Weiße Kreuze am Gelände der Dozier School for Boys
Reuters/Michael Spooneybarger
„Horrorheim“ in Florida

Offenbar 27 weitere Gräber entdeckt

Die Dozier School for Boys in einer abgelegenen Kleinstadt in Florida ist vor rund 10 Jahren als „Horrorheim“ zu trauriger Berühmtheit gekommen. Damals wurde bekannt, dass dort über 100 Jahre Generationen von Buben misshandelt wurden. Mindestens 100 von ihnen sollen auf dem Schulgelände gestorben sein, bisher wurden aber nur rund 50 Grabstätten entdeckt. Bei Arbeiten auf dem Areal wurden jetzt Hinweise auf 27 weitere Gräber entdeckt.

Auf dem Gelände der erst 2011 geschlossenen Schule soll ein Gewerbegebiet und eine Schule für autistische Kinder errichtet werden, berichtete die „New York Times“. Bei den ersten Vorarbeiten sei man auf „Unregelmäßigkeiten“ unter der Erde gestoßen, so Gouverneur Ron DeSantis Ende letzter Woche. Eine Firma, die dazu beauftragt worden sei, unterirdische Öltanks zu untersuchen, hätte diese mit einem Bodenradar entdeckt. Man gehe davon aus, dass es sich um 27 Gräber handle.

Die Dozier School for Boys hat eine lange und düstere Geschichte. Sie wurde 1900 als staatliche Umerziehungsanstalt gegründet und war lange für ihre brutalen Erziehungsmaßnahmen berüchtigt. Schon 1903 gab es Berichte, wonach Kinder dort in Ketten gehalten werden. Aus den 1950er und 1960er Jahren gibt es viele Berichte über schwere Misshandlungen.

Dozier School for Boys, 2011
AP/Brendan Farrington
2011 wurde die Dozier School for Boys für immer geschlossen

Hunderte Betroffene fordern Aufklärung

In den vergangenen 60 Jahren meldeten sich Hunderte Männer, die Horrorgeschichten über die Zustände in der Schule berichteten. Sie nennen sich selbst „White House Boys“ („Die Buben vom weißen Haus“) und fordern Aufklärung. Der Name bezieht sich auf ein kleines weißes Gartenhaus auf dem Gelände der Anstalt, in der die Kinder misshandelt worden sein sollen.

Die Vorwürfe wogen so schwer, dass 2008 der damalige Gouverneur von Florida, Charlie Crist, Untersuchungen anordnete. Die „White House Boys“ und ehemalige Mitarbeiter der mittlerweile geschlossenen Anstalt wurden befragt. Nach Angaben des Florida Department of Law Enforcement (FDLE) wurden so rund 100 Todesfälle dokumentiert, darunter zwei Erwachsene. Ehemalige Schüler sind überzeugt, dass es noch um ein Vielfaches mehr sein könnten.

Verschwundene Kinder, Rätselraten über Todesursachen

„Hier handelt es sich um Kinder, die an diese Schule kamen und aus welchem Grund auch immer hier starben und einfach in den Wäldern versteckt wurden“, erklärte Erin Kimmerle, Anthropologin der Universität von South Florida, die mit ihrem Team schon vor sechs Jahren die Gegend rund um die ehemalige Schule untersuchte. Rund 31 weiße Metallkreuze markieren mittlerweile den Fundort von Leichen. Bei den meisten der Toten habe es sich um Kinder afroamerikanischer Herkunft im Alter zwischen sechs und 18 Jahren gehandelt.

Ausgrabung am Gelände der Dozier School for Boys
Reuters
Anthropologen der University of South Florida fanden schon 2013 Dutzende versteckte Gräber auf dem Gelände

„Ich weiß von einem, den ich persönlich in einer Badewanne habe sterben sehen, nachdem er erst halb tot geschlagen worden war“, sagte Roger Kiser, ein ehemaliger Schüler, schon vor einigen Jahren gegenüber dem „Guardian“. „Ich hatte geglaubt, er sei bei einem Fluchtversuch von den Hunden angegriffen worden. Ich habe nie die Wahrheit darüber erfahren.“ Ein anderer Bub sei in einen Wäschetrockner gesperrt worden und darin gestorben.

Wegen Bagatellen in „Besserungsanstalt“

Die Kinder seien wegen Bagatellen wie Rauchen in der Schule in die Besserungsanstalt gekommen, erzählte ein anderer früherer Insasse, der 67-jährige Jerry Cooper. „Wir waren keine schlechten Kinder. Wir hätten vielleicht etwas Hilfe gebraucht. Aber dort war nicht der richtige Platz dafür.“

Dutzende weitere frühere „White House Boys“ schilderten ähnliche Horrorszenen wie Kiser und Cooper. Gerüchte, dass in der Schule etwas nicht mit rechten Dingen zugehe, hatten sich jahrzehntelang hartnäckig gehalten. Nach einer ersten Untersuchung 2008 wurden offiziell keine Beweise für Misshandlungen gefunden, dafür aber zahllose Gräber – von Schülern, die es offiziell nie gegeben hatte.