Szene aus „Der Fall Collini“
Constantin Film
„Der Fall Collini“

M’Barek zwischen Recht und Rache

Elyas M’Barek gibt sein Thrillerdebüt: In der Verfilmung von Ferdinand von Schirachs Justizkrimi „Der Fall Collini“ spielt er einen jungen Strafverteidiger. Der mordende Mandant: Franco Nero, über den M’Barek sagt: „Er ist eine Legende.“

Es heißt „Einführungsgesetz zum Ordnungswidrigkeitengesetz“ und ist in seiner Wirkung eines der skandalösesten Bundesgesetze der deutschen Nachkriegsjustiz: Ein 1968 von dem nationalsozialistisch belasteten Juristen Eduard Dreher nachträglich eingefügter Satz, wonach die Teilnahme an einem Mord mildernd nur mit Totschlag belangt werden soll. Der Satz sorgte dafür, dass die Verbrechen Hunderter NS-Täter nie vor Gericht kamen.

Der deutsche Anwalt und Bestsellerautor Ferdinand von Schirach hat die Materie in „Der Fall Collini“ mit einem fiktiven Kriminalfall verwoben. Regisseur Marco Kreuzpaintner hat die literarische Vorlage als Justizthriller verfilmt – und dafür ein prominentes Zugpferd gefunden: Der charmant-witzige „Fack ju Göhte“-Star Elyas M’Barek spielt den unerfahrenen Pflichtverteidiger eines Mannes, der ein scheinbar unerklärliches Verbrechen begangen hat.

Detektivarbeit vor Gericht

Der italienische Gastarbeiter Fabrizio Collini (gespielt von Italowestern-Legende Franco Nero) hat den mächtigen Unternehmer Hans Meyer in einem Hotel getötet. Collini weigert sich auszusagen, und als der junge Anwalt Caspar Leinen (M’Barek) den Fall zugeteilt bekommt, hat er keine Ahnung, wie er die Verteidigung anlegen soll – bis er mit detektivischem Gespür und Einfühlungsvermögen das Motiv ans Licht bringt, das tief in der Vergangenheit liegt.

Szene aus „Der Fall Collini“
Constantin Film
Vor Entsetzen verstummt: Nero und M’Barek

Für den in München aufgewachsenen Österreicher M’Barek ist es ein Debüt, nämlich seine erste Hauptrolle in einem ernsthaften Film. Die Arbeit sei aber nicht anders als für eine Komödie, sagte er im ORF.at-Gespräch in Wien: „Ich spiele jede Rolle mit derselben Ernsthaftigkeit. Hier geht es eben darum, dass man den Zuschauer emotional berührt und nicht auf humorvolle Weise.“ Zumindest die Vorbereitung sei aber umfangreicher gewesen: „Ich konnte in den Gerichtssaal gehen, mich mit Rechtsanwälten unterhalten und mit Ferdinand von Schirach über den Stoff.“

Im Gerichtssaal wird Moral verhandelt

Schon von Schirachs Buch wirkt wie auf eine Verfilmung hin geschrieben. Das Drehbuch übernimmt weite Passagen fast wörtlich, lässt anderes weg, erfindet Figuren behutsam hinzu und verlässt sich bei der Inszenierung des Gerichtssaals auf amerikanische Vorbilder: Justizdramen sind da immer auch eine Vorführung dessen, wie eine Gesellschaft ihre moralischen Werte und Überzeugungen verhandelt. Im Gerichtsaal wird vor Publikum Gesellschaftspolitik vorgestellt und angewandt.

Die Realität sehe allerdings anders aus, sagt M’Barek. „Die Gerichtsprozesse, die ich beobachtet habe, fand ich eher trist, fast schon langweilig. Aber wir erzählen hier immer noch Fiktion.“ Der Gerichtssaal im Film, mitsamt dem Glaskasten, in dem der Angeklagte sitzt, sei eigens gebaut worden, „das war eine bewusste Inszenierung. Wir führen da tatsächlich eine Art Theaterstück auf, bei dem jeder die Leute auf seine Seite ziehen möchte, so wie man das aus den großen amerikanischen Filmen auch kennt.“

Keine Fragen offen

Dabei hat M’Barek zwei Gegenspieler: Zum einen ist da Heiner Lauterbach mit bemerkenswertem Haarteil, der Leinens ehemaligen Uniprofessor und nunmehrigen Anwalt der Gegenseite (als Enkelin des Opfers: Alexandra Maria Lara) spielt. Und zum anderen – Höhepunkt dieses Films – sitzt Nero im Saal, der Collini mit wortlosem Zorn und maßloser Trauer explosiv darstellt. „Dem schweigenden Franco Nero gegenüberzusitzen, zu Beginn ohne Gestik, ohne Wörter, total still und minimalistisch, das war eindrucksvoll“, sagte auch M’Barek.

Die Verfilmung von „Der Fall Collini“ zieht die Trennlinien zwischen Gut und Böse klarer als in Schirachs Vorlage, alle menschlichen Uneindeutigkeiten werden emotional abschließend geklärt, durch sepiagetönte Rückblenden in die traumatische Kindheit Collinis. Dazu Produzent Christoph Müller: „Mir geht es darum, komplizierte Stoffe so aufzubereiten, dass sie nicht nur für eine kleine Randgruppe interessant sind. Denn wir wollen ja eine Diskussion anstoßen über Themen wie Rechtsstaat, Rache, Verjährung, Selbstjustiz, Gerechtigkeit – und diese Debatte sollte nicht nur von der älteren Generation geführt werden.“