Ein Plakat zur EU-Wahl am Parlamtsgebäude in Wien
ORF.at/Roland Winkler
Parlamentswahl

Das braucht es für ein EU-Mandat

4,6 bis 4,9 Prozent müssen die heimischen Parteien laut aktuellen Berechnungen bei der EU-Wahl Ende Mai für ein Mandat im EU-Parlament erreichen. Jüngsten Umfragen zufolge könnte es damit für die Initiative 1 Europa um Johannes Voggenhuber eng werden. Eine „Mobilisierungsschlacht“ erwartet der Politologe Peter Filzmaier angesichts der traditionell niedrigen Wahlbeteiligung bei EU-Wahlen.

Weil Österreich im EU-Parlament 18 (bzw. nach dem Brexit 19) Mandate hat, ist für das Erlangen eines Mandats eine höhere Prozentzahl der Stimmen nötig als etwa bei der Nationalratswahl. Bei 19 Mandaten liegt die Spannbreite zwischen vier und 5,26 Prozent – vier Prozent nur in dem höchst unwahrscheinlichen Fall, dass keiner Partei Reststimmen übrig bleiben. Bei 18 Mandaten sind es 4,17 bis 5,56 Prozent. Im Schnitt ergibt das laut dem Statistiker Erich Neuwirth, ehemals an der Uni Wien, wahrscheinliche „Kosten“ von 4,6 bis 4,9 Prozent.

Jüngsten Umfragen zufolge wird die ÖVP sechs oder sieben Mandate erreichen (2014 waren es fünf), die SPÖ fünf oder sechs (2014: fünf), die FPÖ vier oder fünf (2014: vier). Den Einzug ins EU-Parlament würden auch NEOS und Grüne schaffen. NEOS könnte zwei Mandate (nach einem 2014) erreichen, die Grünen hingegen von drei auf ein Mandat fallen.

Luftaufnahme des Europäischen Parlaments in Straßburg
Europäisches Parlament
750 Mandate im EU-Parlament wurden 2014 vergeben – tritt Großbritannien vor der Wahl aus, sind es heuer nur 705

Mit zwei, drei Prozent in fast allen seit November veröffentlichen Umfragen lag die Initiative 1 Europa bis auf eine Umfrage deutlich unter der in der Europawahlordnung festgeschriebenen Sperrklausel für die Teilnahme an der Mandatsverteilung von vier Prozent. Schafft es Voggenhuber nicht, kommt aber in die Nähe der nötigen Stimmenzahl, würden die Mandate für die anderen Parteien etwas billiger.

Vier Prozent reichen nicht

Die als Untergrenze definierten vier Prozent wären auch bei den frühere Wahlen zu wenig gewesen, obwohl Österreich anfangs noch 21 Mandate zustanden. Bei der ersten Wahl 1996 brauchte es für eines der 21 Mandate 160.703 Stimmen bzw. 4,24 Prozent, 1999 122.739 Stimmen bzw. 4,38 Prozent. 2004 kostete ein Mandat von 18 dann 119.074 Stimmen bzw. 4,76 Prozent.

Ringgrafik zeigt die österreichischen Sitze im Europaparlament
Grafik: ORF.at, Quelle: Wikipedia
Die Ausgangslage

Am teuersten war der Einzug ins Europaparlament bei der Wahl 2009. Weil zunächst nur 17 Mandate verteilt wurden, waren 142.253 Stimmen bzw. 4,97 Prozent nötig, womit dem BZÖ 4,58 Prozent zunächst nicht reichten. Erst als mit dem Lissabon-Vertrag Österreich zwei weitere bekam, fiel auch dem BZÖ eines – und der SPÖ ein weiteres – zu. Bei der jüngsten Wahl 2014 kostete einer der 18 Sitze 136.036 Stimmen bzw. 4,82 Prozent.

Wie viele Stimmen eine Partei genau erreichen muss, kann vor der Wahl nicht gesagt werden. Das liegt am d’Hondt’sche Höchstzahlenverfahren als Grundlage für die Verteilung. Dabei werden die Stimmen aller Parteien, die über vier Prozent kamen, nebeneinandergeschrieben und jeweils durch zwei, drei, vier usw. dividiert. Die Ergebnisse werden der Größe nach geordnet. Jene, die an der Stelle der zu vergebenden Mandate steht, ist die „Wahlzahl“. Jede Partei bekommt so viele Mandate, wie die Wahlzahl voll in ihrer Stimmenzahl enthalten ist; die Reststimmen verfallen.

Parteien müssen mehr Wähler mobilisieren

Die Wahlbeteiligung ist bei EU-Wahlen in sehr vielen EU-Ländern traditionell niedrig – so auch in Österreich. 45,7 Prozent gingen 2014 zur Wahl, in ganz Europa waren es mit 43,09 Prozent noch weniger. Daraus ergibt sich, dass die „Partei“ der Nichtwähler in Österreich die größte Gruppe ist – und um sie wird auch am stärksten gebuhlt werden, rechnet Politwissenschaftler Filzmaier. Es gebe auch kaum Wechselwählereffekte unter den Parteien, der Austausch mit dem Nichtwählerlager sei bis zu fünfmal größer als die Wechselwählerzahl.

Vorteil für ÖVP

Grundsätzlich habe die ÖVP einen Mobilisierungsvorteil, so Filzmaier gegenüber ORF.at, denn wenn Wähler ein Thema nicht interessiere, dann gingen sie auch seltener zur Wahl. Das gelte am ehesten für FPÖ und SPÖ, deren Wähler der EU thematisch am fernsten seien. Mobilisierung funktioniere in dem Fall auch nur über direkte Ansprache, also Mail, Hausbesuche und Social Media – allerdings nur dort, wo man auch mit einer Stimme für sich rechnen könne, sonst könnte die Mobilisierung auch für andere Parteien schlagend werden.

Angesprochen auf den Streit zwischen FPÖ-Spitzenkandidat Harald Vilimsky und ÖVP-Spitzenkandidat Otmar Karas meinte Filzmaier, wenn es diesen nicht schon gäbe, müsste er „erfunden“ werden. Denn damit könnten beide Parteien aus dem Lager der Nichtwähler mobilisieren. Das Risiko sei aber, dass der Streit völlig eskaliere und die restliche EU-Debatte auch der anderen Parteien dominiere und zudecke.

Stammwähler helfen Parteien wenig

Der klassische Stammwählereffekt greife auch weniger, denn diese seien eher älter und würden sich für das Thema EU weniger interessieren, da es sie und ihr Leben meist nicht mehr so berühre, weswegen weniger von ihnen wählen gingen. Am ehesten würden Menschen mit einer höheren abgeschlossenen Bildung zur EU-Wahl gehen, oft Besserverdienende, die der EU zuversichtlich gegenüberstehen und sie befürworten.

Auch ganz junge Wähler würden eher wählen gehen, denn wer mit der EU zu tun habe, verstehe auch eher deren Wert, so Filzmaier. Allerdings lasse sich in der kurzen Wahlkampfzeit nur selten der ganze Wert der EU erklären und damit das Versäumnis von meist fünf Jahren zwischen den Wahlen aufholen, so Filzmaier.