Die Brandgefahr sei gebannt, nun müsse man schauen, wie die Struktur des Gebäudes dem schweren Brand standhalten werde, hatte der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nunez, bereits Dienstagfrüh gesagt. Ein Feuerwehrmann und zwei Polizisten seien leicht verletzt worden, sagte Feuerwehrchef Jean-Claude Gallet: „Wir hatten großes Glück.“
Die Struktur der gotischen Kirche könne „in ihrer Gesamtheit erhalten“ werden, hatte Gallet bereits in der Nacht gesagt. „Das Schlimmste konnte verhindert werden“, sagte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Fassade der gotischen Kathedrale und die beiden Glockentürme seien dank des beherzten Einsatzes der Feuerwehr nicht eingestürzt, so Macron bei einem Besuch am Ort des Geschehens.
Die Feuerwehr war zeitweise nicht sicher, ob sie die Ausbreitung des Feuers werde aufhalten können. Der Großbrand war Montagabend ausgebrochen und breitete sich rasch auf eine Fläche von 1.000 Quadratmetern aus. Die Flammen hatten die 93 Meter hohe Kirchturmspitze zum Einsturz gebracht und weite Teile des Dachstuhls zerstört. Kurzzeitig hatte die Feuerwehr befürchtet, dass das Feuer die Konstruktion der Türme schwächen könnte und die tonnenschweren Glocken von Notre-Dame abstürzen könnten.
Dornenkrone gerettet, Rosette unversehrt
Eine der wichtigsten Reliquien der katholischen Kirche konnte gerettet werden. Es handle sich dabei um die Dornenkrone, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll, sagte der Direktor der Kathedrale, Patrick Chauvet. Sie gilt als eine der wertvollsten Reliquien, die in der Kathedrale aufbewahrt wurden. Auch das berühmteste der Mosaikfenster, die Rosette mit einem Durchmesser von zwölf Metern, blieb unversehrt, wie Aufnahmen aus dem Inneren der Kathedrale zeigen. Auch die aus den 1730er Jahren stammende weltberühmte Orgel im Inneren der Kirche blieb laut dem Pariser Vizebürgermeister Emmanuel Gregoire vom Feuer unversehrt
Die Sicherung der Kunstschätze sei eine der größten Herausforderungen bei den Löscharbeiten gewesen, hieß es seitens der Feuerwehr. Nach dem Einsturz des Spitzturms, der sich im Zentrum des Mittelschiffs befand, waren die Feuerwehrleute aus dem Inneren der Kirche zurückgezogen worden. Dort sei dann ein Roboter eingesetzt worden.
Zusammenhang mit Renovierungsarbeiten vermutet
Der Feuerwehr und einem Sprecher von Notre-Dame zufolge brach der Brand gegen 18.50 Uhr auf dem Dachboden der Kathedrale aus. Ein Teil der Seine-Insel, auf der die Kathedrale steht, wurde gegen 19.30 Uhr evakuiert. Die Brandursache ist Gegenstand von Ermittlungen der Pariser Staatsanwaltschaft. Die Kathedrale wurde bis zuletzt aufwendig restauriert. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft könnte der Brand mit Arbeiten am Dach in Zusammenhang stehen, wo Baugerüste installiert waren. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen fahrlässiger Brandstiftung ein und befragte Bauarbeiter.
Brand in Notre Dame unter Kontrolle
Nach stundenlangen Löscharbeiten konnte die Feuerwehr den Brand im Pariser Wahrzeichen unter Kontrolle bringen.
Der Direktor der Kathedrale stellte unterdessen Sicherheitsmängel beim Brandschutz in Abrede. Es gebe etwa Brandaufseher, die dreimal täglich den Dachstuhl prüfen, sagte Chauvet: „Ich glaube, dass man nicht mehr machen kann.“ Aber es gebe natürlich immer Vorfälle, die man so nicht habe vorhersagen können. Man müsse nun prüfen, was passiert sei – er wisse es noch nicht.
360 Mio. Euro für Wiederaufbau
Macron kündigte bereits in der Nacht den raschen Wiederaufbau des Pariser Wahrzeichens an. Die französische Milliardärsfamilie Pinault versprach umgehend 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau, wie Francois-Henri Pinault, der Chef des Luxusmodekonzerns Kering, in der Nacht auf Dienstag bekanntgab. Die Familie des französischen Geschäftsmannes Bernard Arnault (Moet Hennessy Louis Vuitton, LVMH) kündigte ebenfalls an, 200 Mio. Euro spenden zu wollen. Auch die UNESCO stellte Unterstützung in Aussicht.
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP, die Stadt werde sich mit 50 Millionen Euro am Wiederaufbau beteiligen. Die Region Ile-de-France, die größtenteils dem Großraum Paris entspricht, kündigte eine Soforthilfe von zehn Millionen Euro an.
Macron-Partei setzt EU-Wahlkampf aus
Macron hatte am Montag eine angekündigte TV-Ansprache wegen des Feuers abgesagt. Medienberichten zufolge plant Macron – Monate nach dem Beginn der „Gelbwesten“-Proteste – neue Erleichterungen für Französinnen und Franzosen. Am Dienstag sagte eine Politikerin aus Macrons Partei La Republique en Marche, dass der Europawahlkampf vorerst ausgesetzt werde.
Grundsteinlegung im Jahr 1163
Notre-Dame ist eine der bedeutendsten Pariser Touristenattraktionen und wird jährlich von Millionen von Menschen besucht. Die Kathedrale, die UNESCO-Weltkulturerbe ist, steht im Herzen der Stadt auf der Ile de la Cite. Ihre Geschichte reicht bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück. Der Grundstein des Gotteshauses wurde im Jahr 1163 gelegt. Fast 200 Jahre vergingen bis zur Fertigstellung.
Die Dimensionen der im gotischen Stil konstruierten und der Jungfrau Maria geweihten Kirche mit ihren beiden majestätischen Türmen sind gewaltig: 127 Meter lang, 40 Meter breit und bis zu 33 Meter hoch. International berühmt wurde die Kathedrale unter anderem durch den Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ des Schriftstellers Victor Hugo von 1831.