Kardinal Müller: „Benedikt hat die Eiterbeule aufgestochen“

Der frühere Papst Benedikt XVI. hat mit seinem Schreiben zur Missbrauchskrise nach Ansicht des deutschen Kardinals Gerhard Ludwig Müller als Einziger etwas Sinnvolles zu dieser Debatte in der katholischen Kirche beigetragen. „Benedikt hat in seinem Schreiben die Eiterbeule aufgestochen“, sagte der frühere Präfekt der Glaubenskongregation gestern der dpa in Rom.

„Mit seinen 92 Jahren hat Benedikt XVI. einen Text verfasst, der intelligenter ist als alle Beiträge auf dem römischen ‚Missbrauchsgipfel‘ und der neunmalklugen Moralexperten bei der Deutschen Bischofskonferenz zusammen.“

Debatte über „68er Revolution“

Am Donnerstag hatten mehrere Medien einen Aufsatz des emeritierten Papstes veröffentlicht, in dem dieser die „68er Revolution“ als eine Ursache für den sexuellen Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche anführt. Mit seinem Schreiben meldete sich der gebürtige Bayer, der am Dienstag seinen 92. Geburtstag feiert, in einer äußerst heiklen Phase für seinen Nachfolger Franziskus zu Wort. Die Kirche steckt wegen des Skandals um sexuellen Missbrauch durch Geistliche in einer tiefen Krise. Papst Franziskus hatte im Februar die Bischöfe der Welt zu einem Gipfeltreffen nach Rom eingeladen, um über das Problem zu beraten.

„Man sucht überall nach Schuldigen, umschleicht aber wie die Katze den heißen Brei“, sagte Müller. „Und das ist das falsche materialistische Menschenbild mit der Reduktion der Sexualität auf eine Ware und egoistisches Genussmittel.“