Ein Mopedfahrer vor Wahlplakaten
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Präsident und Parlament

Mammutaufgabe Wahlen in Indonesien

Fast 193 Millionen Indonesier und Indonesierinnen sind am Mittwoch zu den Urnen gerufen – eine komplexe Herausforderung für alle Beteiligten. Denn gewählt wird nicht nur der nächste Präsident des Landes, sondern auch die Mitglieder des Parlaments. Trotz der Abgeschiedenheit vieler Wahlorte sind dafür nur sechs Stunden vorgesehen.

250.000 Kandidaten stellen sich für 20.538 politische Positionen auf verschiedenen Ebenen für die nächsten fünf Jahre zur Wahl. An landesweit 809.500 Stellen können die genau 192,8 Millionen registrierten Wahlberechtigten in der weltweit drittgrößten Demokratie ihre Stimmen abgeben. Die Wahlzettel müssen per Flugzeug, Kriegsschiffen, Pferden, Kanus und auch zu Fuß in die zum Teil sehr abgelegenen Regionen gebracht werden – Pannen inklusive.

Vergangene Woche sank ein Schiff mit 26 Säcken Stimmzetteln, nachdem es auf dem Weg zu den Natuna-Inseln im Südchinesischen Meer ein Korallenriff gerammt hatte. Von den Tausenden Inseln, deren Zahl je nach Quelle von mindestens 13.000 bis zu 18.000 schwankt, ist laut Schätzungen nur ein Drittel bewohnt. Mehr als die Hälfte der 276 Mio. Indonesier leben auf der Hauptinsel Java, deren Fläche mit nicht ganz 127.000 Quadratkilometern rund eineinhalbmal so groß ist wie Österreich Auf der dreieinhalbmal größeren Insel Sumatra lebt ein Fünftel der Bevölkerung.

Männer tragen Wahlzettelboxen aus einem überfluteten Raum
APA/AFP/Rangga Firmansyah
Die Wahlhelfer müssen sich auch widrigsten Umständen stellen, wie hier einer Überschwemmung im Westen Javas

Wähler in Indonesien müssen über 17 Jahre alt sein und einen elektronischen Identitätsnachweis besitzen, Verheiratete können auch früher wählen. Der digitale Ausweis hat auch zu einiger Kritik geführt: Denn gerade in den zum Teil sehr entlegenen oder weniger stark entwickelten Gebieten des Landes wie der Unruheprovinz Papua haben weniger als 50 Prozent der Wahlberechtigten einen solchen Ausweis, heißt es aus dem Innenministerium.

Vierte Präsidentschaftswahl seit Unabhängigkeit

Auch mehr als 1,6 Millionen Indigene in anderen Regionen des Landes könnten aus diesem Grund nicht zur Wahl zugelassen sein, schreibt der „Guardian“. Laut dem Bericht gibt es aber auch den Vorwurf von Unregelmäßigkeiten bei der Wahl: Laut Opposition sind 17 Millionen Wähler mit denselben Geburtsdaten registriert, einige sogar im 1. Jahrhundert n. Chr. Grundsätzlich gilt die Wahl in der verhältnismäßig jungen Demokratie als fair und frei. Es sind auch nur zwei Amtsperioden als Präsident möglich.

Grafik zeigt eine Karte von Indonesien
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: IWF

Es ist erst die vierte Präsidentschaftswahl seit der Unabhängigkeit des Landes 1945 bzw. 1949 – bis 2004 wurden die Präsidenten durch das Militär ernannt. Indonesien ist nach umfrangreichen Reformen nach dem Sturz des ehemaligen Diktators Suharto eine Präsidialrepublik, der Präsident ist Staatsoberhaupt, Regierungschef und oberster Chef des Militärs.

Das Parlament Majelis Permusyawaratan Rakyat (MPR) als höchstes Legislativorgan besteht aus zwei Kammern: 560 Abgeordnete des Dewan Perwakilan Rakyat (DPR) und 132 Regionalvertreter des Dewan Perwakilan Daerah (DPD). Letzteres hat aber nur Anhörungs- und Vorschlagsrechte. Im Parlament waren nach der Wahl 2014 zehn Parteien vertreten, die größte Fraktion ist die des Amtsinhabers Joko Widodo.

Neuauflage des Matches von 2014

Amtsinhaber Joko (57), auch „Jokowi“ genannt, tritt wie schon 2014 gegen den Ex-General und früheren Suharto-Schwiegersohns, Prabowo Subianto (67), an. Joko war Möbelhändler und wurde einst als der asiatische Barack Obama gefeiert. Seine Chancen auf eine Wiederwahl stehen gut, doch Jokos deutlicher Vorsprung schmolz zuletzt. Manche halten auch eine Überraschung für möglich, nachdem sich Prabowo, der mit Sandiaga Uno einen reichen Investmentbanker als Vize und aussichtsreicher Kandidat für 2024 ausgewählt hat, zuletzt deutlich volksnäher gab.

Indonesiens Präsident Joko Widodo und sein Konkurrent Prabowo Subianto
AP/Tatan Syuflana
Joko und sein Herausforderer Prabowo treten wohl beide zum letzten Mal an

Joko galt immer als bodenständiger Vertreter eines moderaten Islam, was ihm sogar den Vorwurf einbrachte, nicht islamisch genug zu sein. Seit einiger Zeit gewinnen die konservativen Kräfte deutlich an Einfluss in Indonesien. Nur wenige Tage vor der Wahl fuhr Joko daher an die heilige Städte nach Mekka. Er tritt zudem mit dem konservativen Kleriker Ma’ruf Amin (76) als Vize an, der Homosexualität ein Verbrechen nennt und sich für Fatwas gegen religiöse Minderheiten ausgesprochen hat.

Konservativer Kleriker verschreckt Jugend

Gerade sein Vize macht Joko bei der jungen Bevölkerung allerdings unattraktiv – und das könnte sich auswirken: Rund die Hälfte der Wahlberechtigten sind jünger als 40. Die Mehrheit des konservativen islamischen Lagers setzt laut Beobachtern auf Prabowo, der für einige Menschrechtsverletzungen während der Suharto-Diktatur verantwortlich ist. 87 Prozent der Bevölkerung Indonesiens sind muslimischen Glaubens.

Joko wird zudem vorgeworfen, in Sachen Menschenrechte zu wenig getan zu haben. Trotz internationaler Proteste gab es mehrere Hinrichtungen, auch Homosexuelle werden zunehmend diskreditiert und verfolgt. Korruption ist in Indonesien immer noch weit verbreitet, obwohl Joko den Kampf dagegen zu einem seiner wichtigsten Ziele gemacht hatte. Seine Befürworter streichen Jokos zahlreiche Infrastrukturprojekte hervor: Heuer wurde nach Jahren der Verzögerung die milliardenteure U-Bahn in der Hauptstadt Jakarta fertig.

Export und Tourismus stark

Wirtschaftlich steht Indonesien gemischt da: Es ist Mitglied der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer (G-20). Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug 2018 geschätzt rund 1,07 Billionen US-Dollar (rund 950 Mrd. Euro), das Wirtschaftswachstum beträgt 5,2 Prozent – rund zwei Prozent unter dem selbst gesteckten Ziel Jokos. Die Inflation wurde auf 2,5 Prozent gebremst, nach acht Prozent noch vor fünf Jahren.

Der Wohlstand ist allerdings ungleich verteilt: Schätzungen zufolge lebt ein Viertel der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Vor allem die rund 40 Mio. Bauern des Landes mussten zuletzt ein geringeres Realeinkommen verzeichnen. Prabowo hat im Fall seiner Wahl eine besonderes Förderung des Sektors versprochen. Ein Problem sind auch weiterhin die hohen Logistikkosten in dem Land.

Neben der Landwirtschaft mit den zentralen Palmölplantagen – das Land ist der größte Palmölproduzent – ist der Bergbau sehr wichtig. Exportiert werden unter anderem Gold, Kupfer, Nickel, Kohle und flüssiges Erdgas. Sinkt die Nachfrage in wichtigen Märkten wie zuletzt, schlägt das sofort auf die Bilanz um, so die „Financial Times“. Wichtig ist auch der Tourismus: Alleine die knapp 6.000 Quadratkilometer große Insel Bali wird jedes Jahr von rund vier Millionen Menschen besucht.