WikiLeaks-Gründer Julian Assange
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Festnahme in London

Assange droht Auslieferung in USA

Ein Gericht hat WikiLeaks-Gründer Julian Assange am Donnerstag in London für schuldig befunden, gegen seine Kautionsauflagen in Großbritannien verstoßen zu haben. Dafür droht ihm eine Haftstrafe von bis zu zwölf Monaten. Dem gebürtigen Australier droht zudem eine Auslieferung in die USA, wo ihm Verschwörung vorgeworfen wird.

Assange hatte seit sechs Jahren und zehn Monaten in der Botschaft Ecuadors in London gelebt und war am Donnerstag festgenommen worden, nachdem Ecuador sein diplomatisches Asyl aufgehoben hatte. Assanges Anwalt hatte vor Gericht argumentiert, der heute 47-Jährige habe sich den Behörden entziehen müssen, da ihn kein fairer Prozess erwarte und er an die USA ausgeliefert werden solle.

Der Richter am Westminster Magistrates’ Court wies das als „lachhaft“ zurück. Ein Datum für das Urteil steht noch nicht fest, bis dahin soll Assange in Gewahrsam bleiben. Am 2. Mai soll es vor demselben Gericht um das Auslieferungsgesuch der USA gehen. Die US-Justiz wirft Assange Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor. Die britische Regierung hatte aber schon zuvor klargestellt, Assange werde nicht ausgeliefert, falls ihm die Todesstrafe drohen sollte.

Anklage wegen Verschwörung in den USA

Doch das Justizministerium teilte am Donnerstag mit, dass Assange im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe von maximal fünf Jahren droht. Das Interesse der US-Justiz wurde im November 2018 bekannt, als Assanges Name versehentlich in einem US-Dokument auftauchte. In der Anklageschrift wird der Australier beschuldigt, Manning dabei geholfen zu haben, ein Passwort eines Computernetzwerks der US-Regierung zu knacken. Manning hatte WikiLeaks vor neun Jahren Hunderttausende geheime Militärdokumente zukommen lassen.

US-Anklage gegen Julian Assange
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Die Anklageschrift der USA wurde kurz nach der Verhaftung von Assange veröffentlicht

Für den Völkerrechtler Sigmar Stadlmeier von der Johannes-Kepler-Uni in Linz ist eine mögliche Auslieferung klar geregelt. „Jene Staaten, die die Zusatzprotokolle der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet haben, liefern auch nicht in Länder aus, wo der Person die Todesstrafe droht“, sagte der Experte im Gespräch mit ORF.at. Dass Assange in den USA nun mit einer Haftstrafe von nur fünf Jahre Haft zu rechnen hat, bedeute jedoch nicht, dass er sich darauf auch in Zukunft verlassen kann.

Ob und wann jemand ausgeliefert wird, sei oft eine Entscheidung, die auf aktuelle Ereignisse aufbaut, so Stadlmeier. Es gebe zwar Auslieferungsabkommen, in denen meist solche Fragen vorab geklärt würden, so der Völkerrechtler. Allerdings müsste ein Staat schon in die Zukunft schauen können, um zu wissen, was dem Beschuldigten in dem Land am Ende wirklich drohe. US-Präsident Donald Trump hatte jedenfalls WikiLeaks während des Wahlkampfes 2016 gelobt und erklärt, er liebe die Organisation. Nach der Festnahme am Donnerstag sagte der US-Präsident, dass er mit der Enthüllungsplattform nicht vertraut sei.

„Sache der USA“

Australiens Premier Scott Morrison schloss eine Einmischung seiner Regierung in den Fall aus. Das sei „Sache der USA“ und habe „nichts mit uns zu tun“, so Morrison am Freitag. Assange erhalte keine Sonderbehandlung, ihm werde die übliche konsularische Unterstützung gewährt. Morrison: „Wenn Australier ins Ausland reisen und mit dem Gesetz in Konflikt geraten, müssen sie sich dem Justizsystem des jeweiligen Landes stellen. Es spielt keine Rolle, welches Verbrechen sie angeblich begangen haben.“

Assange-Mitarbeiter in Ecuador festgenommen

In Ecuador wurde indessen ein „sehr enger“ Mitarbeiter von Assange festgenommen, als dieser nach Japan habe reisen wollen, teilte die ecuadorianische Innenministerin Maria Paula Romo am Donnerstag mit. Einem Medienbericht zufolge soll es sich um einen Schweden handeln, der auf Sicherheitstechnologie und Verschlüsselung spezialisiert ist.

Innenministerin Romo hatte den Mann zuvor mit Versuchen in Verbindung gebracht, die Regierung von Präsident Lenin Moreno zu „destabilisieren“. Der Festgenommene lebe schon seit Jahren in Ecuador und sei eine der „Schlüsselfiguren“ von WikiLeaks. In der Vergangenheit habe er Auslandsreisen mit dem früheren ecuadorianischen Außenminister Ricardo Patino unternommen.

Clinton: Assange muss sich vor Gericht verantworten

WikiLeaks hatte 2016 interne E-Mails der Demokraten veröffentlicht. US-Geheimdienste gehen davon aus, dass die E-Mails von russischen Hackern WikiLeaks zugespielt wurden, um der demokratischen Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton zu schaden. Trump, der für die Republikaner antrat, spielte das freilich in die Hände. Nun werde sich US-Justizminister William Barr um den Fall Assange kümmern, sagte er.

Assange müsse sich für seine mutmaßlichen Straftaten vor Gericht verantworten, sagte Clinton am Donnerstag (Ortszeit) in New York: „Aus der Anklage, die öffentlich geworden ist, geht hervor (…), dass es um die Unterstützung beim Hacken eines Militärcomputers geht mit dem Ziel, Informationen der US-Regierung zu stehlen.“ Sie werde warten, was mit den Anklagepunkten passiert und wie das Ganze weitergeht.

Verhaftung in Londoner Botschaft Ecuadors

Assange selbst will sich gegen die drohende Auslieferung in die USA wehren. Der 47-Jährige werde das US-Auslieferungsgesuch „anfechten und bekämpfen“, sagte Assanges Anwältin Jennifer Robinson. Zuvor hatte bereits WikiLeaks Ecuador vorgeworfen, mit der Aufhebung des diplomatischen Asyls gegen internationales Recht verstoßen zu haben. Denn Assange habe Schutz gesucht. Aber Ecuador habe Scotland Yard in die Botschaft gelassen, wo er dann festgenommen wurde.

WikiLeaks-Chefredakteur Kristinn Hrafnsson und Anwältin Jennifer Robinson
APA/AFP/Niklas Halle’n
WikiLeaks-Sprecher Kristinn Hrafnsson (r.) und Anwältin Jennifer Robinson (l.) vor dem Westminster Magistrates’ Court

Die Frage nach dem diplomatischen Asyl sei eine „spannende“, sagte der Völkerrechtsexperte August Reinisch zu ORF.at. In europäischen Staaten sei das diplomatische Asyl, also die Zuflucht und der Schutz von Personen in einer Botschaft, nicht anerkannt. „Trotzdem ist es nicht möglich, dass die Polizei in eine Vertretungsbehörde eindringt und die Personen darin festnimmt“, so der Experte von der Uni Wien. Denn diplomatische Räumlichkeiten sind „unverletztlich, was bedeute, sie dürfen nur mit Zustimmung des Botschafters betreten werden“.

Mit Erlaubnis nicht völkerrechtswidrig

Das war offenbar auch bei Assange der Fall. Es wurde, so hieß es, eine Einladung für Scotland Yard ausgesprochen. „Die Festnahme ist nicht völkerrechtswidrig, wenn eine ausdrücklicher Erlaubnis vorliegt“, wie der Linzer Europarechtsexperte Franz Leidenmühler bestätigte. Würde die nicht vorliegen, wäre es eine „grobe Verletzung“, betonte Reinisch, der aber hinzufügte: „Botschaftsgebäude sind Teil des Territoriums des Staates, wo sich die Botschaft befindet. Dass das Botschaftsterritorium ausländisches Land ist, ist unrichtig, wurde aber lange so erzählt.“

„Alles getan, um Assange zu schützen“

Assange droht aber nicht nur eine Auslieferung in die USA, sondern auch nach Schweden. 2012 flüchtete er nämlich in die Botschaft, um sich einer Überstellung nach Schweden zu entziehen. Assange war dort vorgeworfen worden, 2010 zwei Frauen vergewaltigt und sexuell genötigt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen im Mai 2017 eingestellt, weil sie keine Möglichkeiten sah, diese weiterzuführen. Eine der Frauen will aber nun, dass die Ermittlungen wieder aufgenommen werden.

WikiLeaks-Gründer Assange verhaftet

Die britische Polizei hat am Donnerstag Julian Assange festgenommen. Die ecuadorianische Botschaft in London hatte dem Mitgründer der Enthüllungsplattform WikiLeaks fast sieben Jahre lang Asyl gewährt.

Warum Ecuador Assange am Ende den Behörden übergab, sagte Moreno am Donnerstag auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Er bezeichnete Ecuador als „großzügig“, und die Regierung respektiere das internationale Recht auf Asyl. Aber das „unhöfliche“ und „aggressive“ Verhalten Assanges gegen Ecuador könne man nicht länger dulden. „Sechs Jahre und zehn Monate lang hat die Botschaft alles getan, um Assange zu schützen. Ecuador hat seine Pflicht getan. Der jüngste Vorfall ereignete sich im Jänner 2019, als WikiLeaks Dokumente aus dem Vatikan veröffentlichte“, sagte Moreno.

„Schlüsselfiguren“ hätten Assange nach und vor der „illegalen Tat“ besucht, so Moreno weiter. Damit sei klar gewesen: Assange ist weiterhin Teil von WikiLeaks und mische sich in die Angelegenheiten anderer Staaten ein. „Die Geduld ist am Ende“, ließ der Staatschef wissen. Er habe Großbritannien gebeten, Assange aber keinesfalls in ein Land zu überstellen, wo die Todesstrafe legal ist (unter anderem in manchen US-Bundesstaaten, Anm.). Die britische Regierung habe zugestimmt, so Moreno. „WikiLeaks, die mit Assange verbundene Organisation, hat die Regierung in Ecuador bedroht, aber wir haben nichts zu fürchten.“