Die Staatsanwaltschaft Paris hatte bereits in der Nacht bestätigt, dass sich die Ermittlungen um „unbeabsichtigte Brandstiftung“ drehen. Laut Heitz werden Zeugen angehört. Dazu gehören auch Arbeiter, die bei den Renovierungsarbeiten in der Kathedrale beschäftigt waren. Die Kathedrale wurde bis zuletzt aufwendig restauriert. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft könnte der Brand mit Arbeiten am Dach in Zusammenhang stehen, wo Baugerüste installiert waren.
50 Ermittler suchen in der Kathedrale nach der Brandursache. Laut Heitz gab es am Montag zweimal Alarm: einmal um 18.20 Uhr, dabei sei aber bei einer Überprüfung kein Feuer entdeckt worden. Der zweite Alarm wurde um 18.43 Uhr ausgelöst – dann sei der Brand im Dachstuhl entdeckt worden.
Feuer komplett gelöscht
Dienstagvormittag konnte die Feuerwehr „Brand aus“ geben. „Das ganze Feuer ist aus“, sagte der Sprecher der Feuerwehr, Gabriel Plus. Nun beginne die Phase der Begutachtung. Der Brand auf dem Dach habe sich sehr schnell auf rund 1.000 Quadratmeter ausgebreitet, so Plus. Bei dem Feuer sind drei Menschen leicht verletzt worden. Dabei handle es sich um zwei Polizisten und einen Feuerwehrmann, teilte die Feuerwehr mit.
Fachleute entdeckten unterdessen nach Angaben des französischen Innenstaatssekretärs Laurent Nunez „einige Schwachstellen“ im Gebäude. Diese beträfen vor allem das Gewölbe, also die Gebäudedecke, so Nunez. Auch der Giebel im nördlichen Querschiff müsse deshalb abgesichert worden. „Im Ganzen hält die Struktur gut“, fügte er hinzu.
Im Zuge der Absicherung der historischen Kirche seien fünf Wohnhäuser in der unmittelbaren Nachbarschaft geräumt worden. Die Häuser liegen in einer schmalen Straße nördlich des Gotteshauses. Die Absicherungsarbeiten im Inneren der schwer beschädigten Kathedrale dürften rund 48 Stunden dauern, sagte der Staatssekretär.
Weitere Schwachstellen in Notre-Dame entdeckt
Nach dem verheerenden Brand in der Kathedrale Notre-Dame in Paris haben die Behörden bei der Besichtigung weitere Schwachstellen entdeckt.
Angst vor Absturz der Glocken
Die Struktur der gotischen Kirche könne „in ihrer Gesamtheit erhalten“ werden, hatte Feuerwehrchef Jean-Claude Gallet davor gesagt. „Das Schlimmste konnte verhindert werden“, sagte auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Fassade der gotischen Kathedrale und die beiden Glockentürme seien dank des beherzten Einsatzes der Feuerwehr nicht eingestürzt, so Macron bei einem Besuch am Ort des Geschehens.
Die Feuerwehr war zeitweise nicht sicher, ob sie die Ausbreitung des Feuers werde aufhalten können. Die Flammen hatten die 93 Meter hohe Kirchturmspitze zum Einsturz gebracht und weite Teile des Dachstuhls zerstört. Kurzzeitig hatte die Feuerwehr befürchtet, dass das Feuer die Konstruktion der Türme schwächen könnte und die tonnenschweren Glocken von Notre-Dame abstürzen könnten.
Direktor: Keine Mängel bei Brandschutz
Der Direktor der Kathedrale, Patrick Chauvet, stellte Sicherheitsmängel beim Brandschutz in Abrede. Es gebe etwa Brandaufseher, die dreimal täglich den Dachstuhl prüfen, sagte Chauvet: „Ich glaube, dass man nicht mehr machen kann.“ Aber es gebe natürlich immer Vorfälle, die man so nicht habe vorhersagen können. Man müsse nun prüfen, was passiert sei.
Dornenkrone gerettet, Rosette unversehrt
Eine der wichtigsten Reliquien der katholischen Kirche konnte gerettet werden. Es handle sich dabei um die Dornenkrone, die Jesus Christus bei seiner Kreuzigung getragen haben soll, sagte Chauvet. Sie gilt als eine der wertvollsten Reliquien, die in der Kathedrale aufbewahrt wurden. Laut einem Medienbericht soll die Rettung der Dornenkrone und des Allerheiligsten vor allem das Verdienst eines beherzten Priesters gewesen sein – mehr dazu in religion.ORF.at.
Auch das berühmteste der Mosaikfenster, die Rosette mit einem Durchmesser von zwölf Metern, blieb unversehrt, wie Aufnahmen aus dem Inneren der Kathedrale zeigen. Unversehrt blieb laut dem Pariser Vizebürgermeister Emmanuel Gregoire außerdem die aus den 1730er Jahren stammende weltberühmte Orgel im Inneren der Kirche. Die geborgenen Kunstwerke werden nach Angaben des französischen Kulturministeriums in den Louvre gebracht.
Die Sicherung der Kunstschätze sei eine der größten Herausforderungen bei den Löscharbeiten gewesen, hieß es seitens der Feuerwehr. Nach dem Einsturz des Spitzturms, der sich im Zentrum des Mittelschiffs befand, waren die Feuerwehrleute aus dem Inneren der Kirche zurückgezogen worden. Dort sei dann ein Roboter eingesetzt worden.
Hunderte Mio. Euro für Wiederaufbau
Macron kündigte bereits in der Nacht den raschen Wiederaufbau des Pariser Wahrzeichens an. Die französische Milliardärsfamilie Pinault versprach umgehend 100 Millionen Euro für den Wiederaufbau, wie Francois-Henri Pinault, der Chef des Luxusmodekonzerns Kering, in der Nacht auf Dienstag bekanntgab. Die Familie des französischen Geschäftsmannes Bernard Arnault (Moet Hennessy Louis Vuitton, LVMH) kündigte ebenfalls an, 200 Mio. Euro spenden zu wollen. Ebenso 200 Mio. Euro wollen die Haupteigner des Kosmetikkonzerns L’Oreal, die Familie Bettencourt, bereitstellen. Auch die UNESCO stellte Unterstützung in Aussicht.
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo sagte am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP, die Stadt werde sich mit 50 Millionen Euro am Wiederaufbau beteiligen. Die Region Ile-de-France, die größtenteils dem Großraum Paris entspricht, kündigte eine Soforthilfe von zehn Millionen Euro an.
Zudem soll eine internationale Geberkonferenz soll nach dem Brand Geld für den angestrebten Wiederaufbau sammeln. Einen entsprechenden Vorschlag verkündete Hidalgo via Twitter. Sie wolle die Spendenkonferenz im Rathaus von Paris veranstalten, um die notwendigen Mittel für den Wiederaufbau der Kathedrale zusammenzubekommen. Überdies sollen am Mittwochabend in ganz Frankreich die Kirchenglocken läuten.
Macron-Partei setzt EU-Wahlkampf aus
Macron hatte am Montag eine angekündigte TV-Ansprache wegen des Feuers abgesagt. Medienberichten zufolge plant Macron – Monate nach dem Beginn der „Gelbwesten“-Proteste – neue Erleichterungen für Französinnen und Franzosen. Am Dienstag sagte eine Politikerin aus Macrons Partei La Republique en Marche, dass der Europawahlkampf vorerst ausgesetzt werde. Auch eine für Mittwoch geplante Pressekonferenz zu den Reformen nach der „Nationalen Debatte“ wurde abgesagt.
Kunstschätze aus Notre-Dame gerettet
Die Pariser Kathedrale gilt als Inbegriff des kulturellen Erbes der „Grande Nation“. Viele Kirchenschätze konnten gerettet werden.
Grundsteinlegung im Jahr 1163
Notre-Dame ist eine der bedeutendsten Pariser Touristenattraktionen und wird jährlich von Millionen von Menschen besucht. Die Kathedrale, die UNESCO-Weltkulturerbe ist, steht im Herzen der Stadt auf der Ile de la Cite. Ihre Geschichte reicht bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts zurück. Der Grundstein des Gotteshauses wurde im Jahr 1163 gelegt. Fast 200 Jahre vergingen bis zur Fertigstellung.
Die Dimensionen der im gotischen Stil konstruierten und der Jungfrau Maria geweihten Kirche mit ihren beiden majestätischen Türmen sind gewaltig: 127 Meter lang, 40 Meter breit und bis zu 33 Meter hoch. International berühmt wurde die Kathedrale unter anderem durch den Roman „Der Glöckner von Notre-Dame“ des Schriftstellers Victor Hugo von 1831.