baschir zurückgetreten

Im Sudan gibt es Hinweise auf einen Militärputsch. Langzeitmachthaber Omar al-Baschir ist laut einem Minister bereits zurückgetreten. Es gebe Verhandlungen über einen „Militärrat“, der interimistisch die Macht übernehmen soll, sagte der Minister aus der Region Norddarfur, Adel Mahdschub Hussein, am Donnerstag dem in Dubai ansässigen Fernsehsender al-Hadath.

„Das Regime ist gefallen“ und „wir haben gewonnen“, skandierten die Menschen vor den Toren des Armeehauptquartiers, auf dem sich auch die Residenz des Präsidenten und das Verteidigungsministerium befinden. Die Umstände des Rücktritts sind unklar. Auch über Baschirs Aufenthaltsort gibt es keine offiziellen Angaben. Ein Sohn des Oppositionsführers Sadik al-Mahdi sagte dem in Dubai ansässigen Sender al-Hadath, dass Baschir unter Hausarrest stehe.

Laut einem hohen Regierungsbeamten und einem hohen Militärangehörigen, die beide nicht namentlich genannt werden wollten, soll das Militär Baschir zum Rücktritt gezwungen haben – das sagten sie der Nachrichtenagentur AP. Es gebe bereits Gespräche über eine Übergangsregierung.

Demonstranten
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Die Demonstrationen gegen Baschir hatten vor einigen Monaten begonnen und wurden immer größer

Die Organisatoren der monatelangen Proteste sind laut eigenen Angaben mit dem Militär im Gespräch über eine Übergangsregierung. Sarah Abdel Dschalil, eine Sprecherin der Sudanese Professionals Association, die die Proteste organisiert hat, sagte der AP, dass man keinen Militärputsch unterstützen werde. Das Militär solle vielmehr eine Übergangsregierung stützen.

Putsch und Gegenputsch?

Unterdessen stürmten laut einem Augenzeugenbericht Soldaten den Sitz von Baschirs Islamischer Bewegung in der Hauptstadt Khartum. Laut dem Sender al-Arabija wurden bereits alle politischen Gefangenen freigelassen. Der Sender stützt sich dabei auf nicht näher genannte sudanesische Quellen. Von der amtliche Nachrichtenagentur SUNA hieß es indes, dass der gefürchtete Geheimdienst am Donnerstag die Freilassung aller politischen Gefangenen angekündigt habe.

Demonstranten und Soldaten
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Das Militär ist im Zentrum Karthums präsent

Der Nationale Geheim- und Sicherheitsdienst habe erklärt, er lasse „alle seine politischen Gefangenen im ganzen Land frei“, so SUNA. Es war zunächst offen, wie viele Häftlinge davon betroffen sein werden und wie schnell sie freigelassen werden sollen. Erst am Wochenende waren während der Proteste gegen Baschir rund 2.500 Menschen festgenommen worden

„Die Streitkräfte werden in Kürze eine wichtige Stellungnahme abgeben“, kündigte das staatliche Fernsehen bereits am Vormittag an. „Seien Sie bereit.“ Auch mehrere Stunden danach ließ diese weiter auf sich warten. Die Ankündigung weckte Erwartungen, dass das Militär offiziell einen Machtwechsel bekanntgibt. Soldaten besetzen einem Mitarbeiter des Staatsfernsehens zufolge das Gebäude des Senders und wiesen die Techniker an, nur die Ankündigung über die Erklärung der Armee zu senden. Die Stellungnahme verzögert sich allerdings offenbar. Laut al-Arabija soll es zu einem Gegenputsch gekommen sein. Nähere Informationen gab es indes nicht.

Zehntausende auf den Straßen

Die Straßen im Zentrum füllten sich zudem mit Zehntausenden Demonstrantinnen und Demonstranten. Armee und Sicherheitskräfte wurden am Donnerstag rund um das Verteidigungsministerium, Hauptstraßen und Brücken in der Hauptstadt Khartum gesichtet. Die Augenzeugen berichteten von zahlreichen mit Soldaten besetzten Militärfährzeugen, die in der Früh eingetroffen seien. Laut den Angaben bezogen weitere Mannschaftswagen im Zentrum der Hauptstadt Stellung. Mehrere Regierungsmitglieder, darunter der Verteidigungsminister, sollen laut al-Arabija festgenommen worden seien. Eine offizielle Bestätigung dafür liegt nicht vor.

Im staatlichen Radio wurde patriotische Musik wie Marschmusik gespielt. In dem Land mit 40 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gibt es seit Monaten Proteste gegen Baschir, der seit drei Jahrzehnten im Amt ist. Auslöser der Proteste waren Preiserhöhungen für Nahrungsmittel und andere Waren des Grundbedarfs. Seit der ölreiche Süden des Landes 2011 die Unabhängigkeit erlangte, rutschte der Sudan in eine schwere Wirtschaftskrise.

Seit 30 Jahren an der Macht

Baschir hielt sich 30 Jahre an der Macht. In dieser Zeit trotzte er den gewaltsamen Konflikten in seinem Land ebenso wie der internationalen Justiz. Als General stürzte er 1989 mit einer Gruppe von gleichgesinnten hochrangigen Offizieren die demokratisch gewählte Regierung. Er verhängte den Ausnahmezustand, setzte die Verfassung außer Kraft, löste das Parlament und alle Parteien auf. 1996 ließ sich Baschir erstmals durch eine Wahl im Amt bestätigen, die Abstimmung galt aber weder als frei noch als fair.

Unter dem Einfluss seines islamistischen Mentors Hassan al-Turabi setzte der Staatschef im Sudan eine radikale Auslegung des Islam durch. Zusammen gründeten sie paramilitärische Volksverteidigungskräfte, die im Süden einen „Dschihad“ gegen „Ungläubige“ ausfochten. Seit 1993 steht der Sudan auf der US-Liste jener Länder, die den Terrorismus unterstützen. In den 1990er Jahren konnte der Terroristenführer Osama bin Laden von dort aus in Ruhe sein Netzwerk al-Kaida aufbauen.

Haftbefehl wegen Völkermordes

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) erließ 2009 einen Haftbefehl gegen Baschir wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westlichen Region Darfur. Im Jahr 2010 folgte ein Haftbefehl wegen Völkermordes in dem Gebiet, wo nach UNO-Angaben beim Vorgehen der Armee und verbündeter Milizen gegen Rebellengruppen seit 2003 mehr als 300.000 Menschen getötet wurden. Zwei Millionen Einwohner ergriffen die Flucht.

2011 spaltete sich der mehrheitlich von Nichtmuslimen bewohnte Südsudan nach einem langen Bürgerkrieg ab. Der Sudan verlor dadurch drei Viertel seiner Erdölreserven – ein schwerer Schlag für die ohnehin durch ein 1997 verhängtes US-Embargo geschwächte Wirtschaft des Landes. Im Herbst 2013 kam es in der Hauptstadt Khartum zu Protesten gegen den Anstieg der Treibstoffpreise infolge der Streichung staatlicher Subventionen. Die Demonstrationen wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen, Dutzende Menschen wurden getötet.