Der Sänger Josh
Carina Antl
Josh.

„Cordula Grün“ zieht nach Deutschland

Vom österreichischen Freibad über die Münchner Wiesn bis zum Karneval im Ruhrpott: Mit „Cordula Grün“ hat der Wiener Sänger Josh. einen Hit abgeliefert, der seit vergangenem Sommer seine Kreise zieht. Nun legt der 32-Jährige sein Debütalbum „Von Mädchen und Farben“ vor und nimmt mit Wiener Schmäh und einer Spur Melancholie den deutschen Markt ins Visier.

Begonnen hat alles als Netzphänomen. Am 15. Juni 2018 wurde das Video zu „Cordula Grün“ auf YouTube veröffentlicht. Der Clip mit dem Mann im roten Anzug und der grünen Puppe verbreitete sich rapide, die Klickzahlen stiegen, und knappe zwei Wochen später fragte Ö3: „Ist das der neue Sommerhit aus Österreich?“ Die Hörerinnen und Hörer beantworteten die Frage mit einem eindeutigen Ja. Es blieb nicht beim Sommerhit. Und nicht bei Österreich. Schon im Herbst schwappte die Welle nach Deutschland über.

Auf dem Münchner Oktoberfest wurde „Cordula Grün“ zum Mitgröhlhit, sehr zur Überraschung des Künstlers, der den Song eigentlich nicht als Partyhymne konzipiert hatte. Während der Faschingswoche dann besetzte „Cordula Grün“ die Spitzenplätze der deutschen Singlecharts. Auf Rang eins lag das Original – gefolgt von der Coverversion der jungen steirischen Volksmusikkombo Die Draufgänger, die das Lied mit Ziehharmonika und Posaune skihüttenkompatibel machten.

Ein bisschen Weltschmerz

Auch die Teilnehmer der RTL-Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ konnten sich der Faszination nicht entziehen und verschnulzten „Cordula Grün“ gnadenlos. Dabei sind genau die raue Stimme von Josh. und die charmant-raunzende wienerischen Einlagen das Alzerl, das aus dem Song einen Hit macht. „Ich sing, wie ich sing, ich kann es gar nicht mehr anders“, sagte Johannes Sumpich, wie Josh. mit bürgerlichem Namen heißt, gegenüber ORF.at. Ob das wirklich stimmt, bleibt offen – immerhin kann Sumpich ein abgebrochenes Studium in Instrumental- und Gesangspädagogik vorweisen, stimmtechnisches Know-how sollte also vorhanden sein.

Der Sänger Josh
Max Parovsky
Josh.: Auf „Cordula Grün“ könnte „Dorothea von früher“ folgen

„Cordula Grün“ hat neben den deutschen Single- auch die iTunes-Charts angeführt. Auf Spotify wurde der Song bereits mehr als 18 Millionen Mal gestreamt, auf YouTube hält er bei 25 Millionen Aufrufen. Seinen Job in der IT-Branche hat Josh. an den Nagel gehängt. Mittlerweile kann er von der Musik leben. Die Wesenszüge, die dem goldenen Wienerherz so gerne zugeschrieben werden – der Schmäh, die Melancholie, der Weltschmerz –, durchziehen auch die zehn Songs auf „Von Mädchen und Farben“, das in Kürze bei Warner Music Germany erscheint.

Talentepool Österreich

Dass ein Sänger, der deutschsprachigen Pop mit hörbarer Wiener Note macht, in Deutschland reüssieren kann, hängt auch mit den Entwicklungen der vergangenen Jahren zusammen. Künstlerinnen und Künstler aus Österreich hatten es, mit einigen erfolgreichen Ausnahmen, lange Zeit schwer auf dem deutschen Musikmarkt. Mittlerweile hat sich die Situation fast schon ins Gegenteil verkehrt. Die heimische Musikszene gilt als Pool, aus dem mit schöner Regelmäßigkeit spannende Künstlerinnen, Künstler und Bands auftauchen. Dabei handelt es sich nicht um Rohdiamanten, die erst in Deutschland geschliffen werden müssen, sondern um Acts, die ihren Sound bereits gefunden haben und deren Produktionen den internationalen Vergleich nicht zu scheuen brauchen.

Im Pop sind die Wegbereiter dieser Entwicklung Wanda und die Wahlwiener Bilderbuch. Aber auch mundartlastigere Künstler wie Seiler und Speer sowie Voodoo Jürgens sorgen im Nachbarland für Furore. Was den Slang betrifft, spielt Josh. eher in der Wanda- als in der Voodoo-Liga. In Interviews spricht er Hochdeutsch. „Das Wienerische passiert mir, wenn der Humor dazukommt“, sagte Sumpich. Auch der Austropop habe ihn „nie so gekriegt“. Sein Interesse setzt er zwei Generationen vor Rainhard Fendrich und Wolfgang Ambros an: bei Hans Moser und Paul Hörbiger. „Die Heurigenmusik hat mich als Kind schon fasziniert“, sagte er.

Albumhinweis

„Von Mädchen und Farben“ von Josh. erscheint am Freitag bei Warner Music Germany. Die Österreich-Tour des Künstlers startet am 2. Mai im Grazer Orpheum.

Der Urdialekt ist vor allem in städtischen Gebieten – durch deutsches Fernsehen und zunehmend auch durch YouTube – einem schlampigen Hochdeutsch mit österreichischem Einschlag gewichen. Gerade für Kinder aus der Mittelschicht ist er die Sprache der Eltern und Großeltern, untrennbar verknüpft mit einer gewissen Nostalgie. Für das deutsche Publikum macht das freilich wenig Unterschied: „Diese Melancholie finden sie nett“, erzählte Sumpich von seiner kürzlich zu Ende gegangenen kleinen Deutschland-Tournee. Und selbst die Raunzerei und das Unfreundlich-Grantige des Wienerischen, die ihm selbst oft auf die Nerven gehen, werde dort für charmant befunden.

Auf der Suche nach Cordulas Nachfolgerin

Musikalisch lebt „Von Mädchen und Farben“ von seinem organischen Sound. Man merkt, dass eine gut eingespielte Band am Werk ist. Die Melodien sind eingängig, die Arrangements ausgefeilt. Textlich dreht sich alles um das Liebes(un)glück. „Eine schwere Romantik ist das Tollste auf der Welt“, sagte Sumpich. Schon in „Cordula Grün“ geht es um eine Frau, die einem Mann den Kopf verdreht, und ihm ein nicht unwichtiges Detail verschweigt: dass sie verheiratet ist. Josh. zeigt zudem Mut zum Wortspiel, und zum phonetisch interessant klingenden Namen: „Während du daheim fürn Nachzipf lernst in Mathe; führ’ ich mich auf mit Greta und Agathe“, reimt er bereits im Albumopener „Dorothea von früher“.

Bei einigen Fans hat das Vergleiche zu den räudigen deutschen Romantikern von Element of Crime ausgelöst. Sven Regeners Altherrentruppe zählt tatsächlich zu seinen großen Vorbildern, sagte Sumpich: „Ich finde es toll, wenn Sven Regener ‚Kaffee und Karin, Birgit und Bier‘ singt.“ Kitschiges wie Bon Jovis „Bed of Roses“ sei dagegen nicht so Seines.

Die Grenze zum Kitsch versucht der Sänger auch auf seinem Debüt nicht zu überschreiten, was im Großen und Ganzen gelingt. Stark ist „Von Mädchen und Farben“ immer dort, wo sich Rauheit und Romantik die Waage halten. Bei der im März veröffentlichten Single „Vielleicht“ etwa, bei der Dreivierteltaktballade „Eskalation“ und beim nostalgischen Uptempo-Ohrwurm „Dorothea von früher“ – dem potenziell aussichtsreichsten Nachfolger für „Cordula Grün“.